Weit über die Kreise der organisierten Krippenfreunde hinaus hat sich die umfangreiche Krippensammlung im Bischofshaus in Regensburg einen Namen gemacht. Regelmäßig führt der Hausherr, Bischof Rudolf Voderholzer, selbst durch die Bestände. Im steten Dialog mit den Besuchern ist über die Jahre ein Konzept erwachsen, das Glaubensverkündigung mit anschaulicher Information zur Geschichte der Weihnachtskrippe, zu ihrer Symbolik und Theologie verbindet.
Dass es sich im vorliegenden Fall nicht um ein zu belächelndes Hobby, sondern um eine durchdachte Evangelisierungsform handelt, zeigen neben diesem Krippenbuch zwei neue Einrichtungen in Regensburg: das „Institut für christliche Bilderwelten“ und der „Verein zur Förderung religiöser Volkskunst“, die sich für die Erschließung, Erforschung und Präsentation der Sammlung im Kontext der Glaubensvermittlung engagieren.
Die Geschichte der Krippen
In insgesamt neunzehn Kapiteln wird das Thema im Buch entfaltet, beginnend mit der Entstehungsgeschichte der Krippe im 16. Jahrhundert und dem entscheidenden Anteil des Jesuitenordens. Zugleich werden aber auch die Vorformen seit dem 13. Jahrhundert nicht vernachlässigt. Mit dem Moralismus der Aufklärung wurden solche Ausdrucksformen des Glaubens zu Aberglauben abgewertet und schließlich sogar von Bischöfen verboten.
Krippenverbote bewirkten den Rückzug dieses Weihnachtsbrauches in die Privathäuser. Kleine Formate, wie die Jahreskrippen der Sterzinger Schnitzerfamilie Probst, waren gefragt. In Heimarbeit entstanden etwa die „Grulicher Mannl“ aus Nordböhmen, die auf vielen Weihnachtsmärkten angeboten wurden.
Nachdem Papst Johannes Paul II. 1982 erstmals einen Christbaum und eine Krippe auf dem Petersplatz aufstellen ließ, war das Apostolische Schreiben von Papst Franziskus „Admirabile signum“ (2019) über die Weihnachtskrippe der bisherige Höhepunkt der kirchlichen Anerkennung der Krippe: Ein Papst propagiert das Aufstellen von Krippen in Kirchen, Privathäusern und öffentlichen Einrichtungen.
Ein kleines Sittengemälde der Lebenswelt Jesu
Wichtig ist die Gegenüberstellung von orientalischer Krippe und Heimatkrippe, die der Verfasser vornimmt: Während die Heimatkrippe über Nationaltracht, Landschaft und Baustil die „Inkulturation der Weihnachtsbotschaft“ ausdrücke, versuche die orientalische Krippe, ein „authentisches“ Bild der Lebenswelt Jesu im Heiligen Land zu vermitteln.
Zur Krippe gehört auch die Architektur. Entstehung und Bedeutung der unterschiedlichen Geburtsstätten – Ruine, verfallene Hütte, Höhle und Zelt – geht der Autor detailliert nach. Sodann werden die Hauptpersonen der Krippe vorgestellt. Dass der vielfach prächtige, exotische Zug der Könige oder Weisen aus dem Morgenland seinen Ursprung in der Völkerwallfahrt nach Israel hat und sich bis heute sozusagen fortsetzt, ist eine wesentliche Erkenntnis.
Symbolik und Traditionen
Vielfach steht die Krippe in den Weihnachtsstuben unter dem geschmückten Weihnachtsbaum. Über die Adam-Christus-Typologie erschließt der Verfasser Sinn und Ursprung des Christbaums aus dem heilsgeschichtlichen Denken: vom Paradiesesbaum zum Kreuzesbaum. Zudem wird die Symbolik des Baumschmucks verständlich gemacht. Dem Erneuerer der künstlerischen Weihnachtskrippe, dem Bildhauer Sebastian Osterrieder, ist ein eigenes Kapitel gewidmet.
Welch zentrale Bedeutung Ölgemälde oder Druckgrafik für das Krippenschaffen haben, wird exemplarisch an der Tiepolo-Krippe gezeigt, die nach einem Altarbild des venezianischen Malers entstanden ist. Ausgehend von einer sudetendeutschen Krippe, die Flucht und Vertreibung überstanden hat, wird die vielfältige böhmische Krippentradition vorgestellt, einschließlich der bis heute lebendigen Krippentradition in Tschechien.
Auf die Krakauer Szopki (polnisch „Hütte“, „Stall“) aus Pappe und Staniolpapier und die sogenannten Dammhafner-Krippen aus Oberfranken und den Plößberger Krippenberg folgt die Darstellung der Weihnachtsfeier des heiligen Franziskus in Greccio 1223.
Krippenbetrachtung mit den Augen Goethes
Eine wichtige Klarstellung wird dabei getroffen: Auch wenn dieses einmalige Ereignis nicht als Ursprung der Weihnachtskrippe angesehen werden kann, so bleibt es doch ein sprechender Ausdruck des Menschwerdungsglaubens, verbunden mit dem Armutsgedanken. Von hierher ist auch die positive Bewertung der Krippe durch Papst Franziskus zu verstehen.
Nicht zufällig hat er sein Apostolisches Schreiben über die Krippe in Greccio, wo der verstorbene Pontifex gerne hingefahren ist, unterzeichnet. Die neapolitanische Krippe mit ihren zahlreichen Szenen aus der süditalienischen Lebenswelt sieht der Betrachter gleichsam mit den Augen Goethes, der in der „Italienischen Reise“ eine Krippe beschreibt, die er 1787 auf einer Dachterrasse in Neapel bestaunt hatte.
Unerschöpfliche Formen- und Materialvielfalt
Erfreulich ist, dass der Einfallsreichtum der Weihnachtsdarstellungen von Egino Weinert eigens herausgestellt wird. Anschaulich wird die unerschöpfliche Formen- und Materialvielfalt der Krippe mit Figuren aus Porzellan, Playmobil, Stroh, Glas und Keramik. Die in diesem Zusammenhang abgebildete Weihnachtsikone wird hier allerdings unterbewertet.
Mit zwei modernen, zeitgenössischen Interpretationen des Krippenthemas endet der Gang durch das Krippenschaffen vor dem „Regensburger Passionskrippenberg“ in der Zusammenschau von Menschwerdung, Erlösungstod am Kreuz und Auferstehung Jesu Christi.
Eine wertvolle Hilfe für Seelsorger
Das Krippenbuch von Bischof Voderholzer führt aus dem Bastelkeller heraus. Es bringt die Krippe wieder als Ausdrucksform des Glaubens in den Zusammenhang von Liturgie, Kirchenjahr und Glaubensinhalt. Es hilft Pfarrern, pastoralen Mitarbeitern, Katecheten sowie allen, die wie Mesner und Krippenvereine Krippen aufstellen und pflegen, durch die Erklärung der Bildsprache, diese in die Verkündigung der Menschwerdungsbotschaft aufzunehmen.
Dadurch stärkt es grundsätzlich die Einsicht in die unterschätzte katechetische Funktion kirchlicher Bräuche. Zudem fördert der Band die Wiederentdeckung einer gesamtbiblischen Hermeneutik. Jeweils am Kapitelende werden knappe Literaturangaben gemacht, ein Gesamtverzeichnis der verwendeten Literatur wäre hilfreich gewesen.
Rudolf Voderholzer: Krippen schauen. Eine kleine Hinführung zum Christentum, Verlag Schnell und Steiner, Regensburg, 2025, gebunden, 174 Seiten, EUR 19,95
Der Rezensent ist katholischer Religionslehrer.
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