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Cora Stephan hat ein Buch über das „Normale“ geschrieben

Die Schriftstellerin und Publizistin Cora Stephan hat ein Buch über das „Normale“ geschrieben. Von den Kirchen wünscht sie sich weniger „apokalyptische Visionen“.
Cora Stephan, Autorin
Foto: Archiv | Die Autorin Cora Stephan ist skeptisch gegenüber dem „neuen“ Normalen. In ihrem aktuellen Buch nennt sie Gründe.

Frau Stephan, Ihr neues Buch trägt den Titel „Lob des Normalen“. Was ist denn heute aus Ihrer Sicht das Normale?

Normal ist die Mehrheit der Menschen im Lande, die keine Zeit haben, jede neue Mode mitzumachen. Die ganz normalen „Spießer“, Ehe, zwei Kinder, Eigenheim, erträgliches Einkommen, brave Steuerzahler, die geduldig ertragen, dass sie dafür auch noch beschimpft werden.

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Es wird uns zwar neuerdings gern von einem „neuen Normal“ erzählt, das mit und nach der Corona-Krise anbrechen werde, aber die Krise hat eher gezeigt, wie zäh und überlebensstark das alte Normal ist. In Bedrängnis reagieren Menschen archetypisch: Sie ziehen sich auf die Familie und die Nächsten zurück, schließen die Stadttore, ziehen die Zugbrücke hoch, gehen in den Verteidigungsmodus. In Gestalt eines Virus erscheint die Natur als das, was sie immer schon war: als feindliche Umwelt, derer sich der nackte Mensch zu erwehren sucht. Das mag nicht „fortschrittlich“ sein. Es ist nur – normal.

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Sie gehören zur Generation der „Baby-Boomer“. Vor ein paar Jahrzehnten hat Ihre Generation die „ganz normalen Spießer“ und deren Werte noch totgesagt...

Jaja, was hat die 68er Generation vor Jahrzehnten nicht alles fröhlich totgesagt! Ehe und Familie, Nationalstaat – weg damit, auf den Müllhaufen der Geschichte! Irgendwie hat das nicht geklappt. Mittlerweile heiraten auch die Homosexuellen, Frauen kümmern sich nach wie vor lieber um ihre Kinder als um jeden Preis um ihre Karriere, nicht alle Männer sind toxisch, und den meisten Menschen ist die Revolution in Permanenz zu anstrengend.

Der Nationalstaat hat sich doch – man denke an das Impfchaos der EU – bewährt. Er ist eine überschaubare Sache, der passende Rahmen für Sozial- und Rechtsstaat.

Seifenblasen, die an der Realität zerschellen

Das klingt sehr konservativ. Wollen Sie sich – gerade als akademisch gebildete Frau – wirklich so vor dem gesellschaftlichen Fortschritt verschließen??

Ich liebe solche Fragen, die unterstellen, dass es einen mit besten Absichten vorwärtsstampfenden Fortschritt gäbe, hinter den zurückzuwollen menschenfeindlich wäre. Nicht alles, was sich als Fortschritt gibt, ist es auch. Gerade als akademisch gebildete Frau sehe ich mit zorniger Belustigung, wie aus dem Himmelreich der akademischen Welt eine Seifenblase nach der anderen in die Gegend gepustet wird, wo sie alsbald an der Wirklichkeit zerschellt. Nein, Heterosexualität ist keine gesetzte Norm, sondern schlicht Biologie. Es gibt Männer und Frauen und sie unterscheiden sich voneinander. Gleichberechtigung ist keine Gleichheit. Geschlecht ist kein „soziales Konstrukt“, das man beliebig an oder ablegen kann. Wer das rückwärtsgewandt nennt, sollte hinzufügen, dass das dann offenbar für die meisten Menschen gilt.

„Identitätspolitik“ ist im übrigen das beste Mittel, eine Gesellschaft zu spalten. Ich sehe keinen Gewinn darin, Menschen nicht als Individuen, sondern als kollektive Merkmalsträger zu behandeln. Mir scheint, das ist ein Rückschritt in jenen Rassismus, den man doch zugleich zu bekämpfen vorgibt.

In Politik und Medien dominieren die Zeitgeistreiter,
die die Stützen der Gesellschaft aus den Augen verloren haben.

Spalten Sie – angenommene Mehrheit hin oder her – die Gesellschaft mit Ihrer Sehnsucht nach dem alten Normalen nicht auch? Ganz so wie die Populisten?

Ich neige nicht zu Sehnsüchten, ich rede von dem, was ist. „Populisten“ eignen sich im übrigen prima als Pappkameraden. Als ob schon verdächtig wäre, auf das Grummeln des Volks überhaupt zu hören. Und als ob die ärgsten Populisten nicht eher jene wären, die jeden Konflikt mit Wahlgeschenken zukleistern wollen. Die ganze medienwirksame Empörung etwa über Donald Trump hat in schönster Arroganz stets jene ignoriert, die ihn gewählt haben, also etwa die Hälfte der Amerikaner. Und warum haben sie ihn gewählt? Weil sie sich vom Establishment in Politik und Medien nicht mehr vertreten fühlten. Sie? Die Normalen, nicht die städtischen und akademischen Eliten, sondern jene, die die notwendige Arbeit tun und sich dafür nicht mehr anerkannt fühlen. Und warum haben wir in Deutschland die AfD? Weil die alternativlose Frau Kanzler seit Jahren und mit fatalen Folgen an den Interessen und der Lebenswirklichkeit ihrer Bürger vorbeiregiert. In Politik und Medien dominieren die Zeitgeistreiter, die die Stützen der Gesellschaft aus den Augen verloren haben. Das rächt sich.

Die EU scheitert mit ihrer Wasserkopfbürokratie

Sie schreiben in Ihrem Buch: „Im Grunde ist der Nationalstaat der perfekte Kompromiss zwischen Globalisierung und Stammeskultur.“ Wird sich eine solche nationale Abschottungshaltung nicht auch irgendwann rächen?

Wieso „Abschottung“? Menschen haben es gern übersichtlich. Sie leben am liebsten mit Menschen zusammen, mit denen sie nicht jeden Tag die Regeln des Zusammenlebens neu ausdiskutieren müssen. Sie vertragen Multikulti nur in Maßen. Man denke an Jugoslawien: Als sie es durften, trennten sich die seit je verfeindeten Ethnien, heute gibt es dort de facto sieben Nachfolgestaaten. Der Nationalstaat erfreut sich weltweit anhaltender Beliebtheit: Bis 1914 zählte man um die 50 souveräne Staaten, 2015 waren es bereits 193. Nationalstaaten können friedlich miteinander verkehren, ohne ihre Souveränität aufgeben zu müssen. Warum das alles aufgeben zugunsten einer nicht legitimierten Wasserkopfbürokratie wie die EU, die, siehe Impfdesaster, im Fall des Falles noch nicht einmal funktioniert?

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„Schaut Euch um in der Welt! Nation ist eine Realität. Wir erfahren sie gerade wieder in der Pandemie. Der nationale Sozialstaat rettet uns. Es ist elitäre Dummheit, das nicht sehen zu wollen“, formulierte jüngst das SPD-Urgestein Wolfgang Thierse. Nur seine Partei will das nicht begreifen.

Wie absurd, wenn eine Regierung meint, staatliches Handeln hätte nicht zuvörderst die Interessen der Bürger zu berücksichtigen, etwa was rechtliche und leibliche Sicherheit angeht, sondern müsse die Grenzen für alles und jeden weit aufmachen, in grandioser Selbstüberschätzung das Klima retten und Gleichberechtigung per Sprachdiktat herstellen.

Die Kirchen machen jede Mode mit

Welche Rolle sollte das Christentum in einer normalen Welt spielen?

Deutschland ist ein christlich geprägtes Land und das sollte auch so bleiben. Was allerdings die Kirchen betrifft, die katholische wie die protestantische: Die sind dabei, sich selbst abzuschaffen. Auch sie machen gern jede Mode mit, die sich fortschrittlich nennt. Und haben nicht gemerkt, dass sich mittlerweile andere Gruppen für die Moral zuständig fühlen. Die neuen Kirchen machen mit apokalyptischen Visionen ihren Gläubigen ein schlechtes Gewissen und nehmen sich die autoritäre Coronapolitik zum Vorbild: So kann man Menschen durch Angst manipulieren und gefügig machen. Manchmal fühle ich mich in einem säkularen Mittelalter mit Scheiterhaufen und Prangern für Häretiker. Mit dem ganz normalen Leben hat das nichts mehr zu tun.

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Welche Normalität gefällt Ihnen in Ihrem persönlichen Leben am meisten?

Sesshaft sein. Nicht jede Mode mitmachen. Und Menschen vorziehen, die etwas tun, was die Gesellschaft zusammenhält: die ganz Normalen.


Aktuell erschienen: Cora Stephan: Lob des Normalen: Vom Glück des Bewährten. FinanzBuch Verlag 2021, ISBN 978-3-95972-400-5, EUR 16, 99

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