Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kirche

Geschichte der Karmeliten in Österreich

Die Karmeliten blicken auf vier Jahrhunderte ununterbrochener, jedoch sehr wechselvoller Präsenz in Österreich zurück.
Zwei Schwestern des Karmel in Mayerling
Foto: Stephan Baier | Die Karmelitinnen und Karmeliten dienen der Kirche und der Gesellschaft durch ein Leben des unaufhörlichen Gebets: In Österreich – im Bild zwei Schwestern des Karmel in Mayerling – ununterbrochen seit vier Jahrhunderten.

Der erste Karmel der teresianischen Reform auf dem Boden des Heiligen Römischen Reichs wurde 1614 in Köln gegründet. Acht Jahre später – also präzise vor vier Jahrhunderten – folgte mit Unterstützung des habsburgischen Kaisers Ferdinand II. die Gründung eines Klosters in der Residenzstadt Wien. „Die spezifische Berufung der Karmeliten und Karmelitinnen ist das Gebet, und zwar das Innere Gebet. Hierfür sind Teresa von Ávila und Johannes vom Kreuz Vorbilder und Lehrer“, meint der heutige Provinzial, Pater Alexander Schellerer, gegenüber der „Tagespost“.

Lebensform in Europa und Nordamerika nicht attraktiv

Die Frage, wie attraktiv diese – verglichen mit einer auf Selbstverwirklichung genormten Gesellschaft – überaus alternative Lebensform heute ist, beantwortet der Provinzial recht nüchtern: „Wenn die derzeitige Attraktivität dieser Lebensform an der aktuellen Anzahl der Neuzugänge abgelesen wird, dann kann man verallgemeinernd sagen, dass diese Lebensform in Europa und Nordamerika nicht attraktiv ist.“ Ganz anders allerdings verhält es sich in Asien und Afrika, ja sogar in Lateinamerika.

Lesen Sie auch:

In Mitteleuropa jedenfalls würden sich die Karmeliten und Karmelitinnen mehr Berufungen wünschen: „Ein längerfristiges Ausbleiben von Berufungen wirft auch bei den Karmeliten und Karmelitinnen in Österreich mit Blick auf die Zukunft teilweise existenzielle Fragen auf“, so Pater Alexander Schellerer. Die geistliche Wirkung lässt sich an den mangelnden Ordenseintritten und dem steigenden Altersdurchschnitt jedenfalls nicht ablesen. Gegenüber dieser Zeitung meint der Provinzial: „In der Tradition des Propheten Elija sehen wir uns verpflichtet, Gott-zugewandt zu leben, diese Ausrichtung auf Gott hin täglich in reservierten Zeiten des Inneren Gebetes zu pflegen und möglicherweise stellvertretend für diejenigen, die das nicht können oder wollen, diese Haltung auch in anspruchsvollen Zeiten nicht aufzugeben.“

Gebet ist das Herz der karmelitischen Berufung

Bei der Festmesse zum 400-Jahr-Jubiläum des Karmel in Österreich kam der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, auf die spezifische Berufung des Karmel zu sprechen: „Das Gebet ist zweifellos das Herz der karmelitischen Berufung.“ Um gleich hinzuzufügen: „Aber es ist im Herzen jedes Menschen!“ Beim Beten gehe es gerade um das Innerlichste und Innigste, das ein Mensch tun kann, so der Wiener Kardinal in seiner Predigt in der Karmelitenkirche der österreichischen Hauptstadt. Begründung: „Die Seele des Menschen ist von Gott geschaffen und auf Gott hin ausgerichtet. Die Seele lechzt nach Gott!“ Die Heiligen des Karmel hätten etwas von dem entdeckt, was Jesus meinte mit seiner Forderung: „Betet ohne Unterlass.“ Seine Jünger hätten miterlebt, dass Jesus stundenlang betete. Kardinal Schönborn dazu: „Das Gebet ist Ausdruck des Vertrauens und der Übergabe.“

Beim Festgottesdienst unter dem Leitwort „400 Jahre Freundschaft mit Gott“ dankte Kardinal Schönborn dem Karmel für vier Jahrhunderte ununterbrochenen Betens. Aus aktuellem Anlass erinnerte er daran, dass das Gebet auch mit der Bereitschaft zur Vergebung zu tun habe, denn man könne nicht beten, wenn man hasst. „Der Hass tötet das Gebet!“ Christen müssten die Haltung Jesu einnehmen. „Die vielen stillen Beter – das sind die, die unsere Welt tragen“, so der Wiener Kardinal in seiner Predigt.

Die Existenz hing an einem seidenen Faden, der nie riss

Die Geschichte des zunächst „halb-eremitischen Ordens“, der unter dem Vorbild von Teresa von Ávila (1515–1582) und Johannes vom Kreuz (1542–1591) reformiert wurde, stellte in Wien Pater Peter Maria Pendl dar. Im heutigen Österreich habe es ab 1622 „sehr schnell eine ganze Welle von Gründungen“ gegeben. Dies zeige, „welch großen Anklang dieser Orden und die teresianische Spiritualität gefunden haben“. Allein im 17. Jahrhundert seien 16 Konvente im Heiligen Römischen Reich gegründet worden. Kaiser Leopold I. teilte 1701 die Ordensprovinz, um eine mit den habsburgischen Landen deckungsgleiche Provinz zu haben.

Unter dem Sohn der frommen Kaiserin Maria Theresia, dem „aufgeklärten Herrscher“ Joseph II., der „eine ganz eigene Religionspolitik verfolgt“ habe, wie Pendl diplomatisch formulierte, wurden viele Karmel geschlossen. Für diesen Kaiser hätten rein kontemplative Orden keine Funktion erfüllt. Nur Linz, Wien, Györ und Trient, die auch Pfarreien betreuten, blieben bestehen. „Die Existenz des Ordens hing an einem seidenen Faden, aber dieser Faden ist nie gerissen“, so Pater Peter Maria Pendl. Mit dem Jahr 1844 und vor allem unter der Regentschaft Kaiser Franz Josephs (1848–1916) begann eine zweite Gründungswelle in Österreich-Ungarn. Auch in der Zwischenkriegszeit wuchs der Orden in Österreich, doch auf Druck der Nazis verließen junge Mitbrüder den Orden. Einer wurde sogar hingerichtet.

Dankesworte für Teilnahme am Abenteuer

Heute haben die Karmeliten österreichische Niederlassungen in Wien, Linz und Graz, wo sich auch das Noviziat der kroatischen Provinz befindet. Die Schwestern haben aktuell Niederlassungen in Wien, Mayerling, Maria Jeutendorf, Mariazell, Graz, Bärnbach, Himmelau, Gmunden, Linz, Innsbruck und Rankweil.

In seinem Grußwort zum Jubiläum schreibt der Ordensgeneral, Pater Miguel Márquez Calle, von „400 Jahren der Gnade, Fruchtbarkeit und Barmherzigkeit“. Und er dankt allen, „die an diesem Abenteuer teilgenommen haben“. Weltweit gibt es derzeit etwa 12 000 Karmelitinnen und 4 000 Karmeliten.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Stephan Baier Christoph Schönborn Heiliges Römisches Reich Jesus Christus Joseph II. Kardinäle Leopold I.

Weitere Artikel

Kirche

Die deutschen Bischöfe werden beim Synodalen Ausschuss wohl keine kirchenrechtskonforme Lösung finden. Das Mehrheitsprinzip eröffnet einen rechtsfreien Raum.
25.04.2024, 11 Uhr
Regina Einig