Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kolumba-Museum in Köln

Aus den Trümmern emporsteigen

Der Sprengstoff konnte ihr nichts anhaben: Eine Marienstatue in Köln überlebte unversehrt den Zweiten Weltkrieg. Heute bringen täglich Menschen Gebetsanliegen zu ihr.
Die im Krieg unversehrt gebliebene Marienstatue in der Kapelle im Kolumba-Museum in Köln.
Foto: Hüffer/Du/Prorok | Diese Muttergottes hat viel erlebt: Einst gab sie weltkriegsversehrten Menschen Trost in schwerer Stunde. Heute hilft sie durch ihr Zeigen auf Gott.

Nur ein paar Schritte vom Kölner Dom entfernt versteckt sich ein echtes kleines Wunder. Von außen wirkt der eckige Betonklotz etwas trist, aber in seinem Inneren verbirgt er einen Schatz. Beim Eintreten fallen zunächst römische Anlagen ins Auge. Der Geist der Historie füllt diese Räumlichkeiten aus. Jedoch verbirgt sich das eigentliche Wunder in der Kapelle, welche inmitten der antiken Ausgrabungen steht: Hier thront Maria in den Trümmern. Bei genauerer Beobachtung fällt auf: Der untere Teil der Statue ist ein wenig beschädigt. Diese Madonna hat viel erlebt. Als Köln mit über 34.000 Tonnen Sprengstoff gegen Ende 1945 fast gänzlich zerstört wurde, überstand sie das Bombardement fast unversehrt. Wer dieses Stück Geschichte sieht, kann Gottes Gnade spüren.

In dunkelster Stunde Hoffnung schöpfen

Die Madonna in den Trümmern hat all dies überstanden und dient auch heute noch zahlreichen Gläubigen als Zeichen der Treue Gottes in schwerer Stunde. Der 71-jährige Franziskaner-Minorit, Pater Josef Bodensteiner, lebt seit fünf Jahren im Minoritenkloster in Köln, in der Nähe des diözesanen Kolumba-Museums, zu dem die Kapelle der Madonna in den Trümmern gehört. In Sankt Kolumba trifft Kunst auf Seele. Seine Gemeinschaft aus fünf Brüdern betreibt Seelsorge im Zentrum der Stadt am Rhein. Sie verwalten die kleine Kapelle, beten, auch gemeinsam mit den Besuchern, hören Beichte und feiern täglich die heilige Messe.

Pater Josef führt durch die Kapelle, in welcher er und seine Mitbrüder jeden Monat über fünfhundertmal die Beichte hören. Ihn kleidet der schwarze Habit der Franziskaner-Minoriten mit weißem Zingulum um die Hüften. Er beschreibt die verschiedensten Charaktere, die hier täglich ein- und ausgehen. Die Menschen kommen mit den unterschiedlichsten Anliegen. Manchen liegt ihr Leben wie ein Scherbenhaufen vor den Füßen. In diesen Zeiten gibt die Mutter Gottes Kraft und Hoffnung für einen Neuanfang. Doch es kommen auch einige, die schwere Krisen überwunden haben und Gott und den Heiligen danken möchten. An einer Wand hängt ein Zettel. Hier dankt eine Familie dem heiligen Antonius, der sie aus der Verzweiflung herausgeholt hat. Unscheinbar liegt ein kleines Buch rechts neben dem Altar. Nach kurzem Durchblättern erzählt der Pater, dass Gläubige dort ihre Bitten an Jesus und seine Mutter richten können. Eine Frau schreibt herzzerreißend über ihren toten Gatten. Er war die Liebe ihres Lebens und er fehle ihr sehr. Weiter klagt ein Sohn über sein zerrüttetes Verhältnis zur Mutter. Das kleine Buch bezeugt, wie die Last des Lebens Menschen zu Gott führt.

Die Franziskaner-Minoriten fokussieren sich auf Armenhilfe im weitesten Sinn. Ihre Spiritualität besteht laut dem Pater aus einem zentralen Punkt: „Auf den gekreuzigten Jesus in Demut und Gehorsam zu schauen.“ Für Pater Josef sind zwei Erlebnisse aus dem Leben des Heiligen Franz von Assisi von besonderer Bedeutung: die mystische Stigmata-Erfahrung auf dem Berg Alverna und das Krippenspiel in Greccio, bei dem Franziskus das Christuskind den Menschen zeigte. Demut ist hier der zentrale Punkt.

Kunst als Weg zu Gott?

Als Franziskaner-Minorit hat Pater Josef ein sehr tiefes Verständnis für die Rettung des Menschen durch Gott. Diese stellen vierzehn Stationen des Kreuzwegs dar; an der Steinwand der Kapelle, hinter dem Altar, eingemeißelt in die Wand. Pater Josef erzählt mit großer Ernsthaftigkeit: „In der Fastenzeit beten wir hier mit den Gläubigen. Der Kreuzweg ist ein Weg, den jeder Mensch betritt. Jeder Mensch kennt diesen Weg irgendwo in seinem Leben. Alle haben ihr Kreuz zu tragen und jedermann wird eines Tages seinen irdischen Tod finden. Wer Jesu Weg nachgeht, wird letztlich Leid, Schmerz und Zweifel überwinden und vom Grab ins Heil gehen. Diesen Weg geht jeder Mensch, der auf Gott vertraut.“ 

Der Kreuzweg stellt jedoch nicht die Auferstehung dar. „Dieses Wunder feiern wir in der heiligen Eucharistie“, erklärt Pater Josef. Eindrücklich ist auch eine große Statue rechts neben dem Altar. Sie zeigt Anna, die Großmutter Jesu, Maria und Jesus. Pater Josef hebt hervor, wie wichtig eine persönliche Beziehung zwischen den unterschiedlichen Generationen ist. Eine Großmutter, die die Enkelkinder im Glauben stützt und die der jungen Mutter mit Rat und Tat zur Seite steht, braucht es in jeder Familie. 

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Im Obergeschoss des Gebäudes trifft alte auf moderne Kirchenkunst. Eine pensionierte Lehrerin schaut sich dort um. Schon lange sei sie dem Kunstmuseum verbunden. Dort gebe es viel Zeitloses. Zur modernen Kunst fällt sie allerdings ein vernichtendes Urteil: „Bei den neuen Stücken ist viel Ratlosigkeit und wenig Gott.“ Ihr Partner steht neben ihr. Er spricht über seinen atheistischen Hintergrund. Trotzdem ist es ihm ein Bedürfnis, sich in die Gefühlslage der Gläubigen bei Betrachtung der Kunst hineinzuversetzen.

Der Kontrast könnte größer nicht sein. Von einem Franziskaner-Minoriten, welcher seinen Glauben innig mit der Muttergottes in den Trümmern verbindet, bis hin zu einem bildungsbürgerlichen Paar, das über Kunst den Glauben der Kirche zu begreifen versucht. All diese Personen zieht das Museum an. Zeitlose Kirchenkunst kann wohl doch jedermann zu Gott führen. Wie Maria den weltkriegsversehrten Menschen Trost in schwerer Stunde gab, so hilft sie auch heute noch durch ihr Zeigen auf Gott.

Die Kapelle der „Madonna in den Trümmern“ befindet sich in der Kolumbastraße 2 in Köln und ist täglich von 9.30 bis 19 Uhr geöffnet.


Der Text ist im Rahmen des Reportage-Projekts „Christliches Leben in Köln“ des Tagespost-Nachwuchsprogramms entstanden.

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