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Kardinal Woelki: „Zwiespältiges Lebensgefühl“ in der Ukraine

Der Kölner Erzbischof erlebt bei seiner Solidaritätsreise, wie bedeutsam die Trauerseelsorge der Kirche für die Bevölkerung ist.
Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki
Foto: IMAGO/Christoph Hardt (www.imago-images.de) | „Wir dürfen nicht auf ein baldiges Ende des Krieges hoffen“, sagte Kardinal im Interview.
Festmesse mit Kardinal Woelki
Festmesse mit Kardinal Woelki zu Mariä Himmelfahrt in Kiew.

Der Kölner Kardinal Rainer Woelki hat im Rahmen seiner Solidaritätsreise in die Ukraine gemeinsam mit Weihbischof Wolodymyr Hruza von Lemberg einen Soldatenfriedhof in Lemberg besucht. Am Vorabend des Hochfestes Mariä Himmelfahrt begegnete er dort Angehörigen gefallener ukrainischer Soldaten, ehe er seine Reise mit dem Nachtzug nach Kiew fortsetzte.

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Die Menschen seien emotional noch tief vom Verlust ihrer Angehörigen gezeichnet. „Dieser Friedhof hat den ganzen Irrsinn dieses Krieges deutlich gemacht“, sagte der Kardinal am Donnerstag im Gespräch mit dieser Zeitung. Überall seien die Bilder der Gefallenen zu sehen. Auch am späten Abend seien gegen 21.30 Uhr noch Angehörige gekommen, um zu beten und Blumen niederzulegen.

Kirche auf den Friedhöfen sehr präsent

Die Kirche sei auf den Friedhöfen sehr präsent, weil die Menschen dort trauerten und erreichbar seien. Der Weihbischof von Lemberg spreche die Trauernden regelmäßig an und lade sie zum Gebet ein. „Die meisten nehmen das auch an und danach öffnen sie sich“, beschrieb der Kardinal die Trauerseelsorge des Lemberger Weihbischofs, dem Hinterbliebene auf Friedhöfen ihre Geschichte erzählten. Der Kardinal sprach von einem wichtigen Prozess im Hinblick auf eine Heilung der inneren Wunden der Hinterbliebenen. Unter Berufung auf den Apostolischen Nuntius nannte der Kardinal die Zahl von 300 bis 400 Ukrainern, die täglich an der Front fielen. Woelki berichtete bewegt von der Begegnung mit einer jungen Witwe, deren Mann als Arzt beim Versuch, einen Verwundeten zu retten, gefallen war.

„Wir dürfen nicht auf ein baldiges Ende des Krieges hoffen“, sagte der Kardinal. Die Ukrainer seien bereit, große Opfer für ihr Recht auf Eigenstaatlichkeit zu bringen und bemühten sich, so normal wie möglich zu leben. Das Leben in Kiew erinnere ihn an Berlin und Köln, manche modernen Stadtviertel ähnelten dem Prenzlauer Berg.

Festmesse mit Kardinal Woelki
Festmesse mit Kardinal Woelki zu Mariä Himmelfahrt in Kiew.

Während des Mittagessens in der deutschen Botschaft in Kiew am Donnerstagmittag habe er das „zwiespältige Lebensgefühl“ zwischen Krieg und Alltag konkret erlebt. Während des Mittagessens in der Botschaft habe es Luftalarm gegeben, „aber das Leben ging irgendwie weiter: Keiner stand auf, es kamen neue Gäste. Man hat sich auch hier ein Stück an die schreckliche Situation gewöhnt“. Doch bei allen herrsche Angst, dass am Ende des Krieges der Verlust der Ukraine als eigenständiger Staat steht „und man wieder eine Art Sowjetrepublik wird“.

Woelki warnt vor Auswirkungen ukrainischer Niederlage auf Westeuropa

In den von Russland besetzten Gebieten haben Woelki zufolge 40 Prozent der Bevölkerung die Region verlassen. „Das hat natürlich auch für uns Auswirkungen, wenn wir uns bewusst machen, dass diese 40 Prozent der Bevölkerung aus Angst vor der Unterdrückung durch Russland zu uns nach Westeuropa flüchten würden, wenn die Ukraine den Krieg verlieren und Russland das Land besetzen würde. Das wären ungefähr 13 bis 14 Millionen Ukrainer.“

Das Erzbistum Köln hat seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine 1,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, damit die lateinische und die griechisch-katholische Kirche Binnenflüchtlinge unterstützen können. Kardinal Woelki ist bis Montag auf Solidaritätsreise in der Ukraine.

Lesen Sie das ausführliche Interview mit dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".

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