Vor Egoismus, Individualismus und Gleichgültigkeit warnte Papst Franziskus in seiner Sonntagspredigt auf dem Lajos-Kossuth-Platz von Budapest, direkt neben dem ungarischen Parlament. „Jesus ist als der Gute Hirte der Menschheit gekommen, um uns zu rufen und wieder nach Hause zu führen.“ Der Herr komme, um unsere Wunden zu heilen und uns zu sagen, wie wertvoll wir in seinen Augen sind, erklärte der Papst auf dem gut gefüllten Platz. „Er ist es, der uns zusammengerufen hat. Deshalb sind wir seine Herde, seine Kirche.“ Der Papst begrüßte die Vertreter der Ökumene und des Judentums. Auch Staatspräsidentin Katalin Novák und Ministerpräsident Viktor Orbán waren unter den Anwesenden.
Franziskus warb in seiner Predigt für „Beziehungen der Geschwisterlichkeit“ und warnte vor jeglichem Exklusivismus. Wörtlich sagte er in Ungarn: „Zuerst werden wir in Gottes Familie gerufen, so dass wir zu seinem Volk werden. Dann werden wir hinausgeführt, damit wir ohne Angst zu Zeugen seiner Liebe werden.“ Christen müssten ihre Komfortzone verlassen und zu jenen Randgebieten gehen, die das Licht des Evangeliums brauchen. Der Papst verurteilte die „verschlossenen Türen“ des Egoismus und Individualismus sowie der Gleichgültigkeit gegen über den Armen, Leidenden, Migranten und anderen Gemeinschaften. „Bitte, bitte, liebe Schwestern und Brüder, öffnen wir die Türen.“
In der Geschwisterlichkeit wachsen
An die Bischöfe und Priester appellierte Papst Franziskus: „Ermutigen wir einander, immer offenere Türen zu sein.“ Die Laien, insbesondere die Katecheten, aber auch die Menschen mit politischer Verantwortung sollten „offene Türen“ sein, „um Ungarn zu helfen, in der Geschwisterlichkeit zu wachsen“, so Franziskus. Sie alle sollten sich nicht verschließen in den eigenen Problemen und der eigenen Apathie.
Der Papst eröffnete die Messe auf Latein, die Lesungen wurden auf Ungarisch vorgetragen, und die Fürbitten wurden in vielen Sprachen Mitteleuropas gebetet, darunter auf Ukrainisch. Der Primas von Ungarn und Erzbischof von Esztergom-Budapest, Kardinal Peter Erdö, fungierte als Hauptzelebrant. Er erinnerte in seinen Dankesworten an den Papst daran, dass die Ungarn „seit tausend Jahren an der Ostgrenze der westlichen Christenheit“ leben und sich dieser zugehörig fühlen.
Franziskus würdigte, dass in Ungarn die christlichen Konfessionen einander unterstützen. Die Nächstenliebe vereine, weil sie historischen und kulturellen Unterschieden keinen ungebührlichen Raum gebe. In einem marianischen Gebet zum Abschluss der Messe betete der Papst besonders für das ukrainische und das russische Volk: „Schau auf die Völker, die am meisten leiden. Wecke in den Verantwortlichen den Wunsch, Frieden zu schaffen!“ Der Kirche in Europa erflehte der Papst, „dass sie die Kraft des Gebetes wiederentdecke“. (DT/sba)
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