Mit seinem Meisterwerk „Good-Bye, Lenin!“ (2003) ließ Wolfgang Becker die „alte DDR“ auf humorvolle Weise wiederaufleben. Die Geschichte der von Katrin Saß dargestellten Christiane Kerner, zeigt eine Frau, die der DDR ihr ganzes Leben gewidmet hat, nachdem ihr Mann 1978 von einer Dienstreise nach Westberlin nicht zurückkehrte. „Sie heiratete das sozialistische Vaterland“, bemerkt ihr Sohn Alex (Daniel Brühl) ironisch.
Am 7. Oktober 1989 fällt Christiane Kerner jedoch ins Koma. Doch der Film ist mehr als eine Komödie: Trotz der kreativen Einfälle, die Alex zusammen mit seinem westlichen Freund Denis (Florian Lukas) umsetzt, um die Illusion der DDR in ihrer 79 Quadratmeter großen Wohnung aufrechtzuerhalten, regt das Werk zum Nachdenken an, insbesondere als die Mauer gefallen ist und Coca-Cola-Werbung zum Alltag gehört. Alex’ Off-Stimme macht ihn sowohl zum Protagonisten als auch zum Erzähler, während Dokumentarbilder aus der DDR, vor allem aus der Zeit von Oktober 1989 bis zum 3. Oktober 1990, die eigenwillige Filmsprache unterstreichen.
Erfolgreichster deutscher Film 2003
„Good Bye, Lenin!“ nahm am Berlinale-Wettbewerb teil, und wurde 2003 mit mehr als sechs Millionen Besuchern zum erfolgreichsten deutschen Film des Jahres. Der international gefeierte Film wurde in über 60 Ländern gezeigt und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter neun Lolas beim Deutschen Filmpreis, sechs Europäische Filmpreise, einen César, einen Goya und eine Golden-Globe-Nominierung.
Wolfgang Becker wurde am 22. Juni 1954 im westfälischen Hemer geboren. Von 1974 bis 1979 studierte er an der Freien Universität Berlin und später an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb). 1994 war er zusammen mit Tom Tykwer, Dani Levy und Stefan Arndt Gründungsmitglied von „X Filme Creative Pool“. Sein erster Film für X Filme war „Das Leben ist eine Baustelle“, der 1997 im Wettbewerb der Berlinale uraufgeführt wurde und drei Deutsche Filmpreise gewann.
Erst zwölf Jahre nach „Good Bye, Lenin!“ übernahm Wolfgang Becker erneut die Regie. In einem Interview mit dem Autor dieser Zeilen äußerte er: „Die Zeit zwischen den beiden Filmen war nie langweilig. Der weltweite Erfolg von ,Good Bye, Lenin!’ katapultierte mich über ein Jahr wie eine Flipperkugel um die Welt. Da ich ohne Projekt war, gab es bei ,X Filme’ viel zu tun, vor allem wegen der Turbulenzen durch die Insolvenz unseres damaligen Partners.“
Letzter Film abgeschlossen
Beckers Herangehensweise an die Adaption des Kehlmann-Romans „Ich & Kaminski“ zeigt viel über seine Arbeitsweise: „Streng genommen ist ,Ich & Kaminski’ kein Roman, sondern eine etwas zu lange Novelle, denn ein dritter Akt fehlt. Die meisten Filme basieren auf einer Dreiaktstruktur. Bei dieser Adaption stellte ich jedoch fest, dass diese Struktur unbrauchbar ist. Daher entschied ich mich, den Film in Kapiteln zu erzählen, was nichts mit Buchkapiteln zu tun hat. Es sind acht Kapitel, die verschiedene Bögen der Geschichte bilden und die Möglichkeit bieten, die Tonart zu variieren. Jedes Kapitel hat eine Überschrift, die mit der Komplexität des Themas zusammenhängt. Der Film ist nicht monothematisch wie viele Mainstream-Filme, die oft um einen einzigen Konflikt kreisen. Er weicht in vielerlei Hinsicht vom typischen Schema der Konfliktdarstellung ab und bietet am Ende nicht einmal eine Katharsis.“
Wolfgang Becker verstarb am Donnerstag im Alter von 70 Jahren nach schwerer Krankheit, aber dennoch überraschend. Er hinterlässt Ehefrau Susanne und Tochter Rike. Kurz vor seinem Tod schloss Becker die Dreharbeiten zu dem Film „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ ab. Seine Weggefährten bei „X Filme“ Stefan Arndt, Dani Levy und Tom Tykwer verabschieden sich mit dem Worten: „Good Bye, Wolfgang! Du einzigartiger Freund und Weggefährte. Deine Liebe, Kraft und Kreativität wird uns unendlich fehlen.“
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