Die Stadt der Rennfahrer ist Indianapolis vor allem bei Nacht. Immer wieder hört man nah oder fern Geräusche, die direkt aus „Fast & Furious“ zu stammen scheinen. Das ist nun einmal so, wenn das Stadtzentrum von vierspurigen Boulevards zerschnitten wird. An mancher Ecke riecht es nach Cannabis - der Deutsche fühlt sich da doch gleich zuhause.
Unter den 50.000 Kongressbesuchern, die sich umgeben von Hochhäusern und Highways in Indianapolis zusammengefunden haben, befinden sich 200 Bischöfe und Kardinäle, über 1.000 Priester und um die 500 Seminaristen. Die Ordensschwestern hat wohl niemand gezählt, so viele sind es. Eine von ihnen patrouilliert in einem der kilometerlangen Korridore des Kongresszentrums und fordert die Vorbeikommenden mit viel Humor zum Beichten auf. „It‘s your soul, not mine…“, hebt sie mit gespielter Theatralik die Hände, die Umstehenden lachen.
Überall ist Leichtigkeit zu spüren
Dieselbe Leichtigkeit ist überall zu spüren, auch dort, wo die langen Warteschlangen den Pilgern, die von morgens 8 Uhr bis abends um 10 ein volles Programm haben. Ewige Anbetung, verschiedene Gelegenheiten zum Rosenkranz, Pontifikalämter, Breakout Sessions und nicht zu vergessen die überdimensionierte Ausstellungshalle mit zahllosen Ständen katholischer Organisationen aller Art: Schulen und Universitäten, geistliche Gemeinschaften und Orden, Medien, Familienorganisationen, Unternehmen und vieles, vieles mehr.
Zur liturgischen Vielfalt gehört auch die Feier der heiligen Messe in der außerordentlichen Form. Sie findet in der Kirche vom Heiligen Rosenkranz statt, in der seit dem Motu Proprio Traditionis Custodes die Anhänger der „Alten Messe“ ihre Heimat gefunden haben. Schon eine halbe Stunde vor Beginn ist die Kirche, in der der Erzbischof von San Francisco, Salvatore Joseph Cordileone, im Vetus Ordo zelebrieren soll, voll. Auf dem nahegelegenen Parkplatz bauen Helfer in aller Schnelle Bildschirme und Lautsprecher auf - mit so vielen Menschen hatten die Organisatoren wohl nicht gerechnet.
Über 1.000 Gläubige haben sich zusammengefunden. Wer am Abend hart „worshipt“, kann auch am nächsten Tag in die Alte Messe, scheint ihre Devise. In der Predigt gibt der kalifornische Erzbischof ihnen katholisches Schwarzbrot - zehn Zutaten für einen gelungenen Eucharistischen Aufbruch nennt er es, darunter Stille, persönliche Teilnahme an der Eucharistie, Buße, Beichte und Caritas.
Plötzlich ist das „Chartres-Feeling“ da
Als der Chor zur Heiligen Kommunion zu mehrstimmigen Chorälen ansetzt, ist es plötzlich da, das „Chartres-Feeling“: Die Füße tun weh, die Knie auf dem harten Asphalt auch, heiß ist es ebenfalls, das Ganze beginnt, sich etwas zu ziehen. Während andere in der schönen Kirche sitzen, muss man sich mit der Holzklasse zufriedengeben. Aber das alles zählt plötzlich nicht mehr, denn was hat Father Mike Schmitz heute morgen noch gesagt? Wenn wir glauben, in der Messe geht es um Unterhaltung, Erziehung, Erbauung, halt darum, dass wir uns gut fühlen, dann sind wir auf dem Holzweg. „Das Herz der Messe ist das Opfer des Sohnes zur Ehre des Vaters und zum Heil der Welt.“ Nichts sonst. Alles andere ist Zugabe.
Wenn die Liturgie mich nicht Christus, meinem Erlöser näherbringt, dann nützt es auch nichts, statt auf einem kargen Parkplatz auf einer samtigen Kirchenbank zu knien und auf einen wunderschönen Hochaltar statt auf einen Bildschirm zu schauen. Manche geistlichen Einsichten werden wohl erst durch ein bisschen Schmerz getriggert. Und: „Schließlich sind wir auf einer Wallfahrt, nicht in den Ferien“, meinte auch Bischof Cozzens am Vormittag augenzwinkernd.
Eine ausführliche Reportage zum Nationalen Eucharistischen Kongress in Indianapolis lesen Sie in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".