Kardinal George Pell, ehemaliger Präfekt des vatikanischen Wirtschaftssekretariats, hat in einem Interview mit dem katholischen Sender K-TV die vatikanische Glaubenskongregation aufgefordert, gegen die „pauschale und ausdrückliche Ablehnung der Lehre der katholischen Kirche zur Sexualethik“ durch Kardinal Jean-Claude Hollerich, Erzbischof von Luxemburg, und den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, offiziell einzuschreiten und über die beiden „ein Urteil zu fällen.“ Zuerst darüber berichtet hatte der Vatikan-Journalist Edward Pentin im „National Catholic Register“.
Nicht dem Diktat der zeitgenössischen Kultur unterwerfen
Pell verstehe zwar die schwierige Lage aufgrund der rückläufigen Mitgliederzahlen (nicht nur) in den deutschsprachigen Kirchen. Die einzig mögliche Antwort darauf sei jedoch, „die Verheißungen Jesu wiederzuentdecken“ und das „ungeschmälerte Glaubensgut“ stärker zu verinnerlichen, nicht aber „den wechselnden Diktaten der zeitgenössischen säkularen Kultur zu folgen“. Bereits vor vielen Jahren habe Papst Paul VI. betont, letzteres sei ein „Weg zur Selbstzerstörung für die Kirche“.
Die „irrige Lehre“ lehne nicht nur die jüdisch-christlichen Lehren gegen homosexuelle Handlungen ab, sondern untergrabe auch die Glaubensunterweisung über die monogame Ehe, die ausschließlich die Verbindung von einem Mann und einer Frau sei.
Der australische Kardinal beruft sich auf den „ausgezeichneten Brief“ der Nordischen Bischofskonferenz an ihre deutschen Mitbrüder vom 9. März 2022. Pell sieht das Schreiben als „ein Beispiel für die fast einhellige Ablehnung dieser Neuerungen durch die Bischöfe in aller Welt“. Allerdings sei eine „klare römische Rüge nach einem ordnungsgemäßen Verfahren“ erforderlich.
Pell: Keines der Zehn Gebote ist verhandelbar
Die katholische Kirche sei kein „lockerer Zusammenschluss“, in dem verschiedene nationale Synoden oder Versammlungen sowie prominente Führer „wesentliche Elemente der apostolischen Tradition ablehnen und dabei ungestört bleiben können“. Das dürfe nicht zu einer „normalen und tolerierten Situation“ werden. Die katholische Einheit um Christus und seine Lehre erfordere „Einigkeit über die wichtigsten Elemente in der Hierarchie der Wahrheiten.“
Keines der Zehn Gebote sei verhandelbar; alle müssten befolgt werden, auch von Sündern. „Es darf keine spezielle australische oder deutsche Version der Zehn Gebote geben“. Pell zitiert in dem Zusammenhang den „englischen atheistischen Philosophen“ Bertrand Russell, der vorgeschlagen habe, die Zehn Gebote seien eine Art Prüfung, bei dem nur „sechs von zehn Fragen beantwortet werden müssen“. Dem „können wir nicht folgen.“ DT/jg
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