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Kardinal Cordes: Den Wächterposten verließ er nie

Stets diskussionsfreudig, stemmte sich der emeritierte Kurienkardinal Paul Josef Cordes dem Zeitgeist entgegen. Ein Nachruf.
Paul Josef Kardinal Cordes verstarb heute morgen in Rom.
Foto: Oliver Berg (dpa) | Paul Josef Kardinal Cordes verstarb heute morgen in Rom.

Mit dem emeritierten Kurienkardinal Paul Josef Cordes verliert die Kirche in Deutschland einen wachsamen Beobachter. Das Spannungsfeld des deutschen Katholizismus kannte der gebürtige Sauerländer, der am 5. September 1934 im Kreis Olpe zur Welt kam, von allen Seiten: Die Volkskirche der 50er Jahre war ihm ebenso vertraut wie die nachkonziliaren Erschütterungen.

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Die Rolle des aufmerksamen Kritikers deutscher Fehlentwicklungen und des international bekannten Kurienmitarbeiters schien im Lebensweg des Lehmann-Schülers zunächst nicht vorgezeichnet. Der junge Paderborner Diözesanpriester schlug nach der Promotion zunächst eine Funktionärslaufbahn als Referent für pastorale Fragen und Sekretär der Pastoralkommission im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz ein. 1976 empfing er die Bischofsweihe und diente fortan an der Seite des Paderborner Erzbischofs Johannes Joachim Degenhardt im wertkonservativen Flügel der Deutschen Bischofskonferenz. 

Fruchtbare Phase nachkonziliarer Kurienarbeit

Mit der Wahl Johannes Pauls II. änderte sich das Aufgabenfeld des Paderborner Weihbischofs: Aus dem beschaulichen Westfalen berief der Papst ihn in den Päpstlichen Rat für die Laien. Als Vizepräsident erlebte Cordes eine außerordentlich fruchtbare Phase nachkonziliarer Kurienarbeit. Der Papst, der vom Zweiten Vaticanum beseelt war, zeigte sich offen für neue Formate und kreative Ideen, um das Apostolat der Laien zu fördern. Vizesekretär Cordes erfasste die Chance, die das Pontifikat des charismatischen Papstes aus Polen bot. Dank seines Engagements wurde ein katechetisches Erfolgsmodell des 20. Jahrhunderts geboren: die internationalen Weltjugendtage. 

Als schwieriger erwies sich das Feld der geistlichen Bewegungen, die Cordes entschieden förderte. Nach einer Boomphase in den siebziger und achtziger Jahren gerieten einige neue Bewegungen in den neunziger und Nullerjahren in die Krise. Cordes ermutigte und stärkte die jungen geistlichen Familien aus der historisch durchaus nachvollziehbaren Überlegung heraus, dass auch die traditionellen Orden im Mittelalter keine geraden Wege absolviert hatten, sondern Rückschläge und Krisen überwinden mussten.

Verteidiger von Papst Benedikt XVI.

Gleichwohl traten die unterschiedlichen Perspektiven des weltkirchlich denkenden Kurienbischofs und der Mehrheit der deutschen Bischöfe immer offener zutage. Das Pontifikat von Papst Benedikt XVI. sollte dann zu offenen Spannungen führen. Cordes, der inzwischen Präsident des Päpstlichen Rats „Cor Unum“ geworden war, verteidigte den deutschen Landsmann gegen die geifernde Kritik aus der Heimat und wuchs in die Rolle des Mahners hinein. 2007 erhielt er die Kardinalswürde und nahm 2013 am Konklave teil, aus dem Papst Franziskus hervorging.

Mit zahlreichen Publikationen stemmte sich der Erzbischof dem Zeitgeist entgegen. Sein vielbeachtetes Buch über die verlorenen Väter war ein früher Warnschuss vor der Gleichmacherei der Geschlechter, ehe der Begriff Gender in deutsche Amtsstuben und Lehrpläne einzog. Nicht zuletzt die Forderungen, die die deutschen Bistümer im Zug der Missbrauchskrise unter dem Stichwort „Kirchenreform“ erhoben, riefen seinen entschiedenen Widerspruch entgegen. Gesundheitliche Rückschläge minderten seine Diskussionsfreude nicht. In Zeiten, in denen sich immer mehr traditionsverbundene Katholiken kopfschüttelnd ins innere Exil zurückziehen, blieb Kardinal Cordes auf dem Wächterposten. Am Freitag morgen ist er in seiner Wahlheimat Rom gestorben.

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