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Worüber man in Rom wirklich spricht

Die jetzt beginnende Weltsynode ist ein Paradebeispiel für eine selbstbezügliche Kirche. Bei allem Gerede schiebt sich eine Frage in den Vordergrund: Wer wird nächster Papst?
Es geht in Rom derzeit vor allem um die Frage, wer der nächste Papst wird.
Foto: IMAGO/ABACA (www.imago-images.de) | Synode hin, Konsistorium her. Es geht in Rom derzeit vor allem um die Frage, wer der nächste Papst wird.

Natürlich sind es auch prickelnde Themen, worüber sich die Teilnehmer der römischen Bischofsynode austauschen können. Dreieinhalb Wochen sind ja eine lange Zeit. So stehen auch einige Reizfragen in den Arbeitsblättern, die den Synodalen für ihre Gespräche in der Aula und in den Sprachgruppen als Leitfaden dienen: Vor allem die Rolle der Frau in der Kirche und der Umgang mit der Homosexualität (vor allem in den eigenen Reihen) wird den einen oder anderen Redebeitrag inspirieren.

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Da aber der Papst spätestens seit 2018 (seit der Konstitution „Episcopalis communio“, die die Bischofssynoden neu regelte) und das Synoden-Generalsekretariat seit Beginn der Weltsynode 2021 unaufhörlich predigen, dass eine synodale Kirche zunächst eine Kirche des Zuhörens ist, ist auch klar, dass jetzt, bis Ende Oktober, jeder etwas sagen darf, aber nichts beschlossen wird. Die „Unterscheidung der Geister“, also das Fällen von Entscheidungen, wird dann später ein anderer vornehmen. Und nach Lage der römisch-katholischen Dinge ist das der Papst.

Wie ein Klotz am Bein

Aber da geht es schon los: Wer wird Papst sein, wenn nach der zweiten Runde der römischen Synode im Oktober 2024, also kurz vor Eröffnung des Heiligen Jahrs, der weltweite synodale Prozess in die Gussform eines päpstlichen Schreibens gegossen wird? Das ist das Hauptthema, das Prälaten, Bischöfe, Erzbischöfe und Kardinäle beschäftigt, die jetzt in Rom das Synodengeschehen über sich ergehen lassen müssen.

Es waren dunkle Sterne, die zuletzt über dem Pontifikat des Argentiniers aufgezogen sind: Der unselige Prozess gegen den ehemaligen Substituten im Staatssekretariat und heutigen Kardinal Angelo Becciu. Je höher die Strafen und Entschädigungsleistungen sind, die die vatikanische Staatsanwaltschaft für den Sarden fordert, desto mehr fragt man sich, wo den die Beweise sind, die dem von Franziskus vorverurteilten Kurienmann kriminelle Machenschaften nachweisen. Auch in Fernost oder in Amerika lesen Bischöfe und Kardinäle Zeitungen und fragen sich, was da im Vatikan vor sich geht.

Eine selbstbezügliche Kirche

Dasselbe gilt für den slowenischen Ex-Jesuiten Marco Ivan Rupnik, den in der ganzen Weltkirche bekannten Künstler und Freund des Papstes, der zwar wegen Missbrauchs von Frauen aus dem Jesuitenorden entfernt wurde, aber nun als freier Priester mit seinem ganzen Geld machen kann, was er will. Das ist der Stoff, aus dem die Gespräche in den Hinterzimmern und vertraulichen Treffen sind, wenn die zur Synode Geladenen wissen wollen, wie in Rom der Stand der Dinge ist. Der dreijährige Prozess der Weltsynode ist das Paradebeispiel für eine selbstbezügliche Kirche, gegen die anzukämpfen Kardinal Jorge Mario Bergoglio in das letzte Konklave zog. Das synodale Um-Sich-Selber-Kreisen hängt seit 2021 wie in Klotz am Bein des Weltepiskopats. Drei Jahre beschäftigt man sich mit der internen Gesprächskultur, während es in und außerhalb der Kirche brennt.

Die Welt leidet, in Rom hört man zu

In Lateinamerika gehen Scharen von Katholiken zu den Sekten über. Die Migrantenfrage ist nicht nur in Europa und um das Mittelmeer herum eine gewaltige Herausforderung für christliches Handeln und Unterscheiden. Die bipolare Weltordnung ist zusammengebrochen, Kriege und Stellvertreterkriege verwüsten das Angesicht der Erde. Die Ökumene liegt am Boden, da die Spaltung der Orthodoxie im Zuge des Ukraine-Kriegs dramatische Züge angenommen hat.

Die Humanwissenschaften greifen nach dem Baum des Lebens. Die Ungeborenen, die Alten und Kranken, die Familie, das christliche Menschenbild – nichts (Christliches) ist der westlichen Kultur mehr heilig. Und der Missbrauch durch Kleriker ist nicht nur in Deutschland das Kirchenthema Nummer eins. Das alles wäre Gesprächsstoff, wenn die Weltkirche in Form ihrer bischöflichen Repräsentanten am Grab des Apostels Petrus zusammenkommt. Wundert es da, dass die Teilnehmer der Synode jetzt in Rom Ausschau nach dem nächsten Papst halten, der die Kirche aus der Lagerbildung herausführt und sie wieder befähigt, ein Licht unter den Völkern zu sein?

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