Er kommt pünktlich, mit einem froschgrünen Alpine, den Coffee-to-go-Becher in der Hand: weiße Sneaker, ausgewaschene Jeans und ein bunter Pulli, den ihm sein Vater in Bolivien schenkte. Ferdinand Habsburg, wie er sich als Rennfahrer nennt, oder Erzherzog Ferdinand von Habsburg-Lothringen, wie ihn die Tradition kennt, lebt in vielen Welten. Der grüne Frosch sei sein aktueller „Dienstwagen“, schmunzelt er, weil er für diese Marke Rennen fährt. Als wir die Wiener Salesianerinnenkirche betreten, nimmt er Weihwasser, bekreuzigt sich, macht eine Kniebeuge – und sprudelt los: „Jedesmal, wenn ich in einer neuen Stadt bin, frage ich ChatGPT, wo ich Anbetung finden kann.“ Die KI hilft immer. „Durch ChatGPT finde ich Gott!“, lacht der junge Habsburger und strahlt. „Mega, oder?“
Früher habe er mühsam auf Kirchen-Websites gesucht. „Oft zeigen sie es nicht einmal an, obwohl sie Eucharistische Anbetung haben, das nervt mich wahnsinnig. In jeder Stadt gibt es Adoration, aber wenn du nicht von dort bist, ist sie fast unmöglich zu finden. ChatGPT findet sie!“ Er brauche „das tägliche Gebet“, bekennt der 27-jährige Urenkel des seligen Kaiser Karl. „In der Anbetung geht es am besten.“ Als global aktiver Rennfahrer ist er ständig unterwegs, immer wieder in neuen Städten, stets auf Achse. „Überall, wohin ich gehe, egal ob das Katar ist oder Las Vegas, finde ich eine Heilige Messe.“ Leuten, die meinen, sie bräuchten keine Kirche, denn sie könnten ja im Wald beten, sagt er: „Ich kann besser laufen in Laufschuhen, nicht in Gummistiefeln, oder? Wenn ich krank bin, gehe ich ins Krankenhaus, nicht in die Schule. Wenn du fit werden willst, gehst du ins Gym, nicht ins Museum.“ Ferdinand von Habsburg lässt den Blick über den Barock der Salesianerinnenkirche gleiten: „Hier wurde jeder Stein dafür benutzt, dass Menschen hier beten.“
Erst die Erziehung, dann der Herzensglaube
Für andere mag es wenig überraschend sein, dass der Urenkel des 2004 seliggesprochenen letzten regierenden Kaisers von Österreich und Königs von Ungarn begeistert von seinem Glauben spricht. Für ihn durchaus: „Es gibt eine geschichtliche Erwartungshaltung an Ferdinand Habsburg“, weiß er. Und gesteht: „Ich hatte das Bedürfnis, den Glauben zu verbreiten, bevor der Glaube zu mir gekommen ist. Das ist verwirrend. Zuerst war die Erziehung, dann kam erst der Herzensglaube.“ Ferdinand von Habsburg ging früher zwar in die Messe, „aber mein Leben war total unkatholisch“. Er kannte Zweifel und hat heute „überhaupt keine Hemmungen, darüber zu reden“.
Dann drängte ihn ein Cousin zur Pilgerfahrt nach Fatima. „Das war mein erster Glaubenstrip.“ Doch eine Woche zuvor rief ihn ein Freund an, um ihn zum Segeln nach Griechenland einzuladen; ein zweiter wollte mit ihm zum Surfen nach Marokko fahren. Der Cousin half erneut: „Das passiert immer, wenn du auf eine solche Reise gehen willst, dann versucht dich einer abzulenken – also fahr nach Fatima, nimm das Buch über Mutter Teresa mit, schalte dein Handy aus und verbringe fünf Tage mit Gott.“ Das hat er dann auch gemacht. Seither ist Mutter Teresa seine „neue beste Freundin“. Sie habe „geglaubt und gedient – und dann konnte sie in jeden Raum gehen und die Menschen zu Gott ziehen: das ist wahre Wirkung.“ Ferdinand von Habsburg bewundert große Missionare, die ihr Leben für Jesus geben, „während ich Rennfahrer bleibe“. Er denkt nach, lacht: „Ich bin noch immer Mr. Celebrity Racing Driver.“



Dennoch ist der im Rennsport erfolgreiche Habsburger missionarisch aktiv: als Vorbeter auf der Hallow-App und mit einem Glaubenszeugnis beim Medjugorje-Gebetstreffen im Wiener Stephansdom. Auch in Fernsehinterviews, die nur nach dem Rennfahrer Habsburg fragen – und dann zu hören kriegen, dass er sein Rennauto segnen lasse und ab und zu „einen Deal mit dem lieben Gott“ mache. Warum exponiert er sich so? „Ich bin frustriert, wenn ich ein Interview gebe und darin Gott nicht vorkommt“, schmunzelt er. „Neulich war ich bei einem Medienevent, wo ich gefragt wurde, was ich vor dem Einsteigen ins Rennauto mache. Und ich erzählte das Physiologische, habe aber vergessen, zu sagen, dass ich auch ein Gebet spreche.“ Das sei eine „verpasste Gelegenheit“.
Er wird nachdenklich, betrachtet den Seitenaltar, vor dem wir stehen. „Das hat sicher damit zu tun, dass ich die meiste Zeit meines Lebens und Arbeitens in einem Bereich bin, wo von Gott keine Rede ist. Ich muss davon ausgehen, dass diese Leute Jesus nicht kennen – in der Kunstwelt, in der meine Mutter zuhause ist, ebenso wie in der Motorsportwelt.“ Die christlichen Werte seien für diese Leute „viel zu weit weg – dort denkt man komplett anders“. Ferdinand von Habsburg schildert seine Strategie: „Wenn diese Leute von christlichen Werten hören, denken sie, dass man ihnen das ‚Recht auf Abtreibung‘ nehmen will.“ So würden sie nur denken, weil sie Jesus nicht kennen. „Wenn ich da beginne, über Abtreibung zu reden, habe ich schon verloren. Aber wenn sie Jesus kennenlernen, kommen sie auch zur richtigen Sichtweise. Er macht das dann selber. Sie müssen ihn kennenlernen!“
Themenwechsel geht bei mir nicht
Ein paar Schritte weiter und wir stehen vor dem Seitenaltar mit der Reliquie seines Urgroßvaters. „Wenn etwas Habsburgisches in mir steckt, dann hat das mit meinem Glauben zu tun“, sagt Ferdinand. Sein Vater Karl verstehe viel mehr von Politik: „Das ist nicht meine Stärke – oder noch nicht. Was man in der Welt als politische Krise erkennt, ist für mich eine Glaubenskrise. Für mich ist der einzige Weg, etwas in der Politik zu verändern, dass die Menschen wieder an Gott glauben.“ Wir fragen nach seinem kaiserlichen Urgroßvater, der im Ersten Weltkrieg zur Herrschaft gelangte, in seinen Friedensbemühungen scheiterte und im Exil endete. Nun wirkt der junge Habsburger stolz: „Für Historiker und Politiker war er ein absoluter Looser. Das finde ich das Coolste ever, denn so ist er der perfekte Spiegel von Jesus. Er ist so unglaublich! Ich würde mir wünschen, dass ich eines Tages mein Leben so gut hingeben kann, wie er es getan hat.“
Tatsächlich wurde der von Johannes Paul II. seliggesprochene Monarch wegen seiner Frömmigkeit angegriffen und verhöhnt. Solche Erfahrungen blieben seinem 27-jährigen Urenkel bisher erspart: Die meisten fänden es souverän, wenn er sich von einer Teambesprechung verabschiedet, um noch eine Sonntagsmesse zu erreichen. Ablehnung erfahre er selten, allenfalls von Leuten, die schlechte Erfahrungen mit der Kirche gemacht hätten. „Aber die meisten Leute, mit denen ich spreche, haben gar keine Erfahrung gemacht. Die sagen dann: oh, interessant.“ Interessant, aber Themenwechsel? Er lacht: „Nein, Themenwechsel geht bei mir nicht. Dafür bin ich zu gut im Gespräch. Da haben die schon verloren.“
Wir verharren eine Weile in der Kirchenbank. Der Habsburger erzählt von einer Bekannten aus Dijon, die aus atheistischer Familie stammend vor wenigen Wochen „Jesus kennengelernt“ habe und jetzt ein tolles Gebet geschrieben habe, „viel besser als jedes Gebet, das ich je gesprochen habe“. Er berichtet von einem Jugendcamp in Schottland, wo er mit einem Pater aus Rom für 12- bis 16-jährige Burschen Firmvorbereitung machte, und davon, dass Gott ihm immer „coole Priester“ schicke. Von seinem Fastenmarathon „Exodus 90“ schwärmt er: „Es braucht viel Mut, zuzugeben, dass man in der Wüste ist und Gottes Hilfe braucht.“
Mut braucht ein Rennfahrer auch, wenn er ins Auto steigt. Und Kraft, wenn das Rennen nicht so läuft, wie erträumt. Ferdinand von Habsburg geht mit Niederlagen souverän um: „Ich bin der geborene Optimist und sehe in allem ein Geschenk. Wenn ein Rennen nicht gut läuft, denke ich mir: Das sollte jemand anderer gewinnen. Ich habe ja nicht vergessen, wie man Rennen fährt, bloß weil ich einmal verliere.“
Der Monarch hat die Verantwortung, zu dienen
Neben der Salesianerinnenkirche liegt die Residenz des St. Georgs-Ordens, dem Erzherzog Ferdinand einmal als Großmeister vorstehen wird. Wir wechseln den Schauplatz, um mit ihm über die Geschichte und Zukunft seiner Familie zu sprechen. „Die Wahrheit ist, dass viele Leute mehr über meine Familie wissen als ich“, gesteht er. „Viele Leute sind meiner Familie gegenüber nostalgisch, weil sie enttäuscht sind von den heutigen Zuständen.“ Schmunzelnd setzt er hinzu, dass seine Vorfahren von einigen Historikern oft „eher als herzig angesehen werden: mitunter keine guten Kriegsführer, aber brillant in der Heiratspolitik“. Das findet er witzig, „denn Heiraten ist das Schönste, was es gibt“. Ferdinand von Habsburg bekennt: „Mir ist der Gedanke sympathisch, dass meine Vorfahren mit Liebe regiert haben.“
Es sei auch im 21. Jahrhundert habsburgisch, sich viel Zeit für die Familie zu nehmen. „Ich hatte im Januar das Bedürfnis, aus Jamaica wegzufliegen und nach Ost-Deutschland zu reisen, weil sich da 90 Habsburger versammelten“, lächelt er. Der Zusammenhalt sei zentral: „Wenn wir das in der Familie nicht schaffen, wie soll es in der Welt gelingen?“ Nach seinem Großvater Otto und seinem Vater Karl wird Ferdinand der dritte Chef des Hauses Habsburg-Lothringen nach dem Untergang der österreichisch-ungarischen Monarchie. Die Verantwortung, die damit verbunden ist, ahnt er: „Die längste Zeit meines Lebens habe ich dagegen gekämpft, weil ich das nie wollte. Doch je älter ich werde, desto mehr freue ich mich auf diese Verantwortung.“ Er ergänzt: „Vielleicht auch, weil meine Eltern mich nie gezwungen haben. Ich dachte, dass mir das jede Freiheit rauben könnte. Heute weiß ich, dass es zu meiner Freiheit passen würde.“
Als Vorbilder in seiner Familie nennt er seinen Großvater Otto von Habsburg und dessen Vater, den seligen Kaiser Karl. „Es wird immer wichtig sein, dass es Menschen und Familien gibt, an denen man sich orientieren kann. Die Herkunft könnte man dafür nutzen“, meint er. Auch wenn er nicht mehr auf einer Burg lebt, sondern auf Instagram und YouTube. Auch da müsse man die Werte und den Glauben der Habsburger finden. Vielleicht eine Art „Online-Monarchie“, scherzt der Habsburger: „Denn der Monarch hat die Verantwortung, zu dienen – das geht auch online.“ Dazu müsse man vorbildlich leben und eine Kontinuität bewahren, sagt Ferdinand von Habsburg. „Man muss mit dem Herzen bei Gott sein, und er wird den Rest machen. Wenn Gott will, dass ich irgendeine Rolle spiele, dann wird er das machen.“ Den Glauben, der ihm nicht immer selbstverständlich war, sieht er als Geschenk: „Meinen Glauben habe ich geschenkt bekommen, weil meine Familie sehr viel für mich gebetet hat. Sie brauchen einen Familienchef, und der muss gläubig sein.“
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