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Atheisten „canceln“ Dawkins wegen Transgender-Aussage

Weil der Evolutionsbiologe Richard Dawkins anzweifelt, dass Männer sich einfach so zu Frauen umdefinieren können, verstößt ihn eine große amerikanische Atheistenvereinigung.
Richard Dawkins,  einstige Posterboy des "Neuen Atheismus"
Foto: epa efe Foersterling (EFE) | Dem einstigen Posterboy des "Neuen Atheismus", Richard Dawkins, wurde der schon etwas angestaubte Ehrentitel "Humanist des Jahres" entzogen.

Der Evolutionsbiologe und Werber für Atheismus, Richard Dawkins („Der Gotteswahn“), war viele Jahre ein Liebling linksliberaler und „humanistischer“ Kreise. Inzwischen weht aber auch ihm der eisige Wind der Cancel Culture ins Gesicht. Die atheistische Amerikanische Humanistische Assoziation hat ihn nun am Montagabend sogar symbolträchtig „gelöscht“ und den Titel „Humanist des Jahres“ (1996) entzogen.

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Dawkins: Identität von Transgender-Individuen betrügerisch

Warum? Dawkins habe „eine Geschichte von Statements, die unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Diskurse marginalisierte Gruppen herabsetzen“, schrieb die AHA in einer Pressemitteilung. Konkret habe er jetzt behauptet, „dass die Identität von Transgender-Individuen betrügerisch sei,“ und zugleich habe er „Schwarze Identität angegriffen“. Seine anschließenden Erklärungsversuche seien unsensibel und ungenügend gewesen.

Was genau hatte Dawkins geäußert? Er hatte es gewagt, sich kritisch mit den Identitätsdiskursen auseinanderzusetzen, die der Linken heilig sind. Der emeritierte Oxford-Professor hatte vor ein paar Tagen auf Twitter an den Dolezal-Skandal erinnert. Im Jahr 2015 war Rachel Dolezal aufgeflogen, eine Verbandspräsidentin der einflussreichen amerikanischen Schwarzenorganisation NAACP. Sie war dafür verdammt worden, dass sie sich als Schwarze „identifiziere“, schrieb Dawkins, obwohl sie in Wahrheit Weiße ist. Im nächsten Satz schrieb er: „Manche Männer wollen sich als Frauen identifizieren, und manche Frauen wollen sich als Männer identifizieren. Man wird dafür verdammt, wenn man verneint, dass sie wörtlich sind, womit sie sich identifizieren.“ Indirekt machte Dawkins also einen ironischen Kommentar, dass die Hautfarben-Identität unveränderlich, die Geschlechts-Identität aber frei wählbar sein soll.

Der Fall des einstigen Posterboys des "Neuen Atheismus"

Das war zu viel für den Humanisten-Verband und er hat den einstigen Posterboy des „Neuen Atheismus“ prompt den schon etwas angestaubten Ehrentitel „Humanist des Jahres“ entzogen.

Der 80-jährige Dawkins hat unterdessen schon einige Erfahrung mit der Cancel Culture gesammelt. Vor ein paar Monaten wurde er von einem Debattenklub am Trinity College in Dublin erst eingeladen und dann vom neuen Vorstand wieder ausgeladen, als diesem gewahr wurde, dass Dawkins sich wiederholt kritisch über den Islam geäußert hat. Auch eine Radiostation im kalifornischen Universitätsort Berkeley cancelte eine Veranstaltung mit Dawkins, als sie wegen dessen „Islamophobie“ unter Druck gerieten.

Da half es Dawkins auch nichts, dass er beteuerte, er habe nie den Islam beleidigt, sondern nur den Islamismus „übel“ genannt. „Ich habe die beschämende Misogynie und Homophobie im Islam kritisiert, ich habe die Ermordung von Apostaten kritisiert für kein anderes Verbrechen als ihren Nichtglauben.“ Er sei ja bekannt als Kritiker des Christentums und sei dafür noch nie von einer Bühne ausgeladen worden. „Warum ist es okay, das Christentum zu kritisieren, aber nicht den Islam?“, fragte Dawkins damals – bekam aber keine Antwort.

Gender-Kritik offenbar noch gefährlicher als Islam-Kritik

Noch gefährlicher als Islam-Kritik ist nun offenbar Gender-Kritik in westlichen „woken“ Kreisen. Der Humanisten- und Atheisten-Verband, dessen deutsches Pendant sich „Freidenker“ nennt, schätzt offenbar freies Denken nicht. „Du sollst nicht die Trans-Ideologie anzweifeln“, laute das Gebot der Atheisten-Organisation, schrieben Nutzer auf Twitter. Die neue Religion, meinte eine Nutzerin, sei der „Wokeismus“. 

Der Evolutionsbiologe Geoffrey Miller antworte der American Humanist Association auf Twitter: „Eure ganze Organisation ist für mich jetzt tot. Was für ein witzloser Verrat von allem, für das ihr einmal standet.“ Der Verband habe jetzt null Glaubwürdigkeit mehr.

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