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Orthodoxe Priester wollen Amtsenthebung Kyrills

Ukrainische Geistliche werfen Moskauer Patriarchen Häresie und moralische Verbrechen vor.
Patriarch Kyrill soll vor Gericht gebracht werden
Foto: IMAGO/Mikhail Metzel (www.imago-images.de) | In ihrem Appell fordern die Geistlichen die Vorsteher der orthodoxen Kirchen weltweit auf, die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine klar und unmissverständlich zu verurteilen sowie Putin aufzufordern, ...

Der Patriarch von Moskau und ganz Russland, Kyrill I., soll vor ein kirchliches Gericht gestellt und seines Amtes enthoben werden. Das fordert ein Appell, den bereits 369 Geistliche der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats unterschrieben haben. Sie fordern die Vorsteher der orthodoxen Kirchen weltweit auf, die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine klar und unmissverständlich zu verurteilen sowie Putin aufzufordern, „den Krieg sofort zu beenden und alle besetzten Gebiete der souveränen Ukraine freizugeben“.

Die Doktrin der „russischen Welt“ (russki mir), „die seit vielen Jahren von Patriarch Kyrill gefördert wird und die zu einer der ideologischen Rechtfertigungen für den Krieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine geworden ist“, müsse auf gesamt-orthodoxer Ebene überprüft und bewertet werden, heißt es in dem Appell, der der „Tagespost“ vorliegt. Patriarch Kyrill solle vor Gericht gebracht werden, um „ihm das Recht zu nehmen, den patriarchalen Thron zu halten“.

Doktrin der „russischen Welt“ ist eine Häresie

Die 369 orthodoxen Geistlichen aus der Ukraine, die noch immer zum Moskauer Patriarchat gehören, werfen Kyrill vor, die Doktrin der „russki mir“ zu verbreiten, „die nicht der orthodoxen Lehre entspricht und als Häresie verurteilt werden sollte“. Weiter heißt es in dem Appell: „Kyrill beging moralische Verbrechen, segnete den Krieg gegen die Ukraine und unterstützte uneingeschränkt die aggressiven Aktionen der russischen Truppen auf dem Territorium der Ukraine.“

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Für die Absetzung eines Moskauer Patriarchen gebe es einen Präzedenzfall in der Geschichte, heißt es in dem Text, dessen Erstunterzeichner der orthodoxe Erzpriester Andriy Pinchuk aus der ukrainischen Diözese Dnipropetrowsk ist. 1666 hätten die Patriarchen der Orthodoxie den Moskauer Patriarchen Nikon verurteilt und ihm den Bischofsrang entzogen. Nikon habe sich daraufhin als einfacher Mönch zur Buße in ein Kloster zurückgezogen. Angesichts des „brutalen Kriegs der Russischen Föderation gegen die Ukraine“ sehen es die unterzeichnenden Priester als ihre „pastorale Pflicht, an die Fülle der Weltorthodoxie zu appellieren“.

Massenempörung unter Geistlichen und Gläubigen

Sie weisen ausdrücklich darauf hin, dass bereits Tausende Zivilisten getötet wurden und das Vorgehen der russischen Armee „offensichtliche Anzeichen eines Völkermords am ukrainischen Volk“ habe. Sowohl der Primas der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, Metropolit Onufrij, als auch der ukrainische Synod der orthodoxen Bischöfe habe an Kyrill appelliert, „sich dem Krieg zu widersetzen und zur Beendigung der militärischen Aggression beizutragen“. Das habe Kyrill jedoch ignoriert, und stattdessen „wiederholt öffentliche Erklärungen abgegeben, die eine tatsächliche Unterstützung für die aggressiven Aktionen der Russischen Föderation gegen die Ukraine enthielten“.

Kyrill habe mehrfach behauptet, dass er die orthodoxen Christen in der Ukraine als Teil seiner Herde betrachte, und doch segne er heute „direkt die physische Zerstörung dieser Herde durch russische Truppen“. Diese Reden und Handlungen von Patriarch Kyrill hätten eine „Massenempörung unter den Geistlichen und Gläubigen der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche“ ausgelöst. Viele Diözesen und noch mehr Priester würden den Namen des Moskauer Patriarchen nicht mehr im Gottesdienst nennen und damit ihr „Misstrauen gegenüber Patriarch Kyrill“ ausdrücken. Das allein reiche jedoch nun nicht mehr.

Es sei ihnen unmöglich geworden, weiter „in irgendeiner Form der kanonischen Unterordnung unter den Moskauer Patriarchen“ zu verbleiben. „Das ist das Gebot unseres christlichen Gewissens“, heißt es in der Erklärung. Kyrill sei „einer der Hauptideologen der Doktrin der russischen Welt“. Seine Aussagen stünden „im Einklang mit der russischen Staatspropaganda, die die Existenz der ukrainischen Nation und der ukrainischen Kultur ablehnt und daher das Recht auf eine eigene Staatlichkeit für die Ukrainer nicht wirklich anerkennt“. Die Autoren des Appells bilanzieren: „Die Tragödie, die sich heute in der Ukraine abspielt, ist auch das Ergebnis der Politik, die Patriarch Kyrill während seiner Amtszeit an der Spitze der russisch-orthodoxen Kirche verfolgt.“  DT/sba

Lesen Sie weitere Hintergründe zum Appell der Geistlichen der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

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Meldung Bischof Häresie Kyrill I. Orthodoxe Russisch-Orthodoxe Kirche Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche Wladimir Wladimirowitsch Putin

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