Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um "5 vor 12"

Frustrierte Linkskatholiken

Zuerst versuchte Amazonas-Bischof Kräutler den Papst für seine Agenda zu vereinnahmen, jetzt pathologisiert er Franziskus.
Bischof Erwin Kräutler
Foto: Rudi Gigler via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Lange haben Bischof Kräutler und seine Gesinnungsgenossen versucht, Papst Franziskus für sich zu instrumentalisieren und in ihrem Sinn zu interpretieren. Doch Franziskus wollte ihrer Agenda nicht folgen.

Der legendäre Amazonas-Bischof Erwin Kräutler ist mit Blick auf die bevorstehende Synode pessimistisch: „Es fällt mir schwer zu glauben, dass Papst Franziskus nun schon mit mehr als 86 Jahren den Mut aufbringt, beispielsweise den Pflichtzölibat aufzuheben“, heißt es in seinem online veröffentlichten Beitrag in der „Herder Korrespondenz“. Der nur drei Jahre jüngere Bischöfe Kräutler zeigt sich vor allem frustriert, dass Papst Franziskus die Amazonas-Synode nicht dazu genutzt hat, die von Kräutler ersehnte und herbeigeredete Agenda durchzuziehen. Und das, obwohl eine klare Mehrheit in der Synode dafür offen votierte.

Lesen Sie auch:

Lange haben Bischöfe Kräutler und seine Gesinnungsgenossen versucht, Papst Franziskus für sich zu instrumentalisieren und in ihrem Sinn zu interpretieren. Die Amazonas-Synode sollte den Weg für ihre Idee von Kirchenreform freimachen: „Neue Zugänge zum Weihepriestertum“ und „personae probatae“, nicht nur „viri probati“, wie Kräutler es im Gespräch mit der „Tagespost“ vor drei Jahren formulierte. Weil Franziskus dieser Agenda trotz einer Mehrheit in der Synodenaula nicht folgen wollte, genügte es nun offenbar nicht mehr, bösen Hardlinern im Vatikan den Schwarzen Peter zuzuschieben. Also wird der Papst selbst pathologisiert: Der alte Mann bringt den Mut nicht auf, so lautet das neue Kräutler-Narrativ.

Mitverantwortung für den Priestermangel

Das ist eine altbekannte, aber unehrliche Methode: Bischöfe, die sich der linkskatholischen Agenda verweigern, wird Angst und fehlender Mut unterstellt. Nun also auch Papst Franziskus, garniert mit einer Anspielung auf sein Alter. Ist es für Kräutler & Co. völlig unvorstellbar, dass der Papst eine Wertschätzung für den Zölibat – immerhin die Lebensform Jesu – aufbringt? Und braucht ein Papst in Zeiten wie diesen nicht viel mehr Mut, einer Synodenmehrheit und zugleich dem Zeitgeist zu widerstehen als sich der pseudo-demokratischen Mehrheit einfach zu fügen?

Bischöfe Kräutler begründet sein Plädoyer für die Weihe von bewährten Männern und Frauen seit vielen Jahren mit dem eklatanten Priestermangel im Amazonasgebiet. „Wenn die Menschen weder an Weihnachten noch an Ostern noch an Pfingsten eine Eucharistiefeier haben, dann fehlt etwas.“

Ja, ganz richtig! 35 Jahre lang war der aus Vorarlberg stammende Kräutler als Bischöfe von Xingu dafür verantwortlich, den Menschen im Amazonasgebiet das Evangelium zu verkünden. Wenn der Priestermangel dort jetzt so dramatisch ist, dann trägt er als Bischöfe dafür eine Mitverantwortung. Aber es ist natürlich bequemer, vom Papst eine Reform der weltkirchlichen Ordnung zu verlangen, als über die Förderung von Priesterberufungen – und die eigenen Versäumnisse hierbei – nachzudenken.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Stephan Baier Amazonas-Synode Bischof Erwin Kräutler Jesus Christus Kirchliche Erneuerungen Papst Franziskus Päpste

Weitere Artikel

Grußworte, Ansprachen, Predigten und Audienzen: Der Papst äußert sich oft und viel. Noch bevor die erste Enzyklika erscheint, lässt seine Verkündigung einen roten Faden erkennen.
31.08.2025, 07 Uhr
Guido Horst
Pachamama war gestern: In zwei Botschaften bittet Leo XIV. die Bischöfe Lateinamerikas, Christus ins Zentrum zu rücken: Nur er wirke das Heil, das Gerechtigkeit und Frieden bringt.
20.08.2025, 14 Uhr
Guido Horst

Kirche

In der Adventszeit geht es auch um das Volk Gottes, das sich von seinen Sünden ab- und dem erwarteten Erlöser zuwendet.
06.12.2025, 00 Uhr
Redaktion
Der Papst hebt die von Franziskus eingerichtete „Commissio de donationibus“ auf und stellt die Mittelbeschaffung des Heiligen Stuhls auf eine neue Grundlage.
05.12.2025, 11 Uhr
Meldung
Bartholomaios gelingt mit dem Nicäa-Treffen ein ökumeni­scher Coup: Als moralische Instanz und gütiges Gesicht der Orthodoxie führt er Rom und den Osten näher zusammen
06.12.2025, 07 Uhr
Stephan Baier
Auf Weihnachten warten bedeutet, aus dem Dunkel ins Licht zu treten.
05.12.2025, 00 Uhr
Redaktion