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Heimweh nach dem Himmel

Angst vor dem Sterben? Ja. Angst vor dem Tod? Nein. Er hat nicht das letzte Wort, sondern erinnert uns daran, wo wir hingehören: In den Himmel, zu Gott.
Allerseelen: Friedhöfe strahlen Frieden aus.
Foto: epa pap Andrzej Grygiel (PAP) | Friedhöfe strahlen Frieden aus. Denn die Toten haben es „geschafft“, wie es oft heißt.

Wenn man wie ich in einer großen Familie aufwächst, gehört der Tod zum Alltag dazu wie ein lästiger Verwandter. Schon als kleines Kind bin ich oft bei Beerdigungen dabei gewesen, ich stand am offenen Sarg meiner Ur-Oma und meiner zahlreicher Großonkel und -tanten. Das hat mir nie etwas ausgemacht. Und dennoch habe ich bis heute ein Problem bei Horrorfilmen.

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Horror bei Gruselfilmen

Es ist seltsam, dass mir echte Leichen weniger ausmachen als computeranimierte Gruselfilme. Als ich einmal in meiner Kindheit an einer Nachtwanderung teilnahm, schlug ich vor, die Abkürzung über den Friedhof zu nehmen. Mit Entsetzen fragten mich meine Freunde, ob ich verrückt sei. „Und was tun wir, wenn dann eine Hand aus dem Grab herauskommt und mich festhält“, fragte mich einer meiner Kumpels. Ich wusste nicht, was er meinte. Dann erklärte er mir, was ein „Zombie“ ist. Ich fand das zwar ganz interessant, aber irgendwie auch bescheuert.

Frieden auf dem Friedhof

Denn ich mag Friedhöfe. Die Stille, die rotflackernden Lichter, die Sträucher, der Geruch frischer Erde, besonders an Allerheiligen. Diese Orte strahlen für mich Frieden aus. Denn die Toten haben es „geschafft“, wie es oft heißt. „Christus hat den Tod besiegt“, hören wir in der Kirche immer wieder. Und trotzdem ist unser Verhältnis zum Tod irgendwie seltsam. Tief im Herzen weiß ein jeder, dass das irdische Leben ein Ende haben wird. Die einen versuchen, das Thema durch konsequentes Ignorieren zu verdrängen, andere ziehen diese Tatsache ins Lächerliche, um dem Tod so den Schrecken zu nehmen. Wir Christen haben dafür die Überzeugung, dass mit dem Tod nicht alles aus ist. Im Gegenteil: Danach geht es erst so richtig los!

Ich habe in meiner letzten „Credo“-Kolumne vor 14 Tagen geschrieben, wie ich einmal selbst Todesangst hatte, als ich im Flieger saß und im Landeanflug in einen Orkan geriet. All das fromme Zeug über das Leben nach dem Tod, die Auferstehung, den Himmel, ja nicht einmal die Gewissheit, dass ich kurz davor noch zur Beichte gegangen bin, haben mir in diesem Moment nicht geholfen. O ich Kleingläubiger!

Der Unterschied

Aber ich habe begriffen, dass es einen Unterschied gibt zwischen Tod und Sterben. Darf man als Christ Angst vor dem Sterben haben? Ich finde: ja. Muss man Angst vor dem Tod haben? Nein! Die Vorstellung, dass der Orkan die Tragflächen des Flugzeugs abreißt und ich mit hunderten von anderen Menschen auf die Erde krache und von einer Masse aus Blech, Stahl, Treibstoff, Feuer und ungesichertem Handgepäck zerquetscht werde, lassen mir das Herz in die Hose sinken. Das Sterben stelle ich mir recht unentspannt vor, wenn es mit so viel Schmerz verbunden sein sollte. Der Tod an sich jedoch, nun ja, er macht mich neugierig. Wie würde es sein, wenn ich dem Herrn gegenübertrete? Würde ich es direkt in den Himmel schaffen? Muss ich eine Extrarunde über das Fegefeuer drehen? Ich bin mir sicher, dass wir alle noch einige Überraschungen erleben werden.

Freude auf den Tod

Andere – frömmere Menschen als ich – freuen sich sogar auf den Tod. Nicht, weil sie mit dem irdischen Leben abgeschlossen haben. Sondern vielmehr, weil sie der inneren Sehnsucht nach der ewigen Vereinigung mit Gott Raum geben. Weil sie nie dieses Heimweh nach dem Himmel vergessen haben, das ein jeder Mensch in sich trägt. Ich bewundere das und glaube, dass sehr viel Weisheit darin liegt. Der Tod hat nicht das letzte Wort. Doch er kann uns helfen, die eigenen Koordinaten wieder auszurichten und uns daran zu erinnern, wo wir eigentlich hingehören: In den Himmel, zu Gott.

Auch ich will dort gerne hin. Aber bitte nicht mit dem Flugzeug.


Dieser Artikel gehört zu Serie Glauben im Alltag.

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