„Er pflegte Gespräche mit größter Selbstverständlichkeit an dem Punkt fortzusetzen, an dem man beim letzten Mal aufgehört hatte – allerdings unter Umständen vor einem oder zwei Jahren.“ Nie hat Manfred Lütz einen intelligenteren Menschen erlebt als Benedikt XVI., nie einen mit besserem Gedächtnis. In einem Exklusivbeitrag für die „Tagespost“ schreibt der Psychiater und Theologe, was ihn am emeritierten Papst am meisten beeindruckte: „Ein geistig unglaublich lebendiger Mensch“ – dabei „nie eitel oder von oben herab“.
Zerrbild Panzerkardinal
Seinen Karriereweg in die Spitze der Kirche habe er nicht gesucht. Den ihm auferlegten Ämtern sei er dann aber in „heiterer Pflichterfüllung“, und mit „ironischer Distanz“ nachgekommen. Die Bezeichnung als „Panzerkardinal“, als „mitleidlosen Großinquisitor“ sieht Lütz als „absurdes Zerrbild“, von seinen Gegnern unter die Leute gebracht: Wohl bei keinem Menschen sei das wirkliche Wesen so meilenweit entfernt vom öffentlichen Bild gewesen wie bei Joseph Ratzinger.
Als „ein lebendiger moderner Denker, der wusste, was man verliert, wenn man die Schätze der Tradition verachtet, aber der auch klar sah, dass man die Tradition nur wirklich bewahren konnte, wenn man sie dem Säurebad modernen kritischen Denkens aussetzte“, sei er ein gesuchter Gesprächspartner für Menschen wie Jürgen Habermas gewesen. Als Freigeist und Intellektuellem sei ihm hingegen die Macht immer fremd geblieben. DT/jra
Wie sich Benedikt XVI. über seinen Nachfolger äußerte, und was er sich in letzten Gesprächen erhoffte, erfahren Sie im ganzen Beitrag, der in der kommenden Sonderausgabe der „Tagespost“ erscheint.