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Insel Rhodos: Verteidigung des christlichen Europas

Seit dem 14. Jahrhundert war die griechische Insel Rhodos ein Vorposten des „katholischen“ Europas und wurde deswegen wiederholt Opfer von islamischen Angriffen. Doch die Einwohner leisteten erbitterten Widerstand.
Janitscharen
Foto: wikicommons | Angreifende Janitscharen und verteidigende Johanniter bei der Belagerung von Rhodos 1522. Gemälde aus der Zeit von Sultan Süleyman dem Prächtigen aus dem Jahr 1588.

Seit dem letzten Viertel des siebten Jahrhunderts ist der Islam im Mittelmeer präsent. Der muslimische Vorstoß in diesen einst „christlichen See“, die permanente Attacke der Muslime auf die christliche Welt, der Dschihad, war ein Leitmotiv der Mittelmeergeschichte seit fast 1400 Jahren. Längst hatte der Islam auf das kontinentale Europa – etwa auf die iberische Halbinsel und Italien – übergegriffen. Aber Europa, das wir nicht mehr „christliches Abendland“ nennen sollen, trat zum Gegenangriff an, zum Beispiel im Rahmen der Reconquista oder in Form der Kreuzzüge.

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Aufstieg des Osmanischen Reiches

Das 15. Jahrhundert stellte einen Gipfelpunkt des welthistorischen Konflikts zwischen Islam und Christenheit dar. Im Westen war der Islam, dort seit 711 präsent, in die Defensive geraten und verlor mehr und mehr an Boden. 1492 brachte das Ende des letzten islamischen Staates auf iberischem Boden, die gesamte iberische Halbinsel war – nach 780 Jahren – wieder ganz unter christlicher Kontrolle.

Ganz anders stellte sich die Lage im Orient dar, wo der Islam – nun unter türkischen Vorzeichen – auf dem Vormarsch war. Zwar hatten die Araber bereits im siebten Jahrhundert Konstantinopel belagert, waren jedoch gescheitert. Das Osmanische Reich, hervorgegangen aus einem kleinen muslimischen Fürstentum an der byzantinischen Grenze, stieg auf zum neuen, gefährlichen Gegner zunächst des christlichen Orients, dann auch des katholischen Süd- und Mitteleuropa. Seine stetige Expansion führte im Schicksalsjahr 1453 zu einem ersten Höhepunkt – der Eroberung Konstantinopels und wenig später dem Ende des Byzantinischen Reichs. Dies war ein Schock für Europa, für die gesamte christliche Welt.

Katholisches Rhodos

Weitere Eroberungen der Osmanen folgten: 1468 nahmen sie Athen ein, 1470 fiel ihnen Euböa in die Hand, 1500 wurden die wichtigen Hafenstädte Modon und Coron auf dem Peloponnes osmanisch. Der östliche Mittelmeerraum wurde mehr und mehr Teil des osmanisch-islamischen Machtbereichs, zumal die Osmanen 1516/17 auch nach Süden expandierten, Syrien sowie Ägypten ihrem Reich einverleibten und ihre Herrschaft am Roten Meer bis an die Küste des heutigen Eritrea ausdehnten. Es ging damals um die Kontrolle des Asienhandels, der über osmanische, genuesische und venezianische Häfen und Zwischenhändler lief, aber durch das portugiesische Ausgreifen in den Indischen Ozean und die Entstehung eines portugiesischen Handelsnetzes in Asien und Afrika gefährdet war.

Der griechischen Inselwelt kam in diesem Kontext eine besondere Rolle zu, konnte man von hier aus doch die Schifffahrtswege im Ostmittelmeer kontrollieren oder bedrohen. Seit Anfang des 14. Jahrhunderts war Rhodos in der Hand des Kreuzfahrerordens der Johanniter, welche die strategisch bedeutsame Insel zu ihrem Stammland machten und ihren Hafen befestigten.

Ein Vorposten 

Rhodos war also weniger eine Insel des orthodoxen Griechentums, dessen politisch-militärische Macht im Schwinden war, sondern ein Vorposten des „katholischen“ Europa, welches zum Hauptgegner der Osmanen geworden war. Auch stellte Rhodos eine substanzielle territoriale Basis in „katholischer“ Hand nahe dem anatolischen Festland und in unmittelbarer Nähe der Schifffahrtsverbindungen zwischen Istanbul und den Häfen Syriens und Ägyptens dar, für die es eine Bedrohung war.

Die Johanniter-Insel war also durchaus ein christlicher Pfahl im muslimischen Fleisch. So kam es wiederholt zu islamischen Angriffen auf Rhodos – 1440/1444 durch die ägyptischen Mamluken und 1480 durch Sultan Mehmed II., den Eroberer von Konstantinopel. Diese blieben jedoch erfolglos. Aber im 16. Jahrhundert war die Zeit reif für die Einnahme von Rhodos. Es war das Jahrhundert der stärksten osmanischen Expansion unter Sultan Süleyman dem Prächtigen. Das Osmanische Reich wurde zu einem Imperium, das sich über drei Kontinente erstreckte, ganz Südosteuropa verschluckte und dessen Heere bis vor die Tore Wiens vorstießen.

1522 erschien eine osmanische Flotte, die fast 300 Schiffe umfasst haben soll, vor der Johanniterfestung. Diese war zwar sehr gut ausgebaut mit einem mehrfachen Mauerring und einer Sperrkette vor dem Hafenbecken, doch waren die christlichen Verteidiger den muslimischen Angreifern zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen. Selbst wenn die Zahl von weit über 100 000 Mann auf osmanischer Seite eine Übertreibung gewesen sein mag, dürfte die Zahl der Türken doch ein Vielfaches der Christen in der Festung betragen haben.

Auf sich gestellt

Es waren wohl insgesamt nur einige Tausend wehrfähige Männer, die dem Kommando von Ordensgroßmeister Philippe de Villiers de lsle Adam zur Verteidigung gegen den massiven osmanischen Ansturm zur Verfügung standen. Hatten die Osmanen im Vorjahr einen wichtigen Erfolg an der Nordflanke erzielt, die Eroberung Belgrads Ende August 1521, gingen sie jetzt daran, zur See ihre Position energisch auszubauen, was durch die Eroberungen an der Südküste des Mittelmeers – Syrien, Ägypten – von zunehmender Bedeutung für den Sultan geworden war. Europa war damals in innere Streitigkeiten verwickelt. Es setzte der islamischen Offensive also nichts entgegen.

Als der nicht ganz unerwartete Angriff im Juni 1522 begann, waren die Johanniter und die Einwohner der Insel ganz auf sich gestellt, sie standen allein dem geballten Militärpotenzial einer Weltmacht gegenüber. Rhodos leistete lange erbitterten Widerstand, die Osmanen erlitten schwere Verluste. Auf Dauer jedoch konnten die christlichen Verteidiger der osmanischen Übermacht mit ihrer schweren Artillerie nicht standhalten. Auch gab es auf christlicher Seite Verräter, die mit den Türken kollaborierten. Als sich die Hoffnung der Johanniter auf ein christliches Ersatzheer nicht erfüllte und die Lage hoffnungslos geworden war, kapitulierte Rhodos am 22. Dezember 1522 – unter der Bedingung freien Abzugs.

Flucht nach Kreta

Die Johanniter und viele Einheimische verließen Rhodos am 1. Januar 1523 und begaben sich nach Kreta. 1530 konnten die Johanniter die Insel Malta, das ihnen Karl V. übertrug, als neuen Hauptsitz übernehmen. Sie befestigten die Insel stark – aus gutem Grund, wie sich zeigen sollte. Denn 1565 wurden sie hier erneut Opfer eines osmanischen Angriffs. Die türkische Belagerung Maltas scheiterte jedoch – die Befestigungen der Insel erwiesen sich als uneinnehmbar.

Malta wurde ihnen zur neuen Heimat und so wurden aus den Johannitern die Malteser. 1798 entriss ihnen Napoleon Bonaparte die Insel, nur wenig später wurde Malta britisch. Die Malteser sind bis heute ein souveränes Völkerrechtssubjekt, wenn auch ohne eigenes staatliches Territorium, und engagieren sich humanitär und karitativ. Wer Rhodos oder Malta besucht, kann die eindrucksvollen Spuren ihres Wirkens als Verteidiger des christlichen Europa noch heute sehen.

Die Osmanen expandieren weiter

Sofort nach der Eroberung von Rhodos begannen die Osmanen mit dem Bau einer Moschee, die nach Sultan Süleyman benannt wurde. Die türkische Expansion zur See ging, trotz erfolgreicher Gegenschläge des christlichen Europa, noch bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts weiter. 1566 nahmen die Türken die Insel Chios ein, die bis dahin genuesische Kolonie gewesen war.


1570 begann die Belagerung Zyperns. Eine christliche Allianz brachte nicht rechtzeitig Hilfe, 1571 fiel Zypern in türkische Hand. Unter den Nachwirkungen hat die Insel bis heute zu leiden. 1645 begannen die Osmanen den Angriff auf Kreta, das erst 1669 völlig erobert wurde. Parallel zum Dschihad zur See ging der osmanische Angriff in Europa an der Balkanfront weiter. Sieben Jahre nach der Einnahme von Rhodos standen die Osmanen 1529 erstmals vor Wien. Diese, ebenso wie die zweite Belagerung Wiens 1683, scheiterte jedoch.

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