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Beginnt die Apokalypse in Pennsylvania?

Der Thriller „Knock at the Cabin“ von „The Sixth Sense“-Regisseur M. Night Shyamalan geizt nicht mit biblischer Symbolik.
M. Night Shyamalan, Regisseur
Foto: IMAGO (www.imago-images.de) | Regisseur M. Night Shyamalan bei der Premiere von „Knock at the Cabin“ in New York, Januar 2023.

„Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn einer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten …“, spricht Jesus Christus im letzten Buch der Bibel (Offenbarung 3,20). In M. Night Shyamalans neuestem Mystery-Thriller „Knock at the Cabin“, der seit dem 9. Februar in den Kinos läuft, fahren das homosexuelle Paar Andrew (Jonathan Groff) und Eric (Ben Aldridge) mit ihrer kleinen Adoptivtochter Wen (Kristen Cui) zu einer weit entlegenen Waldhütte irgendwo in Pennsylvania, um einen Urlaub in der Natur zu genießen. Doch die paradiesische Idylle hält nicht lange vor.

Ist jegliches Opfer gerechtfertigt?

Vier mit Werkzeugen bewaffnete Fremde, unter anderem Leonard („Guardians of the Galaxy“-Star Dave Bautista) und Redmond („Harry Potter“-Star Rupert Grint), klopfen plötzlich an ihre Tür und nehmen sie als Geiseln - denn sie glauben, dass die Apokalypse unmittelbar bevorsteht und dass nur die drei Gefangenen sie noch abwenden können, indem sie eine unmögliche Entscheidung treffen: Die drei müssen jemanden unter sich auswählen und anschließend töten, um das Ende der Welt zu verhindern. Mit anderen Worten: Es muss also eine Person geopfert werden, um die gesamte Menschheit zu erlösen. 

Die Regel der Eindringlinge: Selbstmord ist nicht erlaubt. Und jedes Mal, wenn sich die drei weigern, einen von ihnen zu töten, bricht eine Katastrophe nach der anderen über die Welt herein und die Apokalypse rückt näher. Wie genau das funktionieren soll und welche höhere Macht sie lenkt, erklären die Fremden nicht, denn sie behaupten selbst nicht zu wissen, warum gerade diese drei auserwählt worden sind, die Welt durch ihr Opfer zu retten. Doch alle vier Eindringlinge behaupten gegenüber den verängstigten Urlaubern, dass dieselben Visionen sie zu ihnen geführt hätten und diese nun eine Entscheidung fällen müssten:  Entweder einen der ihren oder die gesamte Menschheit zu retten.

M. Night Shyamalan spielt mit biblischen Urbildern

Diese einigermaßen seltsam anmutende, aber durchaus nicht uninteressante Prämisse basiert auf dem 2018 veröffentlichten Endzeitroman „Das Haus am Ende der Welt“ des US-Autors Paul Tremblay. Regisseur Shyamalan nutzte diesen Roman als Inspiration für seine mittlerweile 15. Regiearbeit und schrieb ein passendes Drehbuch, das von der Buchvorlage aber deutlich abweicht, vor allem was die verstörende und offene Auflösung der Geschichte anbetrifft. Hollywoods ehemaliges Wunderkind Shyamalan ist der Meister der überraschenden Filmwendungen und berühmt für seine spannenden Genie-Streiche wie „The Sixth Sence“, „Unbreakable“ oder „Signs“ - mit diesen Mystery-Thrillern und ihren Filmtwists hat er Kinogeschichte geschrieben. Gleichzeitig finden sich aber auch viele Flops und Totalausfälle wie „After Earth“, „The Happening“ oder „Lady in the Water“ unter seinen Regiewerken. Seine Filme sind, mit Forrest Gump gesprochen, „wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie was man bekommt“.

Wo ordnet sich da Shyamalans neuester Film ein? Laut den meisten Kritiken: irgendwo dazwischen. Die entscheidende Frage, vor die der Film den Zuschauer stellt, ist: Sind die vier Einbrecher psychisch krank, gehören sie einem christlichen Sektenopferkult an, sind sie religiöse oder homophobe Fanatiker, die das Paar umerziehen wollen und haben deshalb ihr Vorgehen auf perfide Weise so diabolisch vorbereitet? Oder sagen sie doch die Wahrheit und die Apokalypse steht wirklich unmittelbar bevor? Eine finale Antwort auf diese Frage hält der Film lange zurück.

Die vier Eindringlinge in „Knock at the Cabin“
Foto: dpa | Das Ende der Welt ist nahe – wenn man den vier Eindringlingen im Thriller „Knock at the Cabin“ Glauben schenken darf. Foto: Universal Pictures.

Der Film ist von seiner Prämisse her eindeutig religiös aufgezogen, was bei Shyamalan nicht weiter verwundert. Denn Spiritualität, Glaube und Vorsehung, Übersinnliches und Mysteriöses sind immer wiederkehrende Motive und Themen in seinen Filmen, angefangen bei seinem Frühwerk „Wide awake“, der auf einem katholischen Internat spielt und seine eigene Kindheit auf einer katholischen Schule reflektiert.

Bei der Handlung von „Knock at the Cabin“ drängen sich unweigerlich verschiedene Parallelen zu Erzählungen aus der Bibel auf: Sei es die Opferung Isaaks, in der Gott Abrahams Gehorsam auf die Probe stellt (Genesis 22), die alttestamentlichen Plagen, die über die Ägypter gekommen sind (Genesis 10), die Worte des Hohepriesters Kaiphas über Jesus („Für euch alle ist es besser, wenn einer für das Volk stirbt, als dass ein ganzes Volk zugrunde geht“ (Johannes 11,50) oder Verweise auf das 6. Kapitel der Offenbarung des Johannes. Denn die vier Eindringlinge stehen symbolisch für die vier Reiter der Apokalypse: Diese sind die biblischen Vorboten des Jüngsten Gerichts und repräsentieren vier einzelne Plagen die am Ende über die Welt kommen werden: Krieg, Hunger, Krankheit und Tod. Im Film findet sich ihre Zahl auch in vier aufeinanderfolgenden Etappen des Weltuntergangs wieder. Und die vier Eindringlingen stehen durch ihren charakterlichen und beruflichen Hintergrund symbolisch für die vier Eigenschaften - Bosheit, Heilung, Fürsorge und Führung. Alle vier versuchen den Ausbruch der Apokalypse zu verhindern beziehungsweise hinauszuzögern und Zeit zu gewinnen, um ihre Gefangenen von der Wahrheit ihrer Behauptung zu überzeugen und zur Entscheidung zu führen.

Ein stimmungsvolles, letztendlich aber durchwachsenes Drama

M. Night Shyamalan hat mit seinem neuesten Werk einen Beitrag über Schuld, Sühne, Liebe und Opfer abgeliefert und macht aus der Apokalypse einen sehr persönlichen Kampf des Menschen, der zwischen Glaube und Unglaube wählen muss. Aus der Besetzung sticht vor allem Dave Bautista heraus, der hier wohl die beste Leistung seiner Karriere abliefert. Dazu ist das ganze Kammerspiel stimmungsvoll bebildert und die Musik sorgt ordentlich für Gänsehaut. 

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Aber das moralische Drama hat auch viele Schwächen. Die besondere Prämisse des Films wäre besser in einem Kurzfilm aufgehoben gewesen, denn der Film wiederholt sich in seiner Handlung mehrere Male und hat gänzlich unnötige Rückblenden, die nur zeigen, was schon vorab von den Figuren bereits gesagt wurde. Shyamalan zeigt zwar mit seinem Gedankenexperiment interessante moralische Fallhöhen auf, aber kümmert sich gleichzeitig zu wenig um das „Warum“ und oder die Frage nach dem Gottesbild, dass der christlichen Apokalypse zugrunde liegt - die nicht die Vernichtung, sondern die Erlösung und Vollendung der Welt zum Ziel hat. Dadurch wirkt der Film oberflächlich und trägt vor allem durch sein umstrittenes Ende nicht dazu bei, dass man sich nach dem Kinobesuch über die vielen provokanten Fragestellungen noch weiter unterhalten wird.

So hat der Regisseur eine Chance vertan, denn das Kammerspiel wirft große Menschheitsfragen auf: Was sind Menschen bereit zu tun, um andere Menschen oder sich selbst zu retten? Wie weit reicht die Liebe zueinander, um Schlimmeres zu verhindern oder nicht zu verhindern? Was, wenn die Opferung deines Lebens oder eines dir nahe stehenden Menschen die gesamte Menschheit retten könnte? Wieviel ist man selbst bereit für eine größere Sache zu opfern? Was M. Night Shyamalan trotz katholischer Schulbildung anscheinend nicht weiß: Gott hat diese Fragen schon in seinem Sohn, Jesus Christus, für uns beantwortet. 

 

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