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Beda Venerabilis: „Vom Wirken Gottes erzählen“

Beda Venerabilis, der „Ehrwürdige“ genannt, lebte von 672/72 bis 735 in Northumbrien. Sein Hauptwerk ist die „Kirchengeschichte des englischen Volkes“. Papst Leo XIII. ernannte ihn 1899 wegen seiner Bibelkommentierungen zum Kirchenlehrer.
St. Paul in Jarrow
Foto: Bob Skingle (imago stock&people) | Die Klosterkirche St. Paul in Jarrow, in der Beda lebte, gehörte einst zu den Zentren des angelsächsischen Mönchtums.

Pater Beda, beim Lesen Ihrer langen Publikationsliste habe ich mich gefragt, wie Sie das alles schaffen. Haben Sie ein Geheimrezept für effizientes Arbeiten?

Meine Arbeit ist in erster Linie geprägt durch mein monastisches Leben. Ich habe meine Kraft dem Studium der heiligen Schriften gewidmet, die Klosterdisziplin beobachtet und die täglichen Gottesdienste in der Kirche gesungen; Lernen, Lehren und Schreiben waren immer meine Freude.

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Neben der Fülle fällt bei Ihrem Werk vor allem die Vielseitigkeit auf – es scheint, Sie haben sich mit fast allem beschäftigt, was man überhaupt erforschen kann…

Wenn Sie aufgrund meiner Werke einen mondänen Mann von Welt erwarten, muss ich Sie leider enttäuschen (lacht). Ich bin kein Entdecker und habe von der Welt selbst nicht viel gesehen, eigentlich nicht mal von England. Seit ich neun Jahre alt bin, lebe ich hier im Kloster St. Paul als Mönch, erst in Wearmouth und dann in Jarrow.

Warum haben Sie die „Kirchengeschichte des englischen Volkes“ erfasst?

Nun, der Anlass war zunächst, dass mich König Ceolwulf (729-737) darum bat, ihm eine solche Darstellung zukommen zu lassen. Ich habe mich darüber wirklich gefreut. Ich halte eine historische Bildung gerade für einen Herrscher für wichtig und hilfreich, denn wenn die Geschichte von den Guten Gutes berichtet, wird der besorgte Zuhörer zur Nachahmung des Guten angeregt; wenn sie von den Schlechten Schlechtes in Erinnerung bringt, wird der gewissenhafte und fromme Zuhörer oder Leser dennoch durch Vermeiden dessen, was schädlich und schlecht ist, selbst zum besseren Streben nach dem angefeuert, was er als gut und Gottes würdig erkennt.

Beda der Ehrwürdige
Foto: (www.imago-images.de) | Beda der Ehrwürdige

Mit diesem Geschichtsverständnis stehen Sie in der Tradition Ihrer spätantiken Vorgänger, wie etwa Eusebius von Caesarea oder Augustinus, auf die Sie ja auch durchaus zurückgreifen. Was ist neu an Ihrem Werk?

Das Neue liegt vielleicht vor allem in der Erzählung der Geschichte des angelsächsischen Volkes. Es soll jedoch nicht einfach eine chronologische Darstellung sein, sondern vom Wirken Gottes mit und in diesem Volk erzählen. Daher verwende ich auch die aktuell noch unübliche Jahreszählung nach der Inkarnation Christi – ich hoffe sehr, dass sich diese auf Dauer durchsetzt. Denn mit Christus hat eine neue Zeit begonnen!

Daher beginnen Sie also Ihre Chronik mit der ersten Christianisierung Britanniens und Irlands während der römischen Besatzung?

Ja, genau. Wie gesagt, es geht mir darum, die Geschichte Gottes nach der biblischen Zeit weiterzuerzählen, insbesondere hier in meiner Heimat.

Was meinen Sie damit? Würden Sie als Exeget sagen, dass die Geschichte ähnlich der Bibel Offenbarungsquelle ist?

Nun, die Geschichte bietet im Gegensatz zur Heiligen Schrift keine direkte Gottesoffenbarung oder normative Anleitung, sondern zeigt uns das unwiederholbare Handeln Gottes in der Heilsgeschichte. Sehr wohl kann man darin jedoch Muster erkennen, die über die Vergangenheit hinaus nützlich sind. Da ich mich insbesondere mit der Missionierung Englands beschäftigt habe, kann ich diesen Bereich als gutes Beispiel nehmen: Es sind mir hierbei besonders drei Punkte aufgefallen, welche mir ausschlaggebend für gelungene Mission erscheinen: zum einen das überzeugende Beispiel heiliger Männer und Frauen, dann die Achtung der individuellen Freiheit bei der Entscheidung zum Glauben und drittens die Bewahrung der Einheit der Kirche in ihrer Lehre und ihrem kirchlichen Leben.

"Die Geschichte der Missionierung Englands ist,
wenn man so will, eine Sammlung von Heiligengeschichten."

Können Sie das erläutern?

Nehmen wir zunächst die Einheit der Kirche in Lehre und Leben. Der Streit um die richtige Berechnung des Osterfestes zwischen den von den Iren missionierten Angelsachsen und den von Gallien und Rom aus missionierten Christen führte zu viel Unsicherheit und Uneinigkeit. König Oswiu (612–670) sagte bei der Synode von Withby sehr passend, dass „es denen, die Gott gemeinsam dienen, gezieme, eine einzige Lebensregel einzuhalten, und denen, die im Himmel alle ein einziges Reich erwarten, nicht gezieme, in der Feier der himmlischen Geheimnisse uneins zu sein“. Dass die Berechnung, wie sie von der römischen Kirche befolgt wird, und die dann auch in Withby als einheitliche Osterfestberechnung festgelegt wurde richtig ist, habe ich an anderer Stelle (De temporum ratione) sehr ausführlich begründet.

Sie haben außerdem als Moment gelungener Mission das Zeugnis Heiliger Männer und Frauen genannt. Können Sie hierzu Beispiele nennen?

Unzählige. Die Geschichte der Missionierung Englands ist, wenn man so will, eine Sammlung von Heiligengeschichten, durch deren Zeugnis der Glaube verbreitet wurde. Ob es nun die Geschichte des heiligen Bekenners Albanus ist, der unter Kaiser Nero das Martyrium erlangte und an dessen Grab bis heute Wunder geschehen, oder die Königin Bertha, durch deren Zeugnis auch ihr Mann, König Aethelbert, zur Offenheit gegenüber dem Christentum bewegt wurde, oder natürlich der heilige Bischof Augustin, durch dessen Predigt, dessen reines Leben, und das Vollbringen vieler Wunder Viele zu Christus bekehrt wurden. Es gibt kein „System“ für die Mission, nur die Summe vieler einzelner heiliger Zeugen.

Dennoch braucht es ja neben dem Zeugnis in der Konsequenz die Bekehrung der Einzelnen und auch die Bekehrung der ganzen Gesellschaft…

Ja, natürlich. Eben dabei spielt der dritte von mir beobachtete Punkt eine entscheidende Rolle – die Unbedingtheit der Freiheit in dieser Bekehrung. Nachdem sich König Aethelbert von Kent zum christlichen Glauben bekehrt hatte, förderte er die Predigt des Christentums in seinem Königreich, zwang aber bewusst niemanden zur Bekehrung, da die Missionare von Beginn an deutlich gemacht hatten, dass der Dienst für Christus freiwillig, nicht erzwungen sein müsse. Nur dadurch konnte der Glaube feste Wurzeln schlagen. Ein schönes Beispiel dafür ist sicherlich auch die Geschichte des heiligen Königs Edwin (584-633), dessen Bekehrung zu Christus ein langer, aufregender Weg war, er schließlich jedoch als tief gläubiger christlicher König maßgeblich zur Bekehrung seines Volkes beitrug. Die ganze Geschichte wäre hier zu lang, sie ist jedoch wirklich spannend, lesen Sie also am besten direkt mein Buch (lacht).

Wie kann der Übergang von einer heidnischen Kultur und Religion in das Christentum gelingen?

Ja, auch diese Frage spielt eine große Rolle. Papst Gregor schrieb dazu Abt Mellitus in einem Brief, dass die Heiligtümer der Götzen in diesem Volk keineswegs zerstört werden müssen, dass aber die Götzenbilder, die sich darin befinden zerstört […] und durch christliche Zeichen ersetzt werden müssen. Ein, wenn man so will, erfolgreiches Beispiel dafür ist die Geschichte des heidnischen Priester Coifi, der sich durch die Predigt des heiligen Paulinus zu Christus bekehrte und selbst zum heidnischen Altar ritt, um diesen mit einem Lanzenstoß zu zerstören. Nicht um etwas zu zerstören, sondern um Platz zu machen für die Wahrheit, nämlich für Christus.

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