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 „Das Konzil hat die Kirche nicht auf die radikale, plurale postmoderne Gesellschaft vorbereitet“

Der Priester Tomáš Halík (74) kennt das Leben im kommunistischen Untergrund genauso wie das Leben in der Weltkirche: geweiht wurde er in der DDR, in den 1980er Jahren war er enger Mitarbeiter von František Kardinal Tomášek. Nach der Wende absolvierte er ein Postgraduiertenstudium an der Päpstlichen Lateranuniversität in Rom, auf das eine Habilitation in Breslau für Praktische Theologie und in Prag für Soziologie folgten. Papst Benedikt XVI. verlieh ihm den Ehrentitel „Päpstlicher Prälat“, im Jahr 2014 erhielt er den Templeton-Preis, den inoffiziellen „Nobelpreis für Religion“. Im exklusiven Interview für das Feuilleton der „Tagespost“ erläutert Halík, welche Erneuerungen die Kirche braucht, um für die Herausforderungen der Postmoderne gerüstet zu sein.
Katholische Tradition
Foto: Martin Schutt (dpa-Zentralbild) | Vieles am katholischen Leben folgt nur der Tradition. Es ist nicht auf die Herausforderungen der Postmoderne vorbereitet. Im Bild: Palmsonntags-Prozession in Heiligenstadt im Eichsfeld.

Halik ist überzeugt: „Die Reformen des Zweiten Vaticanums kamen ein bisschen zu spät. Die Auseinandersetzung mit der Moderne kam, als deren Aufkommen längst abgeschlossen war. Das Konzil hat die Kirche nicht auf die radikale, plurale postmoderne Gesellschaft vorbereitet. Dafür braucht man noch eine andere Reform und ich hoffe, der synodale Weg kann die Kirche auf diese globale postmoderne Gesellschaft vorbereiten.“

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Dabei unterstreicht Halik: Der Synodale Weg in Deutschland „konzentriert sich zu sehr auf die institutionellen Veränderungen. Wir müssen darüber diskutieren, aber das ist nicht das Wichtigste. Ich konzentriere mich mehr auf die innere Erneuerung, auf die Vertiefung der Theologie und Spiritualität. Aber das bedeutet nicht, dass die alten Strukturen nicht auch der Veränderung bedürfen.“

Unterschied zwischen Katholizismus und Katholizität

Die Weite des katholischen Denkens von Halik wird deutlich, wenn es um die alten Liturgieformen geht, die Papst Franziskus im Unterschied zu seinem Vorgänger nicht fördert. Haliks Kommentar: „Das war für mich eine Überraschung. Ich hatte mehr Pluralität in der Liturgie der Katholische Kirche erwartet. Dazu gehört auch Toleranz gegenüber dem alten Ritus. Aber vielleicht war für Viele der alte Ritus mehr ein Symbol des Widerstandes gegenüber dem Papst und der neuen Entwicklungen.

Auch bei uns gab es sehr seltsame, sektiererische Christen. Es gibt einen Unterschied zwischen Katholizismus und Katholizität. Im 19. Jahrhundert sah sich der Katholizismus als Gegenbewegung zu anderen -ismen, wie etwa dem Sozialismus. Dieser Katholizismus hat die Vitalität verloren. Das Zweite Vatikanische Konzil wollte das überwinden und einen Weg finden vom Katholizismus zu einer wirklichen Katholizität.“ DT/mee

Tomáš Halík (74) im Feuilleton-Interview der „Tagespost“. Lesen Sie das ganze Interview in der Ausgabe der „Tagespost“ vom 6. April.

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