Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung London

In Corona-Zeiten: Der Totentanz kehrt zurück

Die Totentänze des Mittelalters stellten als Reaktion auf die Pest im 14. Jahrhundert anschaulich dar, wie Seuchen – wie heute das Coronavirus – nicht vor den Reichen und Mächtigen Halt machen.
Danse macabre in der St. Nikolaikirche in Tallin
Foto: Wikicommons | Künstlerisch wurde die Macht des Todes, der sich keiner entziehen kann, im Totentanz oder „Danse macabre“ - hier im Bild von Bernt Notke - bildlich oder literarisch verarbeitet.

Dass es nichts Neues unter der Sonne gibt, wusste schon die Heilige Schrift. Auch, dass sich der heutige Mensch in vielen seiner mentalen Befindlichkeiten nicht von seinen im Mittelalter lebenden Vorfahren unterscheidet, ist gängige Münze. Doch wie sehr die derzeitigen Verhaltensweisen angesichts der Corona-Pandemie und möglicher ernster Folgen von den Reaktionen des 14. Jahrhunderts abweichen, muss erstaunen.

Vom mittelalterlichen Totentanz zu den heutigen Ängsten

Der anglikanische Pfarrer Fergus Butler-Gallie spannt - in einem Beitrag für das britische Magazin The Critic - den Bogen vom mittelalterlichen Totentanz zu den heutigen Ängsten vor Krankheiten und Tod. Allein das Wort Quarantäne leitet sich von den 40-tägigen (italienisch quaranta) Isolierungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Pest ab, mithilfe deren die Besatzung von in den Hafen von Venedig einlaufenden Schiffen 40 Tage lang daran gehindert wurde, die Lagunenstadt zu betreten. Die heute üblichen Handdesinfektionsmittel und Mundschutze erinnern an die vogelkopfförmigen Pestmasken des Mittelalters, die ebenfalls zum Schutz vor der Seuche getragen wurden.

Doch im Gegensatz zu heute waren gefährliche Infektionskrankheiten in früheren Zeiten im Alltag weitaus präsenter. Und damit auch der Tod. Die vor allem bildliche Darstellung der Unheil verheißenden Gestalt des Sensenmanns erreichte dann auch ihren Höhepunkt während des Schwarzen Todes, der Pandemie, die zwischen 1346 und 1353 Europa und Asien verwüstete, allerdings mit gesellschaftlichen Folgen, die „die Auswirkungen des Coronavirus wie ein Kinderspiel aussehen lassen“.

Merkwürdiger Gegensatz zu modernen Auffassungen vom Tod

Lesen Sie auch:

Künstlerisch wurde die Macht des Todes, der sich keiner entziehen kann, im Totentanz oder „Danse macabre“ bildlich oder literarisch verarbeitet. Das älteste bekannte Zeugnis eines Totentanzes ist das Gedicht „Le respit de la mort“ von 1376, zum Beginn des 15. Jahrhunderts tauchte die neue Kunstgattung in gemalter Form in ganz Europa auf. Der Grundgedanke beim Totentanz ist, dass der Knochenmann die Menschen aller Gesellschaftsschichten ohne Unterschied, Päpste und Puppenspieler, Köche und Könige, Händler und Hausierer in einem makabren Tanz mit sich in die Ewigkeit reißt.

All dies steht jedoch in einem merkwürdigen Gegensatz zu den modernen Auffassungen vom Tod. Diese „konzentrieren sich stattdessen auf die Leugnung des Offensichtlichen und wollen das Leben feiern. Das Morbide wird verbannt, der Tod nicht erwähnt.“ Doch angesichts der Coronakrise wäre „eine Neuentdeckung des Totentanzes eine gute Ausgangsbasis“. Das Coronavirus sei, so Butler-Gallie weiter, „eine viel zu selten erfolgende Mahnung daran, dass Krankheit und Sterblichkeit uns alle betrifft“. Die Reichen und Mächtigen „sind ebenso empfänglich für diese jüngste Pandemie, wie sie es bei den Ausbrüchen von Seuchen in mittelalterlichen Zeiten waren“. Und „wie für die Mehrheit unserer mittelalterlichen Vorfahren“ sollte der Tod auch für uns die „Pforte zur Unsterblichkeit“ sein.

DT/ks

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen. Kostenlos erhalten Sie die aktuelle Ausgabe

Themen & Autoren
Redaktion Pandemien Pfarrer und Pastoren Päpste

Weitere Artikel

Eine persönliche Erinnerung an Wanda Półtawska.
25.10.2023, 11 Uhr
Stefan Meetschen

Kirche

Der Kurienkardinal meint, die Aussagen des Papstes zu Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland aus dem Kontext gerissen worden seien.
18.03.2024, 14 Uhr
Meldung
Wir sind gerufen, Fürsprecher zu sein für die Welt. Dazu spornt uns die Geschichte des Mose an, erklärt Papst Franziskus in seinen Gebetskatechesen.
17.03.2024, 17 Uhr
Papst Franziskus