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Dritte Staffel von „Babylon Berlin“: Hoffnung inmitten der Dekadenz finden

Die dritte Staffel der Fernsehserie „Babylon Berlin“ verknüpft die große Politik mit der inneren Entwicklung ihrer Protagonisten.
Babylon Berlin
Foto: ARD | Kriminalkommissar Gereon Rath (Volker Bruch) und seine Assistentin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) haben mit einem "Phantom" zu tun, auf dessen Konto offensichtlich eine Reihe Morde in den Filmstudios Babelsberg gehen.

Deutsche Serien wie „Deutschland 89“ (DT vom 24. September) oder „Babylon Berlin“ (DT vom 27.9.2018)stellen unter Beweis, dass sie im aktuell beliebten Serien-Genre einem internationalen Vergleich standhalten können. Eine „kaleidoskopische Erzählung“ (so „Babylon Berlin“-Mitregisseur Tom Tykwer), verbunden mit vielfältigen Erzählungen sowie mit eigenwilligen Kameraperspektiven verknüpfen politisch-gesellschaftlich Relevantes mit persönlichen Schicksalen, die den Zuschauer berühren.

Angesiedelt ist „Babylon Berlin“ in den späten 1920er Jahren, wobei die von den Drehbuchautoren und Regisseuren Henk Handloegten, Achim von Borries und Tom Tykwer entwickelte Handlung auf dem 2008 erstmals erschienenen Kriminalroman „Der nasse Fisch“ von Volker Kutscher basiert. Die Serie wird unter anderem von X Filme (der Firma, an der Tom Tykwer Miteigentümer ist), ARD Degeto und Sky produziert. Zur Vertriebsstrategie gehört es, dass Sky bereits im Januar die dritte Staffel im Bezahl-Fernsehen ausstrahlte. Nun folgt ab dem 11. Oktober die Ausstrahlung im öffentlich-rechtlichen Ersten beziehungsweise die Einstellung in die ARD-Mediathek, wo ab dem Datum alle zwölf Folgen der dritten Staffel abgerufen werden können.

Einen Pornoring der Berliner Mafia sprengen

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Am Anfang von „Babylon Berlin“ – der Name leitet sich von Alfred Döblins Bezeichnung für die Metropole Berlin als „Hure Babylon“ in seinem Roman „Berlin Alexanderplatz“ ab – stand der junge Polizeikommissar Gereon Rath (Volker Bruch), der im Frühjahr 1929 von Köln nach Berlin berufen wird, um einen Pornoring der Berliner Mafia zu sprengen.

Im Berlin der Endzwanziger Jahre muss sich Rath mit den Kehrseiten der sogenannten „goldenen zwanziger Jahre“ herumschlagen. Schon die erste Staffel zeigt nicht nur die immer größere Schere zwischen dem luxuriösen Reichtum der Großindustriellen und den von der zunehmenden Arbeitslosigkeit arg gebeutelten Arbeiterschichten, sondern auch den offenkundig unaufhaltsamen Untergang der Weimarer Republik in den Straßenkämpfen zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten sowie in den konspirativen Ränken aus verschiedenen politischen Lagern. Zu Beginn der aktuellen, dritten Staffel im September 1929 spielen die galoppierende Inflation und die Vorboten des „Schwarzen Freitags“, als am 24. Oktober 1929 die New Yorker Börse zusammenbrach, eine entscheidende Rolle. Wilde Börsenspekulation und die radikal aufgeheizte politische Stimmung bilden die Folie, auf der die vordergründige Kriminalhandlung spielt.

Kräfte um Regierungsrat Wendt wollen den Fall instumentalisieren

Sie setzt bei Dreharbeiten in den Babelsberger Filmstudios ein, in denen ein Film mit Leinwandstar Betty Winter (Natalia Mateo) gedreht wird – der Tonfilm hat sich endgültig durchgesetzt. Mitten im Dreh wird Betty von einem herabfallenden Scheinwerfer getroffen und getötet. Ein schrecklicher Unfall? Die Ermittlungen, die Gereon Rath und seine Assistentin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) aufnehmen, weisen eher auf Mord hin, zumal weitere Todesfälle den Mordverdacht erhärten. Ein Phantom in schwarzem Umhang scheint der Täter zu sein. Hat es aber irgendwelche Beziehungen zur Berliner Unterwelt? Etwa zum „Armenier“ (Misel Maticevic) und seiner rechten Hand Walter Weintraub (Ronald Zehrfeld)?

In einem weiteren Handlungsstrang kämpft Gereon Rath gegen die eigene Vergangenheit sowie um seine Liebe zur Witwe seines gefallenen Bruders Helga (Hannah Herzsprung), die sich vom Fabrikantensohn und Börsenspekulant Alfred Nyssen (Lars Eidinger) immer mehr angezogen fühlt. Die konspirativen Kräfte um Regierungsrat Wendt (Benno Fürmann) und Generalmajor Seegers (Ernst Stötzner) wollen aus einem weiteren Kriminalfall politisches Kapital schlagen. Die Serie spricht Wendt eine entscheidende Rolle beim Tod von Außenminister Gustav Stresemann am 3. Oktober 1929 zu, die zu den Ränkespielen der nationalistischen Tendenzen um die Destabilisierung der Weimarer Republik passt.

Außen herrscht der Wahnsinn

In ihrer dritten Staffel verknüpft „Babylon Berlin“ erneut die „große“ Politik mit den persönlichen Schicksalen ihrer Protagonisten, wobei die innere Entwicklung der Hauptakteure einen noch größeren Raum einnimmt.

Auch wenn die dritte Staffel in der Kriminalhandlung teilweise vom „Tatort“ inspiriert zu sein scheint, gelingt es dem Autoren- und Regietrio, ein Panorama der Zeit zu vermittelt – allerdings weniger in den rauschhaften Feiern und Straßenszenen der ersten zwei Staffeln, sondern eher durch einen Einblick in eine Vielzahl von Figuren, die das Kaleidoskop einer Umbruchszeit bilden. Außen herrscht der Wahnsinn: Im Aktienfieber verschulden sich die Menschen, während die Hochfinanz auf den Börsenuntergang spekuliert; innen findet Gereon Rath mitten in der Verzweiflung doch noch Hoffnung in Liebe und Solidarität.


„Babylon Berlin“, 3. Staffel. 12-teilige Fernsehserie a ca. 45 Minuten. Regie: Tom Tykwer, Henk Handloegten, Achim von Borries. Ab Sonntag, 11. Oktober, 20.15 Uhr, im Ersten oder in der ARD-Mediathek.

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