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Heiliger Gangolf: Patron der Kinder

Die Brunnenwunder machten den heiligen Gangolf berühmt. Zum Gedenktag an den Märtyrer am 11. Mai.
Reliquiar von Sankt Gangolf in Soller
Foto: Drouve | Das Reliquiar von Sankt Gangolf in Soller in der Voreifel, der Märtyrer Gangolf steht in der Mitte.

Nadelgleich sticht in der Voreifel der Spitzturm der Kirche von Soller empor und setzt eine echte Landmarke in der Umgebung. Dieses hier im Kreis Düren ist eines von wenigen Dutzend Gotteshäusern in Deutschland, das dem heiligen Gangolf geweiht ist. Er war ein Edelmann aus Frankreich, der im 8. Jahrhundert lebte und als Heerführer und Jäger in Diensten des fränkischen Königs Pippin (714 bis 768) gestanden haben soll. Obgleich er oft in ritterlicher Rüstung mit Schild und Lanze dargestellt wird, ist der Gebrauch seiner Waffen nicht überliefert. Dafür zeichnete er sich durch Güte und Großzügigkeit aus und hatte ein Herz für die Armen. Sein Gedenktag ist der 11. Mai.

Verehrung genießt er auch in Trier, obgleich die dortige Kirche St. Gangolf bis voraussichtlich Ostern 2023 wegen umfangreicher Sanierungsarbeiten geschlossen bleibt, sowie im süddeutschen Raum, darunter in Amorbach, Kößnach und im Friedrichshafener Stadtteil Kluftern. Im bayerischen Bamberg befindet sich ein Teil seines Hauptes unter den Reliquien der Pfarrei St. Gangolf; es soll auf Bitten eines Bamberger Propstes von Eichstätt dorthin gelangt sein.

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Ermordet auf Betreiben seiner untreuen Frau

Wer sich in das realgeschichtliche Leben des Heiligen vertiefen will, stößt lediglich auf Fragmente – doch sein Ende war übereinstimmenden Angaben zufolge tragisch. „Nach dem Ehebruch seiner Gattin verschenkte er seine Güter an das Kloster Prüm, zog sich in die Einsamkeit zurück und gab sich ganz der Buße und der Sorge für die Armen hin“, liest man in einer Quelle, die Willi Vostell, der rührige Küster der Kirche von Soller, aus einem Schrank in der Sakristei hervorholt. „Von nah und fern strömten die Menschen zu ihm und waren erbaut von seiner Güte und Frömmigkeit“, heißt es weiter. Doch gleichzeitig griff Missgunst gegen Gangolf um sich. Laut Überlieferung wurde er auf Anstiftung seiner untreuen Frau, die ihn mit einem Priester betrogen haben soll, am 11. Mai des Jahres 760 ermordet. Dadurch erlitt er ein ungewöhnliches Martyrium. In welchem Alter genau er sein Leben lassen musste, ist ungewiss.

Im Mittelalter schmückte die Stiftsdame und Dichterin Roswitha von Gandersheim (um 935 bis etwa 973) Gangolfs Vita ebenso aus wie Jahrhunderte darauf der Kapuziner und Volksschriftsteller Martin von Cochem (1634 bis 1712), der den Märtyrer im Deutsch jener Jahre als „von seinem Weib getödtet“ vorstellte. Die Ehebrecherin und der Geistliche entkamen der Strafe Gottes nicht, wozu das Heiligenlexikon aufklärt: „Hinfort entfleuchten ihrem Darm bei jedem Wort, das sie sprach, lautstarke Winde. Der betrügerische Priester starb an einer bösen Krankheit, die ihn innerlich zerriss.“

Das Brunnenwunder von Fulda

Bei den Schilderungen um Sankt Gangolf spielen Brunnen und Quellen oft eine Rolle, die überall dort zu sprudeln begannen, „wo er seine Lanze in den Boden stach“, wie es das Heiligenlexikon anführt. Im „Deutschen Sagenbuch“, 1853 unter der Autorschaft von Ludwig Bechstein erschienen, liest man im Kapitel „Gangolfs Brunnen“ dazu einige Wunderepisoden. Eine davon dreht sich um den Gangolfsbrunnen in der Rhön „am Felsenberge Milseburg“, den Gangolf „wegen seiner Einsamkeit“ liebte.

Eines Tages, so lautet die Sage, kam Gangolf „hinab nach Fulda, die uralte Bischofsstadt, und fand bei einem Bürger einen klaren Brunnen, kaufte den dem Bürger ab, und derselbe meinte Wunders, wie er den frommen Mann überlistet; denn, dachte er: Der Brunnen mag immerhin sein eigen sein, mein bleibt doch der Platz, wo er quillt. Aber St. Gangolf ließ sich einen kleinen hölzernen Brunnenkasten machen, füllte den mit Wasser aus dem Brunnen, trug ihn eigenhändig auf die Milseburg, stellte dort den Kasten hin und durchstieß mit seinem Stabe den Boden. Siehe, da quoll das Wasser fort und fort von unten herauf in den Kasten, dass dieser überfloss, der des Bürgers drunten in Fulda aber versiegte.“

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Skulptur mit wallender Lockenpracht

Stellt man bei der Verehrung des Heiligen exemplarisch die eingangs genannte Kirche von Soller heraus, stößt man dort auf ein vierfaches Angedenken an Sankt Gangolf. Zuerst genannt sei das Reliquiar mit einem Knochenstückchen in der Mitte. Es ist von einer roten Schleife und einem Bändchen mit dem Namen des Heiligen umwickelt; links und rechts davon wacht jeweils ein silberner Engel. Ganz oben hat die gekrönte Gottesmutter Maria in einer Nische ihre Hände zum Gebet gefaltet. Um welches Knochenstück genau es sich handelt, kann weder Küster Willi Vostell noch der zuständige Pfarrer Gerd Kraus sagen. Das Reliquiar ist aus Furcht vor Diebstahl gewöhnlich ebenso unter Verschluss wie eine auf 1815 datierte Hostienmonstranz des Dürener Goldschmieds Gottfried Wolfgang Reuter.

Darin sticht Gangolf als golden glänzendes Figürchen hervor. Er trägt eine Rüstung und Schild und Lanze. Der Helm auf dem Kopf sitzt kurioserweise leicht schief, so scheint es. Die Nische mit dem Heiligen schließt oben ein silberner Baldachin ab, auf dem ein Engel sitzt und Trompete spielt. Pfarrer Kraus ist es zu danken, dass die Hostienmonstranz zumindest einmal im Jahr ihre sichere Verwahrung verlässt: bei der Marienoktav im September.

Regionales Liedgut zur Heiligenverehrung

Zu jeder Zeit begegnet man Gangolf auf zwei anderen Darstellungen in der Kirche. Ein modernes Buntglasfenster über dem Portal zeigt ihn mit einem Heiligenschein und einem blaugrünen Umhang; das Schwert hält er fast tänzelnd, so mutet es an, in der Rechten. In einem Seitenaltar vor dem Altarraum ist er als farbsatte Skulptur zugegen, flankiert von den kleineren Figuren des Antonius von Padua und des Jesuiten Aloisius von Gonzaga. Sankt Gangolf trägt elegante Schuhe und eine wallende Lockenpracht. Die Ganzkörperrüstung ist nur zu erahnen und tritt im Unterbereich beider Beine und an den Enden der Unterarme hervor. Der übrige Leib ist von einem rot-grün-goldgelben Gewand bedeckt. Sein Blick in den Kirchenraum hinein befremdet: Er wirkt etwas abständig, ja regelrecht verloren.

Die Zeiten überdauert hat das Gangolfuslied aus Soller, in dem es in der ersten der drei Strophen heißt: „Die Palm‘ hast du errungen, und herrlich ist dein Sieg./ Drum preisen frohe Zungen in Jubelhymnen dich:/ O heiliger Gangolfus, bitt‘, ach bitt‘, ach bitt‘ für uns,/ dass uns im heißen Streite die Gnad‘ des Herrn begleite.“ Strophe zwei geht so: „Du opfertest dein Leben mit christlich starkem Mut./ Der Wahrheit hast gegeben ein Zeugnis durch dein Blut./ O heiliger Gangolfus, O heiliger Gangolfus, bitt‘, ach bitt‘, ach bitt‘ für uns,/ dass uns den wahren Glauben nicht Spott und Leichtsinn rauben.“ Und zum Schluss: „Der Gottmensch wollte leiden am Kreuz auf Golgatha./ Für ihn man doch mit Freuden dich Krieger sterben sah./ O heiliger Gangolfus, bitt‘, ach bitt‘, ach bitt‘ für uns,/ dass gern für Gott wir geben Vermögen, Blut und Leben.“


Sankt Gangolf ist Patron der Kinder und hilft bei Knieleiden, Haut- und Augenkrankheiten. Ebenso steht er bei Schwierigkeiten in der Ehe bei.

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