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„Ihr habt die Hölle gesehen“

Flammenmeer, Verfolgung – und der Weg der Rettung. Am 13. Juli 1917 wurde den Fatima-Kindern das dreifache „Geheimnis“ offenbart. Von Manfred Hauke
Darstellung der "Hölle" aus der Kirche St. Cäcilia in Heusenstamm
Foto: KNA | Die Botschaft von Fatima ist ein Korrektiv zur weitverbreiteten Vorstellung der postmodernen Gesellschaft, die Hölle existiere nicht oder sei leer.

Die dritte Erscheinung der Gottesmutter am 13. Juli 1917 bildet das Zentrum der marianischen Botschaften von Fatima. Wichtig für die Glaubwürdigkeit der Ereignisse ist zunächst die Voraussage, dass in drei Monaten (am 13. Oktober) in der „Cova da Iria“ zur Mittagszeit ein Wunder geschehen wird, „damit alle glauben“. Diese Aussage ist bereits aktenkundig festgehalten im Verhör von Seiten des sehr kritisch eingestellten Pfarrers vom 14. Juli 1917. Sie bildet ein klares Unterscheidungsmerkmal gegenüber nicht vom Himmel kommenden „Erscheinungen“, bei denen „große Zeichen“ versprochen werden, die niemals geschehen (so bereits gegenüber der pseudo-charismatischen Bewegung der Montanisten im zweiten Jahrhundert, nach deren „Propheten“ Montanus das himmlische Jerusalem beim kleinasiatischen Städtchen Pepuza herabsteigen würde). Die Voraussage hat sich im „Sonnenwunder“ erfüllt, dem ein neuer Frühling für den katholischen Glauben in Portugal folgte.

Das himmlische Zeichen besiegelt die Glaubwürdigkeit der Seher bezüglich des dreiteiligen „Geheimnisses“, das erst später niedergeschrieben und enthüllt würde. Die Tatsache des „Geheimnisses“ wird schon bezeugt sehr bald nach dem 13. Juli und bildet einen Grund für die Entführung der Kinder durch den freimaurerischen Bezirksvorsteher am 13. August 1917: Er wollte den kleinen Sehern mit Todesdrohungen das Geheimnis entreißen, was ihm nicht gelang. Die ersten beiden Teile des „Geheimnisses“ finden sich in der Dritten und Vierten „Erinnerung“, die Schwester Lucia auf Geheiß des Bischöfe 1941 niederschrieb. Den dritten Teil des „Geheimnisses“ hingegen brachte sie unter großen Mühen am 3. Januar 1944 zu Papier. Er wurde erst im Jahre 2000 der Öffentlichkeit bekannt gegeben, während die ersten beiden Teile schon seit 1942 im Umlauf waren (vollständig publiziert wurden die ersten vier „Erinnerungen“ von Schwester Lucia erst 1973).

Der erste Teil betrifft die ewige Verdammnis, die allen schweren Sündern bevorsteht, die sich vor ihrem Tode nicht bekehren: die „Höllenvision“. Schwester Lucia schreibt: „Unsere Liebe Frau zeigte uns ein großes Feuermeer, das in der Tiefe der Erde zu sein schien. Eingetaucht in dieses Feuer sahen wir die Teufel und die Seelen, als seien es durchsichtige schwarze oder braune, glühende Kohlen in menschlicher Gestalt. Sie trieben im Feuer dahin, emporgeworfen von den Flammen, die aus ihnen selber zusammen mit Rauchwolken hervorbrachen. Sie fielen nach allen Richtungen, wie Funken bei gewaltigen Bränden, ohne Schwere und Gleichgewicht, unter Schmerzensgeheul und Verzweiflungsschreien, die einen vor Entsetzen erbeben und erstarren ließen. Die Teufel waren gezeichnet durch eine schreckliche und grauenvolle Gestalt von scheußlichen, unbekannten Tieren, aber auch sie waren durchsichtig und schwarz.

Diese Vision dauerte nur einen Augenblick. Dank sei unserer himmlischen Mutter, die uns vorher versprochen hatte, uns in den Himmel zu führen (in der ersten Erscheinung). Wäre das nicht so gewesen, dann – glaube ich – wären wir vor Schrecken und Entsetzen gestorben“ (Dritte Erinnerung, 2). Gemäß der Vierten Erinnerung (II, 5) geschah die Höllenvision gleich nach der Einladung Marias an die Kinder, sich aufzuopfern für die Bekehrung der Sünder und zur Sühne gegenüber dem Unbefleckten Herzen Mariens. In der Tat war die Schau der Hölle für die Kinder der Anlass, zahlreiche Bußübungen auf sich zu nehmen, um durch ihre Mitwirkung möglichst viele Sünder vor der ewigen Verdammnis zu bewahren. Das erste Foto, das von drei Sehern gemacht wurde, stammt wenige Minuten nach der Vision von einem Autofahrer, der die Kinder zur Pfarrkirche von Fatima gebracht hatte: die Gesichter der Kinder sind noch ganz vom Schrecken gezeichnet. „Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit“, heißt es bekanntlich in der Heiligen Schrift (Sprüche 1, 7; Psalm 111, 10). Auch Jesus selbst spricht von der Bedeutung der Gottesfurcht im Zusammenhang mit der Hölle (Matthäus 10, 28). Die Hölle kommt auch im zweiten Teil der Vision vor, als Maria die Kinder ein Gebet lehrt, das sie nach jedem Geheimnis des Rosenkranzes beten sollen: „O mein Jesus, verzeih uns unsere Sünden, bewahre uns vor dem Feuer der Hölle; führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die Deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen.“

Die Höllenvision ist gleichsam der dunkle Hintergrund für die große Verheißung vom Triumph des Unbefleckten Herzens Mariens im zweiten Teil des „Geheimnisses“: „Ihr habt die Hölle gesehen, wohin die Seelen der armen Sünder kommen. Um sie zu retten, will Gott die Andacht zu meinem Unbefleckten Herzen in der Welt begründen. Wenn man tut, was ich euch sage, werden viele Seelen gerettet werden, und es wird Friede sein. Der Krieg geht seinem Ende entgegen. Wenn man aber nicht aufhört, Gott zu beleidigen, wird unter dem Pontifikat von Pius Xl. ein anderer, schlimmerer Krieg beginnen. Wenn ihr eine Nacht erhellt seht durch ein unbekanntes Licht, dann wisst, dass dies das große Zeichen ist, das Gott euch gibt, dass er nun die Welt für ihre Missetaten mit Krieg, Hungersnot, Verfolgung der Kirche und des Heiligen Vaters strafen wird.

Um das zu verhüten, werde ich kommen und um die Weihe Russlands an mein Unbeflecktes Herz und die Sühnekommunion an den ersten Samstagen bitten. Wenn man auf meine Wünsche hört, wird Russland sich bekehren, und es wird Friede sein; wenn nicht, dann wird es seine Irrlehren über die Welt verbreiten, wird Kriege und Verfolgungen der Kirche heraufbeschwören, die Guten werden gemartert werden und der Heilige Vater wird viel zu leiden haben. Verschiedene Nationen werden vernichtet werden. Am Ende aber wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren. Der Heilige Vater wird mir Russland weihen, das sich bekehren wird, und eine Zeit des Friedens wird der Welt geschenkt werden. In Portugal wird sich immer das Dogma des Glaubens erhalten usw.“ (Vierte Erinnerung II, 5).

Nach unseren Geschichtsbüchern begann der Zweite Weltkrieg am 1. September 1939, was 1941, als Schwester Lucia diese Worte niederschrieb, durchaus bekannt war. Die Seherin bestand freilich darauf, „Pius XI.“ gehört zu haben (der schon am 10. Februar 1939 gestorben ist): die Kinder hätten freilich nicht gewusst, ob es sich um einen König oder einen Papst handelte. Das „unbekannte Licht“ ist gleichzusetzen mit dem Nordlicht der Nacht vom 25. auf den 26. Januar 1938, das vielerorts eine blutrote Farbe annahm und von zahlreichen Beobachtern als Vorzeichen einer großen Katastrophe gedeutet wurde. Schwester Lucia selbst weist dazu auf den „Anschluss“ Österreichs durch Nazideutschland (12. März 1938), der bereits ein Schritt zum Krieg hin war. Schon beim Spanischen Bürgerkrieg, einem Vorspiel des Weltkriegs, waren sowohl Deutschland als auch die Sowjetunion beteiligt.

„Russland“ war für die drei Hirtenkinder eine unbekannte Größe: Sie überlegten, ob es sich um die Eselin eines Nachbarn handele (die „Russa“ hieß) oder (was sie für wahrscheinlicher hielten) eine böse Frau, die sich bekehren solle … Maria selbst weist freilich auf ihr späteres Kommen, um die Weihe Russlands an ihr Unbeflecktes Herz und die Sühnekommunion der ersten Samstage zu erbitten. Dies geschah 1925 in Pontevedra (Unbeflecktes Herz) und 1929 in Tuy (Weihe Russlands).

Der dritte Teil des „Geheimnisses“ lautet: „Nach den zwei Teilen, die ich schon dargestellt habe, haben wir links von Unserer Lieben Frau etwas oberhalb einen Engel gesehen, der ein Feuerschwert in der linken Hand hielt; es sprühte Funken, und Flammen gingen von ihm aus, als sollten sie die Welt anzünden; doch die Flammen verlöschten, als sie mit dem Glanz in Berührung kamen, den Unsere Liebe Frau von ihrer rechten Hand auf ihn ausströmte: den Engel, der mit der rechten Hand auf die Erde zeigte und mit lauter Stimme rief: Buße, Buße, Buße! Und wir sahen in einem ungeheuren Licht, das Gott ist: ,etwas, das aussieht wie Personen in einem Spiegel, wenn sie davor vorübergehen‘, einen in Weiß gekleideten Bischöfe ,wir hatten die Ahnung, dass es der Heilige Vater war‘. Verschiedene andere Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen einen steilen Berg hinaufsteigen, auf dessen Gipfel sich ein großes Kreuz befand aus rohen Stämmen wie aus Korkeiche mit Rinde. Bevor er dort ankam, ging der Heilige Vater durch eine große Stadt, die halb zerstört war und halb zitternd mit wankendem Schritt, von Schmerz und Sorge gedrückt, betete er für die Seelen der Leichen, denen er auf seinem Weg begegnete.

Am Berg angekommen, kniete er zu Füßen des großen Kreuzes nieder. Da wurde er von einer Gruppe von Soldaten getötet, die mit Feuerwaffen und Pfeilen auf ihn schossen. Genauso starben nach und nach die Bischöfe, Priester, Ordensleute und verschiedene weltliche Personen, Männer und Frauen unterschiedlicher Klassen und Positionen. Unter den beiden Armen des Kreuzes waren zwei Engel, ein jeder hatte eine Gießkanne aus Kristall in der Hand. Darin sammelten sie das Blut der Märtyrer auf und tränkten damit die Seelen, die sich Gott näherten.“

Das Bild des Feuers findet sich auch in einer das „dritte Geheimnis“ ergänzenden Vision Schwester Lucias, die sie am 3. Januar 1944 unmittelbar vor der Niederschrift der Vision vom 13. Juli 1917 hatte. Sie wurde 2013 in der Biographie der Karmelitinnen von Coimbra veröffentlicht. Schwester Lucia sieht eine Flamme, die von der Spitze einer Lanze ausgeht und die Erdachse erschüttert. Ganze Städte verschwinden, und das Meer reißt unzählige Menschen in einen Strudel hinein. Der zerstörerische Krieg reinigt die Welt von der Sünde. Diese Katastrophe, so scheint es, lässt sich freilich durch die Buße und die Fürsprache der Gottesmutter verhindern oder mildern.

Beschrieben wird dann die Verfolgung der Kirche und das Martyrium, wobei auch der Heilige Vater umkommt. Die Vision ist keine Fotografie, sondern eine Schau, die ähnlich wie in der Offenbarung des Johannes die geschichtlichen Ereignisse auf geheimnisvolle Weise bildhaft zusammenfasst. Typisch für die symbolhafte Dimension sind die kristallenen Gießkannen der Engel, die das Blut der Märtyrer aufsammeln und die Seelen tränken, die sich Gott nähern. Das Zeugnis der verfolgten Christen führt zu einem neuen Frühling im Glauben, den auch die Vision vom 3. Januar 1944 voraussetzt: „In der Zeit ein Glaube, eine Taufe, eine heilige katholische und apostolische Kirche. In der Ewigkeit der Himmel!“ Der „Triumph“ des Unbefleckten Herzens Mariens, von dem der zweite Teil des „Geheimnisses“ spricht, zeigt sich in einer weltweiten Zuwendung zur katholischen Kirche und in einer Zeit des Friedens, in der sich bereits wie in einem Morgenrot die Wiederkunft Christi am Ende der Zeiten ankündigt.

Die Voraussetzung dazu ist freilich die Verehrung des Herzens Mariens in der Praxis der ersten Monatssamstage sowie die öffentliche Weihe Russlands durch den Papst und alle katholischen Bischöfe. Davon sollen die nächsten Beiträge handeln.

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