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„Das kann doch nicht der wahre Jakob sein!“

Eine Leserreise der „Tagespost“ führte in den Südwesten Frankreichs. Als „Pilger der Hoffnung“ wandelten die Teilnehmer auch auf den Spuren des heiligen Thomas von Aquin.
Pont Valentré in Cahors (Frankreich)
Foto: Copyright: xDreamstimexMilacroft (www.imago-images.de) | Eines der eindrucksvollsten mittelalterlichen Brückenbauwerke des Mittelalters, über das die Jakobspilger schreiten: Pont Valentré in Cahors.

Mauern, Türmen und Zinnen zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Im 13. Jahrhundert war sie eine Hochburg der Katharer, einer damals im Südwesten Frankreichs weitverbreiteten Glaubensbewegung, die von Rom als häretisch eingestuft wurde. Beim blutigen Albigenserkreuzzug, der 1209 begann, wurde die bis dahin als uneinnehmbar geltende Festung gestürmt. Bei herrlichem Wetter ließ sich die Mittagspause auf den malerischen, baumbestandenen Plätzen von Carcassonne angenehm verbringen. In der Unterstadt, einer 1247 von König Ludwig IX. errichteten Bastide, wurde der Pilgergruppe in der gotischen Saint-Vincent ein herzlicher Empfang durch die Mesnerin Marie Gally bereitet.

Nächste Station der Reise war die Bischofsstadt Albi, die malerisch am Fluss Tarn liegt. Von der Hotelterrasse bot sich ein prächtiger Anblick auf die gewaltige Backsteinkathedrale, die von außen wie eine steingewordene Gottesburg wirkt. Im Inneren aber entfaltet sich eine ungeahnte Farbenpracht. Im Bischofspalast ist heute das Toulouse-Lautrec-Museum untergebracht, das eindrucksvolle Werke des 1864 in Albi geborenen Künstlers zeigt. Im nahe gelegenen mittelalterlichen Städtchen Cordes-sur-Ciel war Ausdauer beim Aufstieg durch die schmalen Gassen gefragt. Ein willkommener Halt bot die kleine Jakobuskapelle, die mit Fresken des französischen Malers Yves Brayer geschmückt war.

Zu den eindrucksvollsten Erlebnissen der Reise gehörte der Besuch des kleinen, abgelegenen Wallfahrtsortes Conques, der seinen Aufstieg zu einem der wichtigsten Stationen an der Via Podiensis den Reliquien der heiligen Fides, einer frühchristlichen Märtyrerin, verdankt. Staunend standen die Reiseteilnehmer vor dem gewaltigen Weltgerichtsportal, das zu den schönsten Schöpfungen der romanischen Kunst in Frankreich gehört. Den Zug der Seligen, in den sich die legendären Stifter und Förderer der Abtei, darunter Karl der Große, einreihen, führt Maria an. Auf der Seite der Verdammten werden nicht nur menschliche Laster wie Hochmut, Geiz, Völlerei, Habgier, Wilderei und Falschmünzerei angeprangert, sondern auch recht drastisch die jeweils passenden Bestrafungen gezeigt. Einzigartig ist auch der Kirchenschatz, der durch einen glücklichen Umstand erhalten blieb und zahlreiche kostbare Goldschmiedearbeiten sein Eigen nennt. Die prachtvolle Reliquienstatue der heiligen Fides erhielt erst im Laufe der Jahrhunderte durch viele Stiftungen ihr heutiges Aussehen. Alle Fenster der romanischen Wallfahrtskirche, eine der ersten Emporenkirchen Frankreichs, wurden von dem erst kürzlich verstorbenen Künstler Pierre Soulages minimalistisch mit schwarz-weißen Linien gestaltet, die dem Kirchenraum ein unverwechselbares Gepräge geben. Die Kirche wird heute von Prämonstratensern betreut, die 1992 von ihrem französischen Mutterkloster Mondaye in der Normandie nach Conques geschickt wurden. Bei der Konventmesse hielt Frère Godefroid Pignède, der drei Jahre in Würzburg gelebt hat, die Predigt für die Pilgergruppe der „Tagespost“ auch auf Deutsch.

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Von Montauban, der letzten Übernachtungsstation, führte der Weg nach Cahors, wo die romanische Kathedrale Saint-Étienne eine der eigenwilligen südfranzösischen Kuppelkirchen verkörpert. Auch diese Kirche besitzt seit 2012 bunte Glasfenster, die von Gérard Collin-Thiébault gestaltet wurden. Mit dem kühn über den Fluss Lot gebauten Pont Valentré besitzt die historische Hauptstadt des Quercy eines der eindrucksvollsten mittelalterlichen Brückenbauwerke, über das die Jakobspilger seit dem 14. Jahrhundert die Stadt in Richtung Moissac verließen. Schon das Liber Sancti Jacobi erwähnt das am Tarn liegende Städtchen Moissac als eine der wichtigsten Etappenstationen auf der Via Podiensis. Der Aufstieg der Benediktinerabtei begann im Jahr 1047, als der schon damals berühmte Abt Odilo von Cluny das marode Kloster der in Burgund liegenden Abtei von Cluny unterstellte. In der Folgezeit wurde nicht nur der prachtvolle und weitläufige Kreuzgang, der mit seinen Kapitellen die mittelalterliche Glaubens- und Bilderwelt eindrucksvoll vor Augen führt, sondern auch die Kirche und das romanische Figurenportal mit der ausdrucksstarken Darstellung des thronenden Christus errichtet. Seit über 25 Jahren leben und beten Schwestern der Communauté Marie Mère de l’Église in Moissac und haben im Auftrag des Bischofs von Montauban auch die Pilgerbetreuung übernommen.

Das letzte Ziel der Pilgerreise war das Marienheiligtum von Rocamadour, dessen einzigartige Lage an einem steil abfallenden Felshang jedem Besucher den Atem verschlägt. Seit fast 1 000 Jahren pilgern die Menschen zur Schwarzen Muttergottes von Rocamadour. In einem 1172 verfassten Mirakelbuch wurden damals bereits 126 Wunder aufgelistet. Es berichtet über wunderbare Heilungen von Gebrechen, Krankheiten und Verletzungen, aber auch von Rettungen aus Seenot, Unwettern und allem anderen, wozu die Menschen damals die Hilfe und Fürsprache Marias erflehten. Über den traditionellen Pilgerweg „Voie Sacrée“ ging es zunächst zu Fuß vom Aussichtspunkt in L’Hospitalet hinunter nach Rocamadour. Von dort führen 216 Stufen über die steile Pilgertreppe hinauf zu den sieben, teilweise ineinander gebauten Sanktuarien. Das Herzstück ist die kleine Kapelle der Schwarzen Jungfrau, wo sich die Pilgergruppe der „Tagespost“ dem Schutz der Muttergottes anvertraute und als Zeichen ihrer Pilgerschaft nach der Messe die von Prälat Putz gesegneten Sportelle, die Pilgerabzeichen von Rocamadour, überreicht bekamen. Über den 1887 angelegten Kreuzweg mit seinen 14 Stationen führte der Weg hinauf zur mittelalterlichen Burg, die im 14. Jahrhundert als Schutz für das Heiligtum errichtet wurde. 1936 kam der französische Komponist Francis Poulenc nach einem Schicksalsschlag nach Rocamadour. Tief ergriffen, komponierte er in wenigen Tagen die „Litanies à la Vierge noire“, sein erstes religiöses Werk, dem noch viele folgen sollten. Später schrieb er: „Ich bin katholisch. Das ist meine größte Freiheit.“

Die Autorin ist Kunsthistorikerin und begleitet seit vielen Jahren die Pilgerreisen der „Tagespost“.

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