Würzburg

Pater Pio empfiehlt das Ruhegebet

Ohne Gedanken und Worte in der Gegenwart des Ewigen verweilen: Pater Pio empfiehlt das Ruhegebet.
Gemälde von Pater Pio
Foto: fotolia.de | Pater Pio war ein großer Anhänger des Ruhegebetes, warnte jedoch auch vor Übertreibung.

Um ein bekanntes Wort abzuwandeln: Es ist nicht klar, ob alle Italiener an Gott glauben, aber sicher glauben sie alle an Pater Pio. In Italien ist der 2002 heiliggesprochene Kapuziner Pio von Pietrelcina (1887–1968) omnipräsent, sein Bild kleben sich Bar-Besitzer ebenso wie LKW-Fahrer an ihren Arbeitsplatz, der aktuelle italienische Premier Giuseppe Conte bekannte sich als „devotissimo“ des zu Lebzeiten mit den Stigmata ausgezeichneten Ordensmannes, der aber auch hoch umstritten war. Peter Dyckhoff, der große Lehrer des christlichen Ruhegebetes, stellt uns den Volksheiligen in einem kleinen handlichen Bändchen, das in jede Tasche passt, als Anhänger und Lehrer des Ruhegebetes vor.

Sinn und Zweck des Ruhegebets 

Die seit Johannes Cassian, also seit dem fünften Jahrhundert, bekannte Gebetsform will gegenstandslos sich nicht Gott „vorstellen“, sondern durch Vermeidung von Gedanken und Worten den Betenden gleichsam absichtslos in seine Nähe führen. Es ist wohl diese Praktik, die man im christlichen Kontext noch am ehesten als Meditation bezeichnen kann, weil sie nichts anderes „will“ als in der Gegenwart Gottes zu verweilen, was sich dann auf Geist und Körper gleichermaßen auswirkt.

Der heilige Kapuziner hat vielfach über das Ruhegebet geschrieben, das er seinerseits durch Vermittlung eines Mitbruders im Orden kennenlernte. Aus den Briefen, die solcherart hin und her gingen, schöpft Dyckhoff und kommentiert sie einfühlsam. Für uns rational geprägte und auf Leistung Getrimmte ist wohl nichts schwerer, als ohne Absicht, ohne Bitten oder Dank vorzubringen, die Nähe des Höchsten zu suchen. Das muss man lernen, das muss man üben, im Zuge dieser Einübung wird man Federn lassen. „Mit wiederholten heilsamen Meißelschlägen und durch sorgfältiges Reinigen pflege ich die Steine vorzubereiten, die ein Teil des ewigen Bauwerks werden sollen“, sagte Jesus zu Pater Pio.

"Wir sind Unerlöste, die in einer unerlösten Welt leben.
Um reif zu werden für den Himmel, muss
unsere Seele sorgfältig und intensiv gereinigt werden"
Peter Dyckhoff, Lehrer des christlichen Ruhegebetes

Peter Dyckhoff kommentiert das so: „Wir sind Unerlöste, die in einer unerlösten Welt leben. Um reif zu werden für den Himmel, muss unsere Seele sorgfältig und intensiv gereinigt werden.“ Wiederholt warnen der Kapuziner und sein deutscher Interpret davor, es zu übertreiben mit dem meditativen Gebet, gerade wenn man Anfänger ist. Wenn die geistliche Seite im Leben überhand nimmt, „wird die Seele derart aufgeheizt, dass sie zu brennen beginnt“, sagt Dyckhoff. Das halten allerdings nur Heilige aus und auch für die, wie das Beispiel Pater Pio zeigt, ist es schmerzhaft. Die Seelenführung durch einen erfahrenen geistlichen Begleiter, die Begrenzung auf zwei Gebetseinheiten am Tag und vor allem die bewusste Rückkehr in Beruf und Alltag empfiehlt Dyckhoff als Gegenmittel.

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In jedem Fall aber rückt das Ruhegebet die Prioritäten zurecht, wie Pater Pio 1923 schrieb: „Beim Beten passiert es mir, dass ich vergesse, für die zu beten, die sich meinem Gebet empfehlen oder für die ich eigentlich beten will (...) – kaum dass ich zu beten begonnen habe, ist mein Gedächtnis vollkommen leer, und es ist keine Spur mehr von dem zu finden, was  mir doch so sehr am Herzen lag.“ Pater Pio musste damals von seinem Seelenführer lernen – und Dyckhoff sagt es uns heute – dass dies kein schlechtes Zeichen ist. Denn unsere Gebets-Vorsätze treten nur zurück, „um den Herrn den Weg zu bereiten und ihm den größtmöglichen Raum in unserem Innern zu schenken. Der Herr kennt längst unsere Anliegen und ist nicht darauf angewiesen, dass wir sie ihm einzeln aufzählen.“

Christsein bedeutet schrittweise Wandlung

Das Ruhegebet, richtig vollzogen, führt zu einer Art kontrollierter Entgrenzung: Es schafft Raum für Gott, der das Eigentliche tut. Nur Schritt für Schritt wird das möglich sein und ausnahmslos ein jeder muss das Ruhegebet unter Anleitung üben. Doch dann geschieht Erstaunliches, so Dyckhoff in diesem wertvollen kleinen Band: „Die Mitte unseres Christseins ist Wandlung, die sich an uns nach und nach vollzieht, was Geduld und Demut von uns fordert.“ Die Verheißung ist, „dass wir ihm durch jedes Gebet der Hingabe näherkommen und unser Wesen lichter wird“.

Peter Dyckhoff: Pater Pio und das Ruhegebet
Fe-Medienverlag, Kißlegg 2019, ISBN 978-3-86357-238-9, 208 Seiten, EUR 10,–

Video: Anleitung zum Ruhegebet

 

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