Die Äußerung des Papstes zum Ukraine-Krieg hat für viel Empörung gesorgt. Vatikanexperte Marco Politi macht die Spontaneität des Papstes dafür verantwortlich. In einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit dem Kölner "Domradio" sagte Politi über Franziskus: „Er liebt die spontane Rede. Manchmal ist diese Art sehr treffend…. Aber das Ukraine-Interview vorige Woche war ein Schnitzer.“ Von solchen Fehltritten gebe es „einige Beispiele in seiner Amtszeit“.
Dennoch nennt Politi die „Strategie des Papstes“ beim Ukraine-Krieg „sehr klar“. Sie missfalle den NATO-Angehörigen, sei aber „auf derselben Welle wie der größte Teil der Welt“. Franziskus sei der Meinung, dass der Krieg hätte vermieden werden können, so der Vatikanexperte, die NATO hätte die Ukraine nicht einbeziehen und bis an die Tore Russlands kommen müssen. Zudem sei der Papst der Ansicht, dass man „diesen Krieg auch zu einem Ende bringen“ könne, indem man Gespräche führe und zu Verhandlungen bereit sei.
In der Kirche herrscht Bürgerkrieg
Was andere Themen betreffe, etwa das Schreiben „Fiducia supplicans", den Synodalen Weg, „viri probati“ und die Rolle der Frauen, so erlebten Gläubige den Papst manchmal als sprunghaft. Das liege daran, dass viele „sich vorstellen, dass die Kirche immer noch eine absolute Monarchie ist, in der der Papst alles entscheiden kann“. In Wirklichkeit habe sich in der Kirche ein Bürgerkrieg entwickelt zwischen so genannten Konservativen, Reformern und Unentschlossenen.
Deswegen, erklärt Politi, könne der Papst nur dann Entscheidungen treffen, „wenn er dafür manchmal auch einen Zickzackkurs fährt“ oder wenn er die Mehrheit der Gläubigen und der Bischöfe hinter sich habe. Franziskus versuche, „alles irgendwie zusammenzuhalten. Das bedeutet, dass er manchmal vorangeht und manchmal stoppen muss“.
Errungenschaften dieses Pontifikats
Als es beispielsweise nach der Amazonassynode eine Revolte von konservativen Kardinälen in Bezug auf verheiratete Priester in der lateinisch-katholischen Kirche gegeben habe, entschied der Papst, die „viri probati“ nicht einzuführen.
Dagegen habe er den Kommunionempfang für geschiedene Wiederverheiratete unter bestimmten Umständen ermöglicht, weil die „große Mehrheit der Gläubigen und die große Mehrheit auch der Bischöfe“ damit einverstanden gewesen sei, erläutert Politi.
Viele offene Baustellen
Grundsätzlich habe der Papst „sehr viele Baustellen eröffnet“. Als sehr positiv stellt Politi heraus, dass Franziskus „sehr viel Sauberkeit in die Vatikanbank gebracht“ und vielen Bischöfen wegen Missbrauchs oder dem falschen Umgang damit „den Prozess gemacht hat“.
Regelrecht eine Revolution sei es gewesen, dass Frauen erstmals an einer Synode teilnehmen und abstimmen konnten. Die Frauenfrage sei auch noch nicht vom Tisch. Was der Platz der Frauen in der Kirche sein können und müssen — das hänge „ganz demokratisch davon ab, wie die Mehrheit der Mitglieder bei der nächsten Synodensitzung im Oktober dieses Jahres abstimmen werden“. DT/dsc
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