Musik über Krieg ist eine schwierige Angelegenheit. Einst dominierten verherrlichende Schlachtlieder das Feld, inzwischen eher wohlfeile Friedensschlager. Die EP „Defiance“ der luxemburgischen Band „ROME“ ist nichts von beidem. Die Gruppe um den Singer-Songwriter und Gründer der Band Jérôme Reuter schöpft dabei, wie gewohnt, inhaltlich aus zahlreichen musikalischen Genres und Einflüssen.
Während die Neofolk-Elemente, der pathetisch-kämpferische Gesang Reuters und die bisweilen repetitiv-hymnisch gehaltenen Refrains, unverkennbar sind, klingen die neuesten Songs der Band, deren Schaffen oft in einem musikalisch uneindeutigen Spektrum zwischen Chanson Noir, Post-Industrial und Folk Noir verordnet wird, poppiger und emotionaler als frühere Alben. In ihren vergangenen Werken nahm sich die Band thematisch immer wieder Phasen europäischer oder kolonialer Geschichte an, aber auch großen europäischen Denkern und Geistern sowie der politischen Gegenwart der Europäischen Union.
Durch und durch europäisch
Kurzum: „ROME“ ist durch und durch europäisch. Das schmerzhafte Werden, die ständige Gefahr des Scheiterns, aber auch die Schönheit und Vielfalt Europas sind immer wieder Thema in den stets vielschichtigen und dennoch unterhaltenden Titeln der Gruppe – umso mehr in „Defiance“. Und dennoch fehlt der EP die für die Musik der Band so prägnante Gebrochenheit, die sie gerne mittels mal subtiler, mal brachialer Ironie oder aber gezielter ästhetischen Übersteigerung transportiert, die beizeiten fast an Laibach erinnert.
Zwar badet „ROME“ für gewöhnlich ohnehin nicht im selben Ausmaß in Überidentifikation wie die berüchtigten Slowenen, aber „Defiance“ geht diese Gebrochenheit ab: Die Songs sind unmittelbarer, offener und letztlich auch verletzlicher – so als hätte Reuter die täglich das Netz flutenden, grausamen Bilder und Berichte von der russischen Invasion so unvermittelt in sich aufgenommen, dass er sie nun genauso unvermittelt weitergeben müsse, um sie verarbeiten zu können.
Wenn der Krieg zum Alltag wird, muss der traditionell die Natur nachahmende Künstler sich diesem stellen. „ROME“ gelingt das Kunststück, dieser Konfrontation Kraft und Schönheit angedeihen zu lassen, insbesondere wenn die Band den stolzen und bisweilen tragischen Heldenmut der Ukrainer darstellt.
Lied über Leid und Zerstörung in Mariupol
Kaum ein Song der insgesamt vierteiligen EP gibt deren Haltung des erhobenen Hauptes im Angesicht der wild tobenden Vernichtung so gut wieder wie „The Brightest Sun“. Mitreißende Zeilen wie „Our heroes’ names we wield them bright like swords / And none have ever fallen here for naught / It will take more than a madman’s murdering fools / Let them meet the wrath of this iron youth“ werden darin von mal hintergründig wabernden, mal kristallin aufblitzenden Synth-Sounds und neofolkigen bis rockigen Gitarrenklängen begleitet.
Dahingegen widmet sich „The Ballad of Mariupol“, eingebettet in sanftmütig trauernde Akustik- und Streichertöne, dem Leid und der Zerstörung, aber auch der Enttäuschung über jene, denen Propaganda und Lügen die Herzen verhärten: „And what lies were you told / On the souls of Mariupol? / As they were torn apart / The proudest of hearts“.
Synthese von Schmerz, Kampf und Hoffnung
Eine Synthese von Schmerz, Kampf und Hoffnung bildet schließlich „Going Back to Kyiv“. Das musikalisch ruhig, melancholisch und doch auch träumerisch beginnende Stück steigert sich erst langsam zu einem aufbrausenden Höhepunkt, um dann wieder in eindringlichen Mantren der Hoffnung auf Wiederaufbau und Frieden zu münden: „And though some of our bravеst are with us no more / We'll rebuild again / And sing that some of our brightest are with us no more / We'll remember them / And though some of our dearest are with us no more / We will rise again“.
Das Ende des Liedes und das geistige Fundament der EP sind schließlich der Glaube an ein ukrainisches und europäisches Morgen einerseits und der Glaube an die Liebe andererseits: „We're going back / To Kyiv / You will be my queen / And I will be your man / You'll be my queen.“
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