Wie geht es jetzt weiter? Vor dieser Frage steht nicht nur die Handvoll ehemaliger Nonnen, die zur Zeit noch das Gelände des früheren Karmelitinnenklosters der Allerheiligsten Dreifaltigkeit in der Diözese Fort Worth im US-Bundesstaat Texas bewohnen. Die Frage beschäftigt auch nicht nur die Priester, die dort in den letzten Wochen unerlaubte Messen feierten; und nicht nur den exkommunizierten Carlo Maria Viganò, der das Kloster in seinem Beharren auf seine eigenen Pläne unterstützt hatte. Die Frage dürfte auch den Bischof von Fort Worth, Michael Olson, umtreiben, dessen öffentliches Wirken im letzten Jahr vor allem den Status des Konvents betroffen hatte - und nicht zuletzt die Katholiken, die das Kloster während des langen Skandals entweder verteidigten oder kritisierten.
Denn der Vatikan hat ein Machtwort gesprochen. In einem Statement auf der Website der Diözese Fort Worth gab Bischof Olson bekannt, dass das Dikasterium für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens das Kloster aufgelöst hat. Die fünf Frauen, die ihre ewige Profess abgelegt hatten, waren am 28. Oktober dieses Jahres „aufgrund notorischen Abfalls vom Glauben“ aus dem Ordensstand entlassen worden. Weil der Konvent damit offiziell keine Mitglieder mehr hat, so das Dekret, gilt der Orden damit als erloschen.
Ehemalige Schwestern berufen sich auf SSPX-Jurisdiktion
Die Entlassung der Schwestern hatte Mutter Marie von der Inkarnation eingeleitet. Die Karmelitin ist Präsidentin des Karmel-Bündnisses Christus König und war vom Vatikan im Frühsommer diesen Jahres als amtierende Priorin des texanischen Konvents eingesetzt worden. Die Schwestern hatten sie in den nachfolgenden Monaten aber vom Betreten des texanischen Klosters abgehalten.
Die ehemaligen Schwestern weisen die Entlassung jedoch von sich. In einem Statement beriefen sie sich Ende Oktober darauf, bereits im August von der Pius-Bruderschaft „angenommen“ worden zu sein. Daher sei jede Entlassung durch die vom Vatikan eingesetzte Priorin wirkungslos. „Die Gelübde, die wir vor Gott abgelegt haben, können nicht aufgelöst oder weggenommen werden,“ so die früheren Schwestern.
Olson betonte in seinem Statement auch, dass alle Messen, die im früheren Kloster gefeiert werden, unerlaubt seien. In den Monaten des Konfliktes hatten zwei Priester, denen die Ausübung ihrer Dienste untersagt war – einem der beiden war sexueller Missbrauch Minderjähriger vorgeworfen worden -, unerlaubt Messen im Kloster zelebriert.
Gebrochenes Keuschheitsgelübde und eine Millionenklage
Der Disput zwischen Olson und den früheren Karmelitinnen reicht ins Frühjahr 2023 zurück, als der Bischof eine kanonische Untersuchung der damaligen Priorin, Mutter Teresa Agnes Gerlach, einleitete. Grund dafür war ein angebliches Eingeständnis der Priorin, ihr Keuschheitsgelübde gebrochen zu haben. Die Gemeinschaft verteidigte die Priorin später. Gerlach habe das Geständnis unter dem Einfluss von Schmerzmitteln nach einem ernsten medizinischen Eingriff abgelegt. Der Streit eskalierte weiter und mündete in einer millionenschweren Diffamierungsklage der Schwestern gegen den Bischof. Eine Entlassung Gerlachs durch Olson wurde später vom Vatikan zurückgenommen; dann aber ersetzte Rom die Priorin durch die Präsidentin des Bündnisses Christus König, Mutter Marie von der Inkarnation.
Auf einen Vermittlungsversuch vonseiten des Bischofs durch die amtierende Priorin im Sommer dieses Jahres reagierten die Schwestern nicht. Im August, so gaben die Schwestern auf ihrer Website an, sei Gerlach unter der Jurisdiktion eines Repräsentanten der Gemeinschaft erneut für drei Jahre als Priorin gewählt worden. Die Bruderschaft St. Pius hat aktuell keinen kirchenrechtlichen Status. Öffentliche Unterstützung erhielten die früheren Schwestern außerdem vom exkommunizierten Erzbischof und früheren Apostolischen Nuntius der USA, Carlo Maria Viganò.
Mit dem Dekret zur Auflösung ist noch nicht alles geklärt. Laut Olson befinden sich im Moment noch frühere Schwestern auf dem Gelände des ehemaligen Klosters. Ob sie die Räumlichkeiten freiwillig aufgeben werden, ist offen. Denn wie das katholische US-Nachrichtenportal „The Pillar“ berichtete, haben die früheren Schwestern das Gelände im April an eine eigens gegründete Non-Profit-Organisation „Friends of the Discalced Carmelite Nuns of Arlington“ überschrieben – ein Schritt, der kirchenrechtlich keine Gültigkeit haben, aber eine klare rechtliche Zuschreibung des Geländes zunächst erschweren dürfte. Olson hat in seinem Statement erklärt, dass die Diözese keinen Anspruch auf das Gelände erheben wird. Der Bischof bat auch um Gebet für die ehemaligen Schwestern.
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