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Christen in Israel: „Der Heilige Vater ruft regelmäßig an“

Das Lateinische Patriarchat versucht, den Christen im Heiligen Land neue Perspektiven zu eröffnen: Ein Gespräch mit Cornelia Kimberger.
Friedliche Osterfeierlichkeiten erlebte Cornelia Kimberger in Jerusalem – hier bei der Prozession in der Grabeskirche.
Foto: Privat | Friedliche Osterfeierlichkeiten erlebte Cornelia Kimberger in Jerusalem – hier bei der Prozession in der Grabeskirche.

Cornelia Kimberger hat mit ihrem Ehemann die Kar- und Ostertage 2024 im Heiligen Land verbracht und mit dem Lateinischen Patriarchen Kardinal Pierbattista Pizzaballa, den einheimischen Christen und Pilgern Palmsonntag und das Triduum gefeiert. Der Kanzler der Deutschen Statthalterei des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, Ferdinand Giese, begleitete die ersten Tage der Pilgerreise. Sie führten zahlreiche Gespräche im Lateinischen Patriarchat und besuchten Projekte der Deutschen Statthalterei des Ritterordens vom Heiligen Grab, darunter das vom Lateinischen Patriarchat neu gegründete Familienzentrum in Haifa und  die Bethlehem-Schwestern im Marienheiligtum „Königin von Palästina“ in Deir Rafat.


Der Lateinische Patriarch hat vor Ostern vor einer Hungersnot im Heiligen Land gewarnt. Was kann das Patriarchat in dieser Lage tun?

Wir haben durch das Lateinischen Patriarchat erfahren, dass durch die Auswirkungen des Krieges etwa 70 Prozent der Palästinenser, damit auch viele Christen, arbeitslos geworden sind. Vor allem in Bethlehem, aber auch in Jerusalem sind Christen von der Arbeit im Tourismussektor abhängig. Die Touristen bleiben aus. Vielen palästinensischen Christen in Israel wurde deshalb ihre Arbeitsstelle gekündigt. Auch Christen aus Palästina, die in Israel arbeiteten, sind seit dem 7. Oktober 2023 arbeitslos. Insgesamt betrifft dies, so die Aussagen, etwa 100.000 Palästinenser. Diese arbeiteten in der Landwirtschaft, im Bauwesen, im Reinigungssektor und in vielen Bereichen als Hilfskräfte. Das Lateinische Patriarchat kümmert sich humanitär intensiv um die auch der Deutschen Statthalterei anvertrauten Christen. 

Wie sieht das konkret aus?

Für Bedürftige werden Nahrungsmittelgutscheine ausgegeben. Im medizinischen Bereich wird mit Arztbehandlungen und Medikamenten geholfen. Die Sozialabteilung des Lateinischen Patriarchats unterstützt zudem finanziell die Begleichung von ausstehenden Mieten, Versicherungen und Steuern. Wichtig sind auch Beihilfen für Studien- und Schulgeldgebühren. Vor Ort konnten wir uns überzeugen, dass es den Christen an Einkommensmöglichkeiten fehlt. Sogar Angehörige der Bewohner des Altenheims in Bet Afram in Taybeh können nicht mehr für die Heimkosten aufkommen.

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Ein wichtiger Baustein der Hilfen des Lateinischen Patriarchats ist das Arbeitsbeschaffungsprogramm für Jugend und Frauen. Damit soll sichergestellt werden, dass diese nicht auf Beihilfen angewiesen sind, sondern – als Ausdruck ihrer Würde – selbst für ihren Unterhalt sorgen können. Junge Erwachsene und Frauen werden dabei unterstützt, ihr eigenes kleines Unternehmen zu gründen und damit in die Selbstständigkeit begleitet. Mit diesem Programm möchte das Lateinischen Patriarchat der Abwanderung, vor allem junger Menschen, entgegenwirken.

In Gaza leben noch gut hundert Katholiken. Welchen Eindruck haben Sie von der Pfarrei?

Ich war nicht in Gaza und kann daher nicht von persönlichen Eindrücken berichten. Allerdings bin ich im ständigen Kontakt mit Pfarrer Gabriel Romanelli von der Pfarrei Heilige Familie in Gaza-Stadt, den ich auch in Jerusalem getroffen habe. Als der Krieg ausbrach, konnte er nicht mehr zurück zu seiner Pfarrei, da er gerade in Bethlehem war. Er ist das Sprachrohr der Christen in Gaza. 1.100 Christen zählte Gaza vor dem Krieg, davon 121 Katholiken. Gut 550 lateinische und orthodoxe Christen leben nun zusammen auf dem Pfarreigelände im Norden des Gazastreifens. Einige der Christen konnten den Gazastreifen verlassen. Die verbliebenen Christen werden intensiv und liebevoll von Father Yusuf, dem Stellvertreter von Pfarrer Romanelli, betreut. Gottesdienste und Gebete über den Tag verteilt geben den Christen Hoffnung und Kraft. Es fehlt jedoch an Nahrung, Medikamenten und sauberem Wasser. 20 Menschen wurden bislang getötet und 11 starben aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung. Der Heilige Vater ruft die Gemeinde regelmäßig an und ist im Gebet mit den Menschen dort verbunden. 

Konnten Sie sich im Heiligen Land ungehindert bewegen und alle Projektpartner aufsuchen?

In Israel konnten wir – trotz der objektiv bestehenden Gefahren und Kriegsverhältnisse – überall hinfahren. In einigen Gegenden waren die Sicherheitsvorkehrungen jedoch erhöht. Auch unsere Fahrt nach Bethlehem war möglich. Der deutsche Pass hilft. Wir mussten jedoch feststellen, dass nur wenige Fahrzeuge nach Bethlehem und zurück nach Jerusalem unterwegs waren. Nach Taybeh und Ramallah waren wir mit einem Fahrzeug des Lateinischen Patriarchats unterwegs. Daher konnten wir die Grenzen und Checkpoints ohne Probleme passieren. 

Wie gehen die Christen im Heiligen Land mit der Krise um?

Vor allem junge Christen überlegen wegen der anhaltenden Krisensituation, ihre Heimat zu verlassen. Die Christen haben nach wie vor ihre Gemeinde, in der sie sich geborgen fühlen, und die Priester kümmern sich sehr um sie. Die Christen in Palästina waren sehr enttäuscht, dass sie nicht an den Osterfeierlichkeiten in Jerusalem teilnehmen konnten. Erst am späteren Nachmittag des Samstags vor dem Palmsonntag bekamen sie von Israel Einreisebewilligungen.

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Um an der Palmsonntagsprozession teilnehmen zu können, war dies allerdings zu spät. So konnten die Pfarrgemeinden nicht mehr rechtzeitig die Busse für die Reise nach Jerusalem organisieren. Mit Ausnahme der Jahre der Corona-Pandemie nahmen oft 20.000 Christen und mehr an der Palmsonntagsprozession teil. In diesem Jahr waren es rund 3.500 Teilnehmer. Davon waren sehr viele christliche Arbeitsmigranten, israelische Christen und einige Pilger aus Lateinamerika.
Trotzdem vertrauen die Christen auf die Hilfe Gottes und suchen Kraft im Gebet.

Was hat Sie auf Ihrer Reise am stärksten beeindruckt?

Am meisten beeindruckt hat mich, dass die Christen versuchen, ihren Alltag weiterhin gut zu leben. Es werden zum Beispiel in den Gemeinden des Lateinischen Patriarchats weiterhin Bauvorhaben durchgeführt. Christen helfen in den Gemeinden bei Bau- und Renovierungsprojekten und können so mit dem Verdienst ihre Familien ernähren. Ermutigt durch einen starken Glauben, vertraut man, trotz all der Schwierigkeiten, auf eine Zukunft. Das Lateinische Patriarchat ist unermüdlich damit beschäftigt, den Christen neue Perspektiven zu eröffnen.

Dies geschieht im Bereich der Arbeitsbeschaffung, der beruflichen Weiterbildung und der Ausbildung junger Christen in den Schulen des Patriarchats. Wir, die Damen und Ritter der Deutschen Statthalterei, unterstützen diese Hilfsmaßnahmen. Die Christen leben mit dem Wenigen, was sie haben. Sie beklagen sich nicht lautstark. Und sie können trotz der Kriegswirren auch ab und an fröhlich sein. Besonders die Einrichtungen von Familienzentren in Haifa und Bethlehem für palästinensische Christen empfand ich als beeindruckend. Diese sind ein Treffpunkt, um mehr über ihren christlichen Glauben zu lernen. Dort bekommen sie zudem immaterielle Hilfen für ihren Alltag. 

Inwieweit deckt sich die Realität vor Ort mit den Nachrichten, die in Deutschland über den Konflikt gesendet werden?

Diese Frage vermag ich nicht allgemein gültig zu beantworten. Allerdings: Jerusalem ist nicht Gaza. So erlebten wir die Tage sehr friedlich. Trotz der, gemessen an den Vorjahren, wenigen Teilnehmer war die Palmsonntagsprozession ein fröhliches Fest. Die Christen warten auf den lang ersehnten Frieden, damit endlich wieder Pilger die Heiligen Stätten besuchen. Wir waren in der Altstadt, als die Muslime in den engen Gassen des muslimischen Viertels auf ihrem Weg hinauf zur al-Aqsa-Moschee waren. Kurz vor dem abendlichen Fastenbrechen beobachteten wir ein quirliges, fröhliches Leben. Natürlich waren Polizisten in der Altstadt, aber auch diese waren friedliche Beobachter. National-religiöse Juden tragen nun vermehrt Waffen, wenn sie unterwegs sind. 

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