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Wer ist dieser Gott, vor dem sie Schiss haben?

Höllen-Predigt war gestern. Heute wird Gott eher zu einem harmlosen Kumpel-Typ gemacht und Seine politisch-inkorrekte (gerechte) Seite verschwiegen
Der Hausmeister aus Scrubs
Foto: Rights Managed via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Stellt die Gottesfrage: der Hausmeister

Plötzlich springt die Tür auf und eine riesige Gestalt steht in der Tür. Es ist der verrückte Hausmeister. Er hatte draußen gelauscht. Als gerade jemand das Wort „Gott“ erwähnte, sah er den Moment gekommen, die Tür aufzureißen und alle Gespräche verstummen zu lassen. Sein Blick geht majestätisch in die Ferne, dann sagt er: „Wer ist dieser Gott, vor dem alle Schiss haben?“ Diese Szene hat sich nicht wirklich zugetragen, sondern lediglich in der Comedy-Serie „Scrubs“. Der durchgeknallte Hausmeister ist meine Lieblingsfigur dieser Sitcom. Er bleibt eine widersprüchliche und geheimnisvolle Person, die in erstaunlicher Regelmäßigkeit mit ehrfurchtgebietendem Gestus Weisheiten raushaut wie: „Ich glaube nicht an den Mond. Ich glaube, das ist die Rückseite der Sonne.“ Doch als ich neulich die Folge gesehen habe, in der der Hausmeister (der bis zum Schluss seinen Namen nicht preisgibt) pointiert die Gottesfrage stellt, musste ich innehalten.

Wir bestrafen uns selbst

Mittlerweile kann ich auf eine fast 29-jährige „Berufserfahrung“ als Katholik zurückblicken. Gott ist für mich ein alter Bekannter: Vater, Mutter, Bruder, Freund, Inspiration, Korrektiv, Zuflucht, Trost, Freude, Hoffnung und selbstverständlich Liebe. Was er jedoch nicht ist: Quelle der Furcht. Anders gesagt: Ich habe keinen Schiss vor Gott. Doch warum eigentlich nicht?

Liest man die Heilige Schrift, dann kann Gott Sintfluten vom Zaun brechen, Menschen in Salzsäulen verwandeln oder Feuer, Schwefel und allerlei Amphibien-Tiere vom Himmel fallen lassen. Auch Jesus Christus ist nicht zimperlich und schildert in eindrücklichen Bildern die Konsequenzen eines Lebens, das im vollen Bewusstsein die Liebe Gottes zurückweist. Nicht Gott bestraft uns direkt, sondern wir uns selbst. Und doch ist es dieser Jesus, der nicht müde wird, uns zu sagen: „Fürchtet euch nicht!“

Das ist die Kernaussage der Heiligen Schrift. In theologischen Vorträgen habe ich oft gehört, dass dieser Satz 365 Mal in der Bibel vorkommt, genauso oft also, wie das Jahr Tage hat. Ob das stimmt, weiß ich nicht, da ich nicht nachgezählt habe und es umgekehrt bedeuten würde, dass wir während eines Schaltjahrs zumindest an einem Tag im Jahr verloren wären.

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Eines Tages kommt die Rechnung auf den Tisch

Der Punkt ist: Gott ist so erhaben und groß, dass Er, wenn ich Ihn ernst nehme, keine Furcht auslösen muss, aber Ehrfurcht. Ich kann mir keinen Gott basteln, in dem eine Vorstellung von göttlicher Barmherzigkeit überbetont wird, die die Selbstauskunft Gottes ignoriert, dass für mich der Tag kommen wird, an dem die Rechnung auf den Tisch kommt. Wenn Gott gerecht ist, muss ich damit rechnen, dass mein Handeln Konsequenzen hat. Gleichzeitig darf ich Gott nicht zum bloßen Rächer herabwürdigen, der eifersüchtig dreinschlägt. „Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist Grausamkeit“, schreibt Thomas von Aquin, „Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit ist die Mutter der Auflösung.“

Während mir ältere Menschen erzählen, dass sie in ihrer Kindheit Predigten hören mussten, in denen mit der Hölle gedroht wurde, habe ich den Eindruck, dass man heute Gott zu einem harmlosen Kumpel-Typ macht und Seine politisch-inkorrekte (gerechte) Seite verschweigt. Ein Gott, vor dem ich meine Knie nicht mehr beugen muss, wird gleichgültig. Ein Gott, dem selbst alles egal ist, wird selbst egal.

„Wo ist dieser Gott, vor dem keiner mehr Schiss hat“, könnte der Hausmeister aus „Scrubs“ heute fragen. „Am Kreuz“, lautet die Antwort. Dieser Gott, der alle irgendwann zur Rechenschaft zieht, hat vorher Seinen Sohn geschickt, um die Rechnung selbst zu begleichen. Ich habe beschlossen, diese Einladung anzunehmen.

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