Der Trägerverein für den 103. Deutschen Katholikentag in Erfurt hat einen neuen Vorsitzenden. Nach dem Rücktritt des früheren Erfurter Oberbürgermeisters Manfred Ruge im Dezember übernimmt nun der Präsident der Rechtsanwaltskammer Thüringen, Jan Helge Kestel, die Führung des Vereins.
Kestel sei in die Mitgliederversammlung des Trägervereins aufgenommen und anschließend zum Vorsitzenden gewählt worden, teilte das Bistum Erfurt mit. „Ich freue mich auf die neuen Aufgaben, die ich in diesem Ehrenamt wahrzunehmen habe und danke für das mir entgegengebrachte Vertrauen“, sagte Kestel. „Der Katholikentag, der Ende Mai in Erfurt eröffnet wird, ist ein wichtiges Großereignis. Gäste aus ganz Deutschland werden hier hoffentlich ein wunderbares Fest des Glaubens und des Engagements für eine solidarische, demokratische Gesellschaft erleben.“ Sein Ziel sei, das Katholikentagsmotto „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ bei den weiteren Vorbereitungen im Blick zu behalten und bisherige Kritik soweit möglich aufzunehmen und zu berücksichtigen.
Ostdeutsche Perspektiven nicht ausreichend berücksichtigt?
Damit reagierte Kestel auf die Kritik seines Vorgängers Ruge am Programmentwurf für den Katholikentag. Ruge hatte kritisiert, dass ostdeutsche Perspektiven nicht ausreichend berücksichtigt seien. „Wir sitzen unten am Katzentisch. Unsere Geschichten dürfen wir nicht erzählen“, hatte der frühere Erfurter Oberbürgermeister öffentlich kritisiert. In mehr als 70 Jahren Diaspora und Ökumene hätten sich ostdeutsche Katholiken im deutschen Osten zu selbstbewussten Christen entwickelt. Dem Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) werfe er vor, nach einem Leitspruch von Walter Ulbricht zu verfahren, der von 1950 bis 1971 an der Spitze des Zentralkomitees der SED stand: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand behalten.“
Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr und das ZdK hatten die Kritik zurückgewiesen. Neymeyr warf dem Alt-OB zudem „vereinsschädigendes Verhalten“ vor. Der Erfurter Bischof lobte stattdessen den neuen Vorsitzenden: „Ich bin dankbar, dass wir mit Jan Helge Kestel an der Spitze des Trägervereins eine Persönlichkeit gefunden haben, die in Erfurt bekannt und geschätzt ist“, sagte Neymeyr.
Auf „Tagespost“-Anfrage teilte das ZdK mit, das Programm des Katholikentags habe bereits reichhaltige Angebote, die ostdeutsche Perspektiven, sowohl thematisch als auch durch Mitwirkende mit ostdeutschen Biografien, beinhalteten. So seien etwa Podien zu den Themen „Deutschland einig Vaterland – Wie viel Einheit haben wir, wie viel Einheit brauchen wir?“, „Ökumene der dritten Art – Christ*innen und Nichtreligiöse im Dialog über Versöhnung“ und „Salz der Erde? Christ*in sein in einer säkularen Gesellschaft“ geplant, hieß es.
Weitere Gesprächsformate zum Umgang mit SED-Diktatur
Zudem soll es laut ZdK weitere Gesprächsformate geben, darunter Debatten zum Thema „Wie gehen wir mit Unrechtserfahrungen in der SED-Diktatur um?“, zur Zukunft des Religionsunterrichts im säkularen Umfeld und zu „Entscheidungszwängen junger Christ*innen in der DDR“.
Der 103. Deutsche Katholikentag findet vom 29. Mai bis 2. Juni dieses Jahres in Erfurt statt. Er wird vom ZdK veranstaltet, Gastgeber ist das Bistum Erfurt. Zuletzt kam das bundesweite Laientreffen 2016 in Leipzig in einer ostdeutschen Stadt zusammen.
Der neue Vorsitzende des Trägervereins Kestel wurde 1971 in Erfurt geboren. Seit 2000 ist er Rechtsanwalt in Erfurt, seit 2020 in eigener Kanzlei. 2015 wurde er Präsident der Rechtsanwaltskammer Thüringen. Kestel ist auch Sprecher des Thüringer Schlichtungsbeirats.
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