Die Angst vor terroristischen Anschlägen ist in Deutschland spätestens seit dem Anschlag am Berliner Breitscheidplatz vom 19. Dezember 2016 mit 13 Toten und 60 Verletzten präsent. Das Bundeskriminalamt (BKA) zählt eine Reihe von „Ereignissen“ auf, die eine anhaltende Bedrohungslage durch islamistischen Terror verdeutlichen. Seit November 2019 existiert beim BKA eine eigene Abteilung für „Islamistisch motivierten Terrorismus/Extremismus“, in der Bundes- und Landesbehörden eng zusammenarbeiten.
Die Sitzung einer gemeinsamen Abteilung von LKA- und BKA-Beamten steht am Anfang der Miniserie „Informant – Angst über der Stadt“, die in der ARD-Mediathek abgerufen werden kann. Die Serie adaptiert die BBC-Produktion „Informer“ aus dem Jahr 2018. Die Ermittler gehen davon aus, dass ein Anschlag auf die Elbphilharmonie geplant wird, nachdem der Terrorist El Adoua bei einer Razzia in Italien ums Leben kam. Hinweise deuten darauf hin, dass er sich kurz vor seinem Tod mehrmals in Hamburg aufhielt, möglicherweise, um den Anschlag zu planen. Bei der Miniserie führt Regie Matthias Glasner, der dieses Jahr für das Kinodrama „Sterben“ mit einem Silbernen Bären bei der Berlinale und dem Deutschen Filmpreis für den besten Spielfilm ausgezeichnet wurde.
Unschuldiger Bürger in gefährlicher Welt
Im Mittelpunkt der Serie stehen der erfahrene LKA-Beamte Gabriel Bach (Jürgen Vogel) und die junge BKA-Ermittlerin Holly Valentin (Elisa Schlott). Bach verfügt über wertvolle Kontakte in die arabische Community, da er früher als verdeckter Ermittler tätig war. Der Titel der Miniserie verweist auf den afghanischen Aushilfslehrer Raza Shaheen (Ivar Wafaei), der von den Ermittlern als Informant rekrutiert wird, nachdem Bachs langjähriger Informant tot aufgefunden wird.
Obwohl Raza nichts mit Terrorismus oder Drogengeschäften zu tun hat, wird er zur Schlüsselfigur der Ermittlungen. Die Beamten setzen ihn unter Druck, da seine Freundin Sadia (Bayan Layla) illegal in Deutschland lebt. Um sie zu schützen, lässt sich Raza darauf ein, die Organisation des Drogendealers Gol Rahmani (Aziz Çapkurt) zu infiltrieren, die Kontakte zur Terroristenszene haben könnte. Raza beginnt ein gefährliches Doppelleben, bei dem er versucht, sich in die Welt der organisierten Kriminalität einzuschleichen und gleichzeitig seine eigene Unschuld zu bewahren.
Die Serie greift das klassische Motiv des unschuldigen Bürgers auf, der gegen seinen Willen in eine gefährliche Welt gezogen wird. Raza, der ein ruhiges Leben in Deutschland führen wollte, findet sich plötzlich zwischen Polizei und Terroristen wieder. Seine zunehmende Verstrickung in diese Machenschaften und seine ambivalente Haltung zu seiner Rolle als Informant machen ihn zu einer komplexen Figur. Diese Spannung zieht sich durch die gesamte Serie.
Die Mechanismen, die zur Eskalation führen
Zu Beginn jeder der ersten fünf Episoden wird scheibchenweise geschildert, wie sich der Anschlag ereignet hat. Die kurzen, parallel montierten Ausschnitte aus einer späteren öffentlichen Anhörung geben weitere Hinweise, doch tatsächlich wird erst im sechsten und letzten Teil klar, wer Täter und Opfer sind. Matthias Glasner legt besonderen Wert auf die Charakterentwicklung, insbesondere von Gabriel Bach. Der erfahrene Ermittler steht selbst unter Druck, da seine Vergangenheit als verdeckter Ermittler in der rechten Szene Misstrauen bei seinen Vorgesetzten weckt. Gleichzeitig kämpft er mit persönlichen Problemen, da seine Ehe mit der Geschichtsdozentin Emilia (Claudia Michelsen) in der Krise steckt. Bach bewegt sich ständig zwischen verschiedenen Welten. Er ist ein Mann, der trotz seiner körperlichen und seelischen Narben immer noch gefährlich sein kann – was ihn zu einer unberechenbaren Figur macht.
Auch die Darstellung von Razas Familie, die versucht, als Flüchtlinge in Deutschland Fuß zu fassen, verleiht der Serie emotionale Tiefe. Diese Facette betont, wie die Leben unbeteiligter Menschen durch die Ermittlungen auf den Kopf gestellt werden. Im Vordergrund der Serie „Informant – Angst über der Stadt“ steht allerdings weniger der Terroranschlag selbst als die Mechanismen, die zu einer solchen Eskalation führen. Sie bietet nicht nur Spannung, sondern wirft auch tiefgreifende Fragen über den Umgang mit Terrorgefahren und die Auswirkungen auf die Betroffenen auf. Gleichzeitig stellt sie die moralischen Dilemmata dar, mit denen sich sowohl die Ermittler als auch der unfreiwillige Informant konfrontiert sehen.
„Informant – Angst über der Stadt“, Deutschland 2024. Serienentwicklung: Rory Haines, Sohrab Noshirvani, Matthias Glasner. Regie: Matthias Glasner. Sechs Folgen à 45 Min. In der ARD-Mediathek.
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