Der lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, hat sich in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) zur Lage und Rolle der Christen im Heiligen Land geäußert.
Unter den Bedingungen des laufenden Krieges gegen die Terrororganisation Hamas sei die aktuelle Situation der christlichen Gemeinden laut Pizzaballa „äußerst schwierig“. Es gebe wahrnehmbare regionale Unterschiede, wobei aber besonders in Gaza, Bethlehem und auch in Jerusalem „große Angst und Unsicherheit“ und „so viel Leiden“ herrschten. Beispielsweise sei erst kürzlich die orthodoxe Kirche in Gaza zerstört worden „und jetzt, vor wenigen Tagen, unsere katholische Gemeinde“, so der Kardinal.
Keine klare Strategie zum Ausweg
Besonders Papst Franziskus setzte sich „mit seinen öffentlichen Äußerungen und Initiativen“ stark für die Sorgen der Christen in Gaza und Israel ein. Er telefoniere „ständig mit den Gläubigen unserer Gemeinde in Gaza“. Trotzdem dürfe sich auch die Kirche „nicht parteiisch auf eine Seite schlagen“, sondern einzig „für Wahrheit und Gerechtigkeit eintreten“. Sie brauche die Freiheit, aktuelle Ereignisse „offen zu benennen, Gerechtigkeit zu verkünden und für sie einzutreten - mit Respekt gegenüber allen, aber mit Entschiedenheit und Klarheit“. Wenngleich es immer wieder Versuche gebe, den Papst „für eine Seite zu vereinnahmen“, gelinge dies nicht, so Pizzaballa: „Der Papst ist meiner Ansicht nach nicht neutral - er ist in seinen Positionen und Äußerungen immer sehr klar.“
Gleichwohl sieht der Kardinal aktuell „keine klare Strategie zum Ausweg aus dieser Situation“. Es mangele an „klaren Ideen“, jede Seite habe unterschiedliche Vorstellungen und Ziele. „Ich bin nicht sicher, ob die Seiten überhaupt klare Ideen für die Zukunft haben“, bemerkte er. Das Eintreten des Vatikans für eine Zwei-Staaten-Regelung im Nahost-Konflikt mit einem Sonderstatus für Jerusalem sehe er als alternativlos. Natürlich sei das unter den gegenwärtigen Umständen „eine äußert komplexe Perspektive. Aber ich sehe keine Alternative“, gab Pizzaballa zu.
Sobald der Krieg ein Ende gefunden habe, „müssen wir unsere Fehler aufarbeiten, uns unser Versagen bewusst machen und das tiefe Misstrauen überwinden“, so der lateinische Patriarch weiter. Vielleicht sei man sich bislang nicht ausreichend der Versäumnisse bewusst geworden, um dann einen Neubeginn zu wagen. Ob den Christen nach Kriegsende eine besondere Rolle zukommen solle, wisse er nicht. Christen würden allerdings ihre eigene, besondere Rolle haben: Dem „Volk verbunden sein und bleiben, und sie müssen innerhalb ihrer Volksgruppe aufgrund ihres Glaubens und ihrer Botschaft ein Ferment des Vertrauens sein“.
Keinesfalls auf die Weihnachtsfeier verzichten
Für eine Beendigung des Kriegs „können wir derzeit nichts tun“, meinte der lateinische Patriarch über die Rolle der Ortskirche. Dies sei nicht der Moment, es „fehlen die Bedingungen, dass wir Vorschläge oder Programme unterbreiten“. Deshalb sei man zuerst „auf Hilfe, auf Verbundenheit, auf konkrete Unterstützung für die betroffenen Familien“ angewiesen, um gegen die Arbeits- und Perspektivlosigkeit anzukämpfen. Die lokale Kirche müsse in diesen Schwierigkeiten für sie da sein, „nahe an ihren Gemeinden sein“.
Auch wenn die Stadt Bethlehem von der Außenwelt abgeschnittenen sei, müsse Weihnachten gefeiert werden, so Pizzaballa weiter. Gerade am Geburtsort Jesu dürfe „keinesfalls auf die religiöse Feier“ verzichtet werden. Gleichzeitig würden aber die „äußeren Umstände“ die Art verändern, in der man das Geburtsfest feiern könne: „jetzt eben sehr einfach, sehr bescheiden, ohne festliche Äußerlichkeiten“, erklärte der Kardinal. DT/jmo
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