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Das Kopftuch als Frage der Grundrechte

Österreichs Bundesregierung will ein Kopftuchverbot an Schulen für Mädchen bis zur Religionsmündigkeit. Die Kontroverse darüber war unvermeidbar.
Außenpolitikkorrespondent Stephan Baier, junge Frau mit Kopftuch in Schule
Foto: DT / IMAGO / Funke Foto Services | Der Streit um das Kopftuch an Schulen ist auch ein Streit der Grundrechte.

Österreich hat wieder eine Kopftuchdebatte, denn die Bundesregierung will das Tragen von Kopftüchern bei Mädchen bis 14 Jahren, also bis zum Eintritt der sogenannten Religionsmündigkeit, in den Schulen verbieten. Dafür gibt es sehr gute Gründe, denn die Mädchen sind nicht nur häuslichem Druck seitens der Eltern und Brüder ausgesetzt, sondern vor allem dem Mobbing durch radikalisierte Mitschüler, die sich zu Sittenwächtern aufspielen.

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Ein gesetzliches Verbot würde die Schülerinnen zumindest dort schützen, wo sie in einer gewalt- und diskriminierungsfreien Zone lernen und zu selbstbestimmten Persönlichkeiten heranreifen können sollten: in der Schule. Es geht den Befürwortern des Verbots also tatsächlich um Grundrechte, insbesondere um die Selbstbestimmung und die freie Entfaltung der muslimischen Mädchen.

Was wiegt die Religionsfreiheit?

Doch auch einige der Kritiker eines solchen Verbots argumentieren mit Grundrechten: So hat etwa das Generalsekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz darauf hingewiesen, dass hier in die Religionsfreiheit und in das elterliche Erziehungsrecht eingegriffen wird. Tatsächlich ist es ja nicht die Aufgabe und Kompetenz des Staates, zu definieren, was wesentlich zur freien Religionsausübung gehört. Anders als das radikal laizistische Frankreich ist die Republik Österreich ein religionsfreundlicher Staat, der den gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften vertraut und Gestaltungsraum zuerkennt.

Wenn aber nun diese Regierung – gegen das Urteil der anerkannten „Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich“ (IGGÖ) – ein Kopftuchverbot erlässt, wird dann vielleicht eine künftige Regierung auch jüdischen Schülern das Tragen einer Kippa, Sikhs das Tragen eines Turbans oder Katholiken das Halskreuz verbieten?

Schutz vor Fundi-Mobbing

Welche Grundrechte sind nun schwergewichtiger: die freie Entfaltung noch nicht „religionsmündiger“ Mädchen oder das Erziehungsrecht ihrer Eltern? Und wie tief darf ein säkularer, pluralistischer, aber eben nicht laizistischer Staat in die Autonomie der Religionsgemeinschaften eingreifen? Dazu kommen praktische Fragen: Werden die Schulleitungen nicht überfordert, wenn man ihnen bei Verstößen die Pflicht zu verhaltensändernden Gesprächen mit den Eltern der Schülerinnen zumutet? Und erst recht, wenn sie dann Meldungen machen müssen, die zu Geldstrafen führen?

Bei aller Debatte um Grundrechte ist eines sicher: Der Gesetzgeber und die Schule haben die Pflicht, Mädchen jeder Religionszugehörigkeit vor sozialem Druck zu schützen. Die meisten religiösen Muslime setzen die Kopftuchpflicht mit der sexuellen Reife junger Frauen an, aber fanatische Fundis pöbeln auch kleine Mädchen an, die sich aus ihrer Sicht ehrlos kleiden. Gegen solches Mobbing in wie außerhalb der Schule vorzugehen, ist die Pflicht des Staates und eine Überlebensfrage für die pluralistische Gesellschaft. Auch muss das Erziehungsziel der selbstbestimmten Entscheidung gegen den Megatrend einer Radikalisierung im muslimischen Migrantenmilieu wacker verteidigt werden. Jeder Fall eines Zwangs zum Kopftuch ist eine Niederlage für den Rechtsstaat und seine Werte.

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