Heute feiert die Kirche den Abschluss des Konzils von Nizäa (325 n. Chr.). Wie aktuell die Botschaft dieses Konzils ist und worin dessen politische Dimension besteht, erläutert der Vorsitzende der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Heiner Wilmer, in einem auf der DBK-Website veröffentlichten Schreiben anlässlich dieses Jahrestags. Darin macht der Bischof von Hildesheim deutlich, dass Nizäa nicht Vergangenheit ist, sondern „es ist Gegenwart. Und Zukunft“.
Gerade vor dem Hintergrund der Debatten um die Richteramtskandidatin Frauke Brosius-Gersdorf leuchten seine Aussagen zur politischen Dimension des Evangeliums ein: „Das Evangelium ist immer politisch, weil es Partei ergreift – für die, die keine Stimme haben, für die Bedrängten, die Armen, die Entrechteten.“ Wer an Christus glaube, könne nicht schweigen, wenn Unrecht geschehe. Und an das Magnifikat Mariens angelehnt setzt er hinzu: „Es entmachtet die Mächtigen und erhebt die Geringen.“ Die politische Dimension sei sozusagen auch auf dem Konzil von Nizäa grundgelegt worden, war das Konzil doch „nicht nur eine theologische Versammlung, sondern auch ein politisches Ereignis“, erklärt Wilmer.
Kirche im Spannungsfeld zwischen Glaube und Politik
Kaiser Konstantin hatte das Konzil einberufen, weil er erkannt habe, dass die Einheit der Kirche dies erforderte. Sein Interesse sei zwar pragmatisch gewesen, sein Einfluss auf die Kirche aber enorm – mit einem großen Vorteil für die Christen: Sie, die eben noch verfolgt worden waren, „fanden sich nun im Zentrum der Macht wieder“.
Dieses Verhältnis „von Kirche und Staat, von Glauben und Politik, wurde durch Nizäa tief geprägt“, erklärt der Bischof. Anders als heute zwar, aber auch heute lebe die Kirche in einem Spannungsfeld zwischen Glaube und Politik. Wörtlich schreibt Wilmer: „Sie ist keine weltliche Macht mehr, aber sie kann sich auch nicht aus der Welt zurückziehen.“ Zugleich sei das Glaubensbekenntnis von Nizäa „eine klare Absage an alle weltlichen Herrscher, die sich göttlich stilisieren“. Es erkläre unmissverständlich: „Nur einer ist wahrer Gott.“
Widerstand gegen die Zersplitterung der Kirche
Damit ist auch die Essenz dessen, was das nizänische Glaubensbekenntnis, das Frucht dieses Konzils war, für die Gläubigen bedeutet, ausgesprochen. Wilmer: „Wenn Christus nicht wahrer Gott ist, dann gibt es keine echte Erlösung. Dann wäre die Nähe Gottes zu uns in Jesus Christus nur eine schöne Idee. Dann wäre das Kreuz kein Sieg, sondern Niederlage, das Christentum nur eine Philosophie, aber keine Offenbarung.“ Damals habe der alexandrinische Priester Arius Christus als geschaffen und dem Vater untergeordnet angesehen, womit er gegen die Überzeugung von Athanasius und vieler anderer Kirchenväter gestanden habe.
Indem vor 1.700 Jahren 300 versammelte Bischöfe in Nizäa (dem heutigen Iznik, Türkei) darüber übereingekommen waren, dass Christus gezeugt (gennetos), nicht geschaffen (genetos) sowie wesensgleich mit dem Vater war und ist, sprachen sie etwas aus, das bis heute „unsere Theologie, unsere Kirche, unser Verständnis von Gott und Welt prägt“, erläutert Wilmer. Diese Überzeugung präge auch „unser Verständnis der Sakramente, der Kirche als Leib Christi, unseres Betens und Glaubens“. Jesus Christus sei Gott selbst. „Die Wahrheit ist radikal, sie ist nicht verhandelbar.“
Was diese Wahrheit konkret bedeutet, erklärt der Bischof so: „Der Mensch ist nicht mehr gefangen in Schuld, auch nicht in Angst, noch nicht einmal im Tod. Er muss sich nicht selbst retten.“ Die Tür zu Gott stehe offen, einfach, weil Christus den Weg freigemacht habe. „Das nizänische Bekenntnis stellt klar: Gott selbst kommt uns in Christus nahe“, so Wilmer wörtlich.
Das Konzil markierte, so Wilmer, „den entschlossenen Widerstand gegen die Zersplitterung der Kirche, ein weichgespültes Christentum und politische Instrumentalisierung". Es sei um die zentrale Frage des Christentums gegangen: „Wer ist Jesus Christus?“
Gerade im Heiligen Jahr brauche es eine Kirche, die aus dem nizänischen Bekenntnis lebe: „nicht als Machtsystem, sondern als Verkörperung des Glaubens an den menschgewordenen Gott, der nicht Herrschaft ist, sondern Liebe“. In einer Zeit der Spaltungen und Differenzen erinnere das nizänische Bekenntnis an die tiefe Einheit, die katholisch, orthodox und evangelisch verbinde sowie daran, „dass es eine Mitte gibt, die uns eint – Christus, wahrer Gott vom wahren Gott.“ DT/dsc
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