Seit Samstagmorgen ist der italienische Blog „messainlatino.it“, der italienischen Anhängern der alten lateinischen Messe als Plattform diente und Vertreter einer modernisierten Kirche kritisierte, nicht mehr erreichbar. Beim Versuch, die Seite aufzurufen, erscheint die knappe Mitteilung von Google: „Blog wurde entfernt“. Eine öffentliche Begründung fehlt. Laut den Betreibern habe Google einen Verstoß gegen die Community-Richtlinien geltend gemacht, insbesondere im Bereich der sogenannten „Hassrede“.
Laut den Google-Richtlinien sind Inhalte verboten, „die Gewalt gegen Einzelpersonen oder Gruppen aufgrund von Hautfarbe oder ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Behinderung, Alter, Nationalität, Veteranenstatus, sexueller Orientierung, Geschlecht, geschlechtlicher Identität oder anderen Eigenschaften fördern oder billigen, die mit systematischer Diskriminierung oder Ausgrenzung verbunden sind, oder deren primäres Ziel darin besteht, in Bezug auf dieser Eigenschaften Hass zu schüren.“
Der Blog „messainlatino.it“ war seit seiner Gründung im Jahr 2007 eine Plattform zur Verteidigung der tridentinischen Messe (Vetus Ordo) und äußerte häufig Kritik an der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils sowie an liberalen Tendenzen in der katholischen Moraltheologie, insbesondere in Bezug auf gleichgeschlechtliche Beziehungen.
Ist Strickland der Grund für die Sperre?
Die Redaktion des Blogs, unter der Leitung von Journalist Luigi Casalini, sieht in der Sperrung einen massiven Eingriff in die Meinungsfreiheit. Auf der Plattform X (ehemals Twitter) schrieb er: „Ein immenser Schatz an Informationen und Inhalten ist verloren gegangen, und eine Stimme der öffentlichen Debatte wurde zum Schweigen gebracht“.
Die Redaktion vermutet, dass frühere Auseinandersetzungen mit Google zur Eskalation führten. Beiträge über den US-Bischof Joseph Strickland, der das Frauendiakonat kritisiert hatte, oder Artikel zur Unvereinbarkeit von Freimaurerei und katholischer Lehre waren zuvor bereits zeitweise gelöscht und nach Protesten wiederhergestellt worden. Casalini kündigte an, in den kommenden Tagen rechtliche Schritte einzuleiten – unter Berufung auf Artikel 21 der italienischen Verfassung, der Zensur ausdrücklich verbietet.
Auf der Homepage „Osservatorio internazionale Cardinale Van Thuan“ zur Soziallehre der katholischen Kirche kritisiert Stefano Fontana die Sperrung scharf: „Die Entfernung des Blogs messainlatino.it hat zu Recht für Aufsehen, Empörung und Besorgnis gesorgt. (...) Das ist keine Aussetzung – es ist eine vollständige Löschung.“
Fontana verweist darauf, dass der Blog über Jahre hinweg verlässlich über vatikanische Vorgänge berichtet habe, darunter Enthüllungen zur innerkirchlichen Auseinandersetzung um das päpstliche Schreiben „Traditionis custodes“. „messainlatino.it“ war, so Fontana, eine „maßgebliche Stimme“, selbst unter Andersdenkenden.
Der italienische Journalist Nico Spuntoni schreibt in „Il Giornale“: „Die Nachricht ging um die Welt und wurde von Vatikanisten verschiedener Nationalitäten kommentiert. (...) Die Entfernung von MiL hat zum Verlust von etwa 22.000 Beiträgen geführt.“ Spuntoni betont, dass die Seite im Juni 2025 über eine Million Zugriffe verzeichnete – auch wegen Spekulationen über eine mögliche Wiederzulassung der alten Messe durch den neu gewählten Papst Leo XIV. Für viele Leser sei der Blog nicht nur ein Ort für liturgische Informationen, sondern auch ein Forum für innerkirchliche Debatten gewesen.
Während Google auf seine Plattformregeln verweist, warnen Kritiker vor einem Missbrauch der „Hassrede“-Klausel zur politischen oder ideologischen Säuberung unerwünschter Inhalte. Fontana schreibt: „In einer ‚babylonischen’ öffentlichen Moral ist sehr unklar, welche Worte und Äußerungen als hasserfüllt gelten. So kommt es, dass die tatsächliche Macht (...) darüber entscheidet, wann ein Wort als solches zu betrachten ist.“
Die Sperrung eines religiösen Mediums dieser Reichweite stelle einen bedeutsamen Präzedenzfall dar. Sie werfe die Frage auf, wie offen innerkirchliche Debatten im digitalen Raum künftig noch geführt werden können – und wer darüber entscheide. (DT/jg)
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