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Bedeutung der Sonne im Kontext des Klimawandels

Welche Bedeutung hat die Sonne im Kontext des aktuellen Klimawandels?
Strahlkraft der Sonne
Foto: photoauszeit/wu | Die Strahlkraft der Sonne nimmt, gemessen an der Zahl der Sonnenflecken , seit 50 Jahren ab.

Die Sonne ist ein Klimafaktor. Das ist klar. Die Strahlkraft der Sonne – gemessen an der Zahl der Sonnenflecken, seit 1978 werden hierzu mithilfe von Satellitenmessungen Daten erhoben – besitzt einen Antrieb für Temperatur und Klima. Es ist ja auch naheliegend, dass die Sonne einen Einfluss auf die Erdtemperatur und damit auf das Klima hat – wer wollte das bestreiten? Die Frage ist jedoch, ob damit auch die gemessenen Temperaturänderungen der letzten 50 Jahre hinreichend genau erklärt werden können. Denn Fakt ist: Es wird wärmer. Und immer wärmer. In Deutschland ereigneten sich sechs der elf extremsten Hitzewellen zwischen 1950 und 2015 nach dem Jahr 2000 – obwohl bei statistischer Gleichverteilung nur zwei bis drei „Treffer“ in diesem Zeitraum zu erwarten gewesen wären.

Temperaturanstieg – und die Folgen

Der globale, aber auch der regionale Temperaturanstieg hat beobachtbare Folgen. Die sind vornehmlich negativ. Der Tenor der Wissenschaft ist: Zwar können sich lokal und regional Vorteile ergeben, global betrachtet ist der Klimawandel von großem Nachteil für die Natur (etwa die Biodiversität) und viele Lebensbereiche des Menschen (Gesundheit, Ernährung, Sicherheit) – vor allem in Regionen mit geringer Resilienz, also in den Ländern, die am wenigsten in der Lage sind, sich sozial oder wirtschaftlich auf den Klimawandel einzustellen.

Konkret lässt sich bereits jetzt erkennen, was steigende Temperaturen bedeuten: die große Mehrzahl der weltweit rund 160.000 Gletscher geht zurück, der Meeresspiegel steigt, Extremwetterereignisse häufen sich, Ernten fallen niedriger aus, Krankheiten breiten sich aus, zum Teil in direkter Folge der Erwärmung (nach einer Studie des Robert-Koch-Instituts waren 2018 allein in Berlin fast 500 Hitzetote zu beklagen), zum Teil, weil höhere Temperaturen die Verbreitung von Krankheitserregern fördern (ein besonders prägnantes Beispiel ist die Zunahme von Fällen der Frühsommer-Meningoenzephalitis im Winter, der einzigen Jahreszeit, in der man früher von Zecken verschont blieb). Hinzu kommen die sozialen Folgen: Zum einen nimmt die Gewalt zu.

Soziale Katastrophen

Der Soziologe Harald Welzer geht sogar so weit, von „Klimakriegen“ zu sprechen, auch wenn es „vorstellungswidrig“ zu sein scheint, dass „ein naturwissenschaftlich beschriebenes Phänomen wie die Klimaerwärmung soziale Katastrophen wie Systemzusammenbrüche, Bürgerkriege, Völkermorde bereithalten könnte“, doch „viel vorauseilende Phantasie ist gar nicht nötig, um sich das vorzustellen, lassen sich doch bereits für die Gegenwart umweltbedingte soziale Gewaltkonflikte und Sicherungsmaßnahmen beschreiben“. Und der Militärhistoriker Gwynne Dyer meint in seinem 2008 erschienenen Buch Climate Wars, die „Wahrscheinlichkeit von Kriegen bis hin zu Atomkriegen wächst mit dem Anstieg der Temperatur um 2-3 º C bereits erheblich“. Zum anderen nimmt die Migration zu. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat 2012 ein Arbeitspapier zur Klimamigration herausgegeben, das auf 80 Seiten den Stand der Dinge darlegt. Darin wird festgehalten, dass es schwierig ist, die Zahl der wegen des Klimas geflüchteten Menschen zu nennen, weil oft andere Gründe unmittelbar zur Flucht motivierten, diese aber (auch) klimawandelbedingt sind oder sein können. Missernten und Landkonflikte führen zu Armut und Perspektivlosigkeit und dies zur Migrationsentscheidung – hinter Missernten und Landkonflikten verbirgt sich dann aber wiederum oft der Klimawandel, konkret: die gestiegenen Temperaturen in der Region.

Was macht die Sonne beim Klimawandel?

Woran aber liegt es, dass die Temperatur steigt? An der Sonne? Da ist die Wissenschaft heute mehrheitlich eher skeptisch. Sie sagt nämlich: Der Einfluss der natürlichen Intensitätsschwankungen der Sonnenstrahlung auf das Klima ist seit Jahrzehnten kleiner als der Einfluss des Treibhauseffekts, also auch des Menschen durch die CO2-Emissionen seiner Aktivitäten.

Bleiben wir aber für einen Moment bei der Sonne. Wie sieht es da mit den „natürlichen Intensitätsschwankungen“ aus? Der Wissenschaftsjournalist Gábor Paál meint: „Die Sonne ist seit einigen Jahren ungewöhnlich schwach. Ungewöhnlich auch deshalb, weil diese Schwäche merkwürdig lange anhält. Manche Forscher glauben auch Hinweise darauf gefunden haben, dass das so bleibt, dass die Sonne in eine längere Ruhepause geht – wie eben schon mal vor fünfhundert Jahren. Das kann sein.“

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Ist das eine gute Nachricht? Nein, denn eine möglicherweise zurückgehende Sonnenaktivität ist kein Grund für Entwarnung beim Thema Erderwärmung. Der Grund: Die „Kühlwirkung“ einer (durchaus erwartbaren) „schwachen Sonne“ beträgt bis zum Ende des 21. Jahrhunderts nur 0,1 bis 0,3 Grad Celsius, die erwartete Erwärmung – bei gleichbleibenden anthropogenen CO2-Emissionen – aber zwischen 2 und 6 Grad Celsius, nach IPCC (2014) zwischen 3,7 und 4,8 Grad Celsius.

Die Sonne als Faktor ist zu vernachlässigen

Der Strahlungsantrieb der Sonne wird mit 0,06 bis 0,3 Watt/qm beziffert, der des CO2 mit 1,49 bis 1,83 Watt/qm. Die Sonne ist also – als Faktor für die Ursache des momentanen Temperaturanstiegs – eher zu vernachlässigen, die Hoffnung auf „Abkühlung“ entsprechend eine trügerische: „Selbst wenn die Sonnenaktivität zurückgehen sollte, wären die Folgen für die Erderwärmung marginal“, heißt es auf dem Informationsportal Klimafakten. Anders gesagt: Eine „kühle Sonne“ spielt also kaum eine Rolle, solange wir selbst für die Hitze sorgen.

Gegen Positionierungen, die von einer größeren Bedeutung der Sonne ausgehen – zu nennen ist etwa die (hinreichend widerlegte) These des dänischen Astronomen Hendrik Svensmark, die von der Partei Alternative für Deutschland (AfD) affirmativ zitiert wird –, sprechen schlicht und ergreifend die gemessenen Temperaturen. Die daraus ermittelte globale Durchschnittstemperatur nimmt in den letzten Jahrzehnten nämlich tendenziell immer mehr zu. Wie kann dafür wesentlich die Sonne verantwortlich sein – der Physiker Nir Joseph Shaviv, als Experte für die AfD in der Politikberatung aktiv, geht von „mehr als 50 Prozent“ Sonnenanteil an der Erderwärmung aus –, wenn wir doch gleichzeitig beobachten, dass die Sonnenaktivität in den letzten Jahrzehnten tendenziell immer mehr abnimmt? Antwort: Gar nicht. Denn: „Die Wissenschaft kennt keinen physikalischen Prozess, der erklären könnte, wie die Sonne trotz gleichbleibender oder leicht abnehmender Aktivität den in den vergangenen Jahrzehnten beobachteten Temperaturanstieg der Erde bewirkt haben soll“, so die unzweideutige Feststellung auf Klimafakten.

Um es deutlich zu sagen: Wer die Sonne verantwortlich macht für die globale Durchschnittstemperatur, wer also meint, die Sonneneinstrahlung sei ausschlaggebend für den aktuell beobachteten Klimawandel, der muss erklären, warum die Temperatur seit 50 Jahren ansteigt, während die Strahlkraft der Sonne – gemessen an der Zahl der Sonnenflecken – seit 50 Jahren abnimmt.

Treibhauseffekt, nicht Sonnenstrahlung

Drei weitere Aspekte kommen hinzu. Erstens: Die Temperatur in der Stratosphäre sinkt, in Erdnähe steigt sie. Das passt nicht zur Theorie der Sonnenstrahlung, zur Theorie des Treibhauseffekts dagegen schon, geradezu perfekt sogar. Zweitens: Die Temperaturerhöhung im Winter ist stärker als im Sommer: „Im Winter findet sich mit 1,6 °C ein etwas höherer Trend“ der Abweichung zum internationalen klimatologischen Referenzzeitraum 1961-1990, so das Umweltbundesamt. Auch das passt nicht zur (angeblich) dominierenden Rolle der Sonne. Drittens: Der Unterschied zwischen Tag- und Nachttemperaturen hat im globalen Mittel über die letzten 50 Jahre um 0,4 Grad Celsius abgenommen. Wir haben es also mit einer stärkeren Erhöhung der nächtlichen Minimumtemperaturen im Vergleich zu den Maximumtemperaturen am Tag zu tun, im Klartext: Nachts wurde es relativ (noch) wärmer als tagsüber. Bei einem großen Einfluss der Sonne wäre das Gegenteil zu erwarten. Des Rätsels Lösung liegt im Treibhauseffekt: Eine höhere Treibhausgaskonzentration verringert nachts die Ausstrahlung.

Also: Die Sonne kann es nicht sein. Der Treibhauseffekt (wesentlich vom Menschen beeinflusst) hingegen schon: Er liefert passgenaue Erklärungen für die gemessenen Daten und die beobachteten Phäno- mene. Warum sollte man also einer Theorie vertrauen, die das Gegenteil dessen nahelegt, was beobachtet und gemessen wird, während man gleichzeitig einer Theorie misstraut, die das Ergebnis von Beobachtung und Messung perfekt erklärt?

Treibhausgasemissionen verringern

Fassen wir mit dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in der Max-Planck-Gesellschaft den heutigen Kenntnisstand zusammen: „Über längere Zeiträume hinweg deuten die Daten auf einen merklichen Einfluss der veränderlichen Sonne auf das Klimageschehen hin, auch wenn dessen genaues Ausmaß und die Wirkungsmechanismen selbst noch unklar sind. Bei der globalen Erwärmung der letzten hundert Jahre wird ebenfalls ein Beitrag der Sonne nahegelegt, allerdings scheint seit 1980 der verstärkte Treibhauseffekt durch die Zunahme von Kohlendioxid in der Atmosphäre die Überhand gewonnen zu haben.“

Und weil das so ist, sind Maßnahmen zur Ver ringerung der Treibhausgasemissionen ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.

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