Das Sprechen, so lese ich in dem soeben erschienenen Buch „Leben der Stimme“ von Hans Ulrich Gumbrecht, artikuliere „vornehmlich im Geist gebildete Bedeutungen, während Singen hauptsächlich unsere Stimme in ihren physischen Qualitäten vorführt.“ Man könnte auch sagen: Das Singen spricht uns anders und mehrfach an, es steigert den affektiven Gehalt. Singende gehen mehr in die Emotion hinein als bloß Sprechende und erreichen auch das Gefühl der Zuhörenden stärker. Im Gesang erreicht der menschliche Ausdruck seine höchsten Möglichkeiten, indem er sich künstlerisch gestaltet. Im Tanz (oder in den Haltungen und Gebärden während der Messe) tritt die Bedeutung stumm auf, im Gesang öffnet sie sich.
Warum singen wir in der Kirche?
Gesang gehört zum christlichen Gottesdienst dazu. Es schließt das Sinnliche des Affekts in das Geistige des Wortes ein.
