Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Missbrauchsaufklärung

Deckte Erzbischof Becker einen Missbrauchstäter?

Forschungsprojekt bringt einen Fall aus dem Erzbistum Paderborn ans Licht. Nach Angaben des Erzbistums hat Becker, zu jener Zeit Personaldezernent, gemäß der damaligen Rechtslage gehandelt.
Erzbischof Hans-Josef Becker
Foto: Arne Dedert (dpa) | Hans-Josef Becker, Erzbischof von Paderborn, hat dem Papst kürzlich seinen Rücktritt angeboten. Jetzt werden Spekulationen laut: Hat das mit Missbrauchsfällen aus der Vergangenheit zu tun?

Wieder hat die Missbrauchsaufklärung ein „altes“ Verfahren ans Licht gebracht: Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker (74) soll in seiner Zeit als Personaldezernent der Erzdiözese einen Priester B. im Amt belassen haben, der sich an Minderjährigen vergangen hat. Das melden verschiedenen Medien, darunter die „Welt“, die auch darüber spekuliert, ob das Rücktrittsgesuch des Erzbischofs mit diesem Fall zu tun haben könnte. 

Opfer waren minderjährige Jungen

1999 wurden Vorwürfe laut, nach denen der damals 35-Jährige Geistliche B. minderjährige Jungen, darunter einen unter 14 Jahren, missbraucht haben soll. Diese Straftat soll B. in einem internen Gespräch mit dem damaligen Personaldezernenten Becker gestanden haben. Später kam zudem heraus, dass B. bereits 1992 als Diakon übergriffig geworden war. Die Erzdiözese reagierte mit einer Rüge, untersagte ihm die Pfarrseelsorge und erlegte ihm die übliche pastoralpsychologische Betreuung sowie therapeutische Aufarbeitung auf. Die Wohnung in der Gemeinde durfte B. behalten. Dort traf er sich weiterhin mit Jugendlichen.

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Das war 1999. Im Jahr darauf durfte B. „ausschließlich verwaltende Tätigkeiten“ im Generalvikariat wahrnehmen. Damit habe Becker nach Angaben der Erzdiözese „auf der Grundlage der 1999 bestehenden rechtlichen Regelungen“ gehandelt. 

Vier Jahre Haft

Für das Hauptopfer aber begann nach Angaben der Strafkammer „eine schwere Zeit“, weil zunächst kein Prozess zustande kam, das Erzbistum sich diskret verhielt und der Täter den Jungen „in ein schlechtes Licht“ rückte. Der Junge wurde als „Verleumder" gehandelt und verlor fast seinen gesamten Freundeskreis. Erst als der Prozess 2002 aufgrund von neuen kirchenrechtlichen Regelungen eröffnet wurde, sei er „wieder aufgelebt“.

Die Staatsanwaltschaft knüpfte sich den Fall also noch einmal vor. Und Becker, der mittlerweile Weihbischof und Diözesanadministrator war, meldete die Vorwürfe an den Vatikan. B. wurde suspendiert und noch im selbst Jahr vom Landgericht Dortmund B. wegen Kindesmissbrauchs zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

Vernichtende Zwischenbilanz

Der Fall ist im Zuge des von Becker 2019 initiierten Forschungsprojekts der Universität Paderborn bekannt geworden. Die Universität nimmt Missbrauchsfälle und den Umgang mit selbigen im Erzbistum von 1941 bis Juli 2002 ins Visier. Bislang wurden 160 Beschuldigte recherchiert. Die Zahl der Opfer ist noch unklar. Zur vernichtenden Zwischenbilanz im letzten Jahr - Kirche und Gesellschaft hätten laut einer Pressemitteilung „systematisch weggesehen und Straftaten gebilligt oder hingenommen“ - hatte sich Becker nicht äußern wollen, sagte aber, wenn es um Verantwortung gehe, „nehme ich mich selbst nicht aus“.

Becker, seit 2003 Erzbischof der westfälischen Diözese, hatte dem Papst neulich erst überraschend seinen Rücktritt angeboten, um „jüngeren Generationen“ Raum zugeben, wie er in seiner Stellungnahme sagte. Nun wird eine unabhängige Aufarbeitungskommission die Amtszeit Beckers von 2002 noch unter die Lupe nehmen, teil das Erzbistum mit. Letzte Woche hat das Gremium seine Arbeit aufgenommen.  DT/dsc

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