Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Missbrauchsaufklärung

Erzbistum widerspricht Urteilsbegründung

Laut Urteil des Landesgerichts Dortmund hat der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker damals als Personaldezernent von einem Missbrauchsfall an einem Kind gewusst. Das Erzbistum besteht auf dem Gegenteil.
Mainz 02.03.2020 Fruehjahrs-Vollversammlung Deutschen Bischofskonferenz, Pressekonferenz: Erzbischof von Freiburg, Steph
Foto: ULMER via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker soll als damaliger Personaldezernent in enem internen Gespräch von dem Kindesmissbrauch erfahren haben.

Im Missbrauchsfall Christian B. des Erzbistums Paderborn gibt es weiterhin Unklarheiten. Nach jüngsten Recherchen der Tageszeitung „Die Welt“ weicht die aktuelle Aktenlage im Erzbistum gravierend von den damaligen Erkenntnissen des Landgerichts Dortmund ab. Während das Landesgericht in einer Urteilsbegründung von 2002 unter Berufung auf eine Gesprächsniederschrift festhält, dass der Vikar Christian B. am 13. September 1999 den Missbrauch eines Minderjährigen unter 14 Jahren gegenüber dem damaligen Personaldezernenten und heutigem Erzbischof von Paderborn, Hans-Josef Becker, eingeräumt habe, weist das Erzbistum entsprechende Vorwürfe zurück. Aus der Niederschrift ergebe sich „ausdrücklich, dass keine Taten an unter 14-jährigen durch den Beschuldigten eingeräumt wurden“, sagte die Bistumssprecherin. 

Christian B. soll Becker die Tat gestanden haben

Aus der Urteilsbegründung, in der das Gespräch an mehreren Stellen erwähnt wird, geht das Gegenteil hervor. Demnach soll der Vikar Christian B. dem Personaldezernenten Becker die Tat persönlich gestanden haben, nachdem das Bistum von der Strafanzeige erfahren hatte. Wörtlich heißt es in dem Urteil, der Vikar habe während dieses Gesprächs bestätigt, „dass die Jungen teilweise jünger als 14 Jahre alt gewesen seien, als er sie missbraucht habe“. 

Lesen Sie auch:

An anderer Stelle steht, der Angeklagte habe „in einem weiteren Gespräch“ die „Richtigkeit seiner am 13. September gemachten Angaben“ gegenüber dem Personaldezernenten bekräftigt. Dass dieses Geständnis in einer internen Unterredung stattgefunden hatte, bestätigte laut Urteilsbegründung auch ein Zeuge. Vor Staatsanwaltschaft und vor Gericht dagegen soll Christian B. die Tat dementiert haben.

Verfahren nach damals geltenden Regelungen geführt

Den eklatanten Widerspruch zwischen dem Landesgericht und dem Erzbistum kontert selbiges, dass man „zu Formulierungen in zu späteren Zeitpunkten erstellten staatlichen Vernehmungsprotokollen und Urteilsbegründungen“ keine Wertung abgeben könne. Das Erzbistum habe das Verfahren nach den damals geltenden Regelungen geführt. 

Christian B. soll das Generalvikariat persönlich darüber informiert haben, dass eine entsprechende Anzeige bei der Staatsanwaltschaft vorliege, so das Erzbistum. „Damit war die Staatsanwaltschaft über die Vorwürfe von Beginn an in Kenntnis und führte bereits zuständig die Ermittlungen.“

Fall muss nochmal unter die Lupe

Becker selber setzte kirchenrechtliche Strafmaßnahmen gegen den Vikar erst später in Gang; als die Staatanwaltschaft das Verfahren neu aufrollte und die Vorwürfe verdichtete. Laut Erzbistum Paderborn sei es üblich, dass dies Vorrang habe gegenüber kirchlichen Verfahren.

Damit ist jedoch der Widerspruch nicht gelöst. Aussagen steht gegen Aussage. Nun soll dies laut Erzbistum „sehr umfängliche und komplexe Vorgang“ in einer unabhängigen Studie der Universität Paderborn, durch welche dieser Fall überhaupt zu Tage gekommen ist, nochmal besonders unter die Lupe genommen werden.  DT/dsc

 

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Meldung Erzbischöfe Erzbistum Paderborn Erzdiözese Hans-Josef Becker

Weitere Artikel

Der Vatikan habe dem Erzbistum nun ein klares Aus für die weitere Zusammenarbeit mit Laien bei der Wahl des neuen Erzbischofs erteilt, so der Paderborner Dompropst Joachim Göbel.
12.04.2023, 18 Uhr
Meldung

Kirche

Die deutschen Bischöfe werden beim Synodalen Ausschuss wohl keine kirchenrechtskonforme Lösung finden. Das Mehrheitsprinzip eröffnet einen rechtsfreien Raum.
25.04.2024, 11 Uhr
Regina Einig