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Die Geister der Vergangenheit

Welchen Grund mag Papst Franziskus haben, Erzbischof Georg Gänswein nun ein zweites Mal abzustrafen?
Papst Franziskus straft Erzbischof Gänswein in seinem neuesten Interviewbuch erneut ab
Foto: IMAGO/Evandro Inetti (www.imago-images.de) | Papst Franziskus straft Erzbischof Gänswein in seinem neuesten Interviewbuch erneut ab und betont seine Kontinuität mit seinem Vorgänger Benedikt XVI.

Erste Stimmen und Kommentare in Rom zu dem auf Spanisch erschienenen Interview-Buch des Papstes „El Sucesor“ (Der Nachfolger) konzentrieren sich vor allem auf die angeblichen Konflikte zwischen Franziskus und Erzbischof Georg Gänswein, der bis 2020 Präfekt des Päpstlichen Hauses und zugleich Privatsekretär des emeritierten Papstes Benedikt war. In dem mit dem spanischen Vatikan-Korrespondenten Javier Martínez-Brocal geführten Gespräch nennt der Papst tatsächlich zwei Buchveröffentlichungen, die Gänswein in Ungnade fallen ließen: Das nach der Amazonas-Synode von Kardinal Robert Sarah mit einem Beitrag von Benedikt XVI. veröffentlichte Zölibats-Buch.

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Danach untersagte Franziskus dem deutschen Erzbischof die öffentlichen Auftritte als Präfekt des Päpstlichen Hauses. Und die von Gänswein und dem italienischen Journalisten Saverio Gaeta herausgegebenen Erinnerungen „Nichts als die Wahrheit“, aus dem der Verlag unglücklicherweise erste Auszüge direkt nach dem Tod des Emeritus verbreitete. Das Ende vom Lied: Gänswein musste Rom verlassen, ohne weiteren Auftrag schickte ihn Franziskus in die Erzdiözese Freiburg zurück. So sagt der Papst jetzt in dem jüngsten Interview-Buch: „Das Buch wurde am Tag der Beerdigung veröffentlicht, was ich als einen Mangel an Noblesse und Menschlichkeit empfand.“

Plaudereien über das Konklave

Nun ist die Geschichte dieser beiden Buchveröffentlichungen bekannt. Franziskus geht es auch mehr darum, die Kontinuität zwischen ihm selbst und seinem Vorgänger Benedikt herauszustellen. Die Frage ist vielmehr die, warum der Papst nochmals kräftig gegen den ehemaligen Sekretär austeilt, den er ohnehin schon in einer Weise bestraft hat, wie es selbst eingefleischte Franziskus-Anhänger nicht für möglich gehalten hätten. In „El Sucesor“ will der amtierende Papst darstellen, dass es keinen Kontinuitätsbruch zwischen ihm und Benedikt gab.

Da er Papst ist, kann er sich auch über die Verschwiegenheitspflicht hinwegsetzen und zum Beispiel dem spanischen Interviewer berichten, dass im Konklave von 2005 bis zu 40 Stimmen auf ihn fielen, die er dann an Kardinal Joseph Ratzinger „weiterleitete“, so dass dieser Papst wurde. Aber es gab bereits einen Kardinal, der die Pflicht, nichts über den Verlauf eines Konklaves nach außen dringen zu lassen, gebrochen hatte (was der Journalist Lucio Brunelli dann vor Jahren in der Zeitschrift „Limes“ zusammenfasste), und demzufolge war es der Jesuit und Kardinal Carlo Maria Martini, der Jorge Bergoglio kannte und die Stimmenmehrheit im Konklave 2005 schließlich auf Ratzinger lenken ließ. Das sind alles Geschichten der Vergangenheit. Die Reaktion einer italienischen Satire-Sendung war nun die, den angeblichen Streit zwischen Franziskus und Gänswein in einem Sketsch zu verulken, in dem der Deutsche dem Argentinier (vergeblich) das Skilaufen beibringen will.

Die Historiker sollen später entscheiden

Tatsache ist, dass der eine, den Franziskus ein bisschen für sich „vereinnahmen“ will, nicht mehr reagieren kann, weil er tot ist – und zu Lebzeiten auch nie zugelassen hätte, ihn gegen den amtierenden Papst in Stellung zu bringen. Der andere, Gänswein, ist in seiner Freiburger Position auch nicht in der Lage, nochmals und zum wiederholten Male darzustellen, dass es ihm beim Zölibats-Buch Sarahs zumindest gelungen ist, in den nicht-französischen Ausgaben den Namen Benedikt XVI. als Co-Autor zu verhindern, wie es ihm beim Erinnerungsbuch „Nicht als die Wahrheit“ eben nicht gelang, das Erscheinen auf eine späteren Zeitpunkt zu verschieben.

Und ob zwischen Franziskus und Benedikt kein Blatt passt oder ob da doch Platz ist für dicke Folianten, das sollen die Historiker später entscheiden. Jedenfalls hat noch kein amtierender Papst ein eigenes Interview-Buch herausbringen lassen, um den Eindruck zu erwecken, er habe als „Nachfolger“ ganz auf der Linie seines Vorgängers gelegen.

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