Apostel der Deutschen – das klingt für den modernen Zeitgeist gleich doppelt problematisch. Zum einen klingt es nach völkischem Denken, zum anderen nach einem Mann, der anderen den christlichen Glauben nahebringt, anstatt mit ihnen in einen offenen Dialog über die Vor- und Nachteile ihres heidnischen Aberglaubens einzutreten. Aber eben so ein Mann war Winfried nicht, der um das Jahr 673 in der englischen Grafschaft Wessex geboren wurde und später den Namen Bonifatius erhalten sollte.
Missionar
Als junger Mann trat er in den Benediktinerorden ein und wurde zum Priester geweiht. Nach ersten erfolglosen Missionsversuchen bei den unweit entfernt lebenden Friesen begab er sich im Jahre 719 ratsuchend nach Rom zu Papst Gregor II. Dieser erkannte freudig dessen Gabe: „Nachdem Du Dein heilig-glühendes Verlangen nach Mitarbeit bei der Bekehrung der Heiden geäußert und das Bekenntnis Deines tiefen christlichen Glaubens vorgelegt hast, werden wir Dich gern als unseren Gehilfen bei der Bestellung des göttlichen Weinberges einsetzen […] Es ist uns gleichermaßen lieb, dass Du gute Fortschritte in der Liebe zum göttlichen Vater gemacht hast, um aus den Begabungen, die Dir vom Himmel anvertraut sind, das Beste zu machen. Wir sind des Lobes voll, dass Du Deine Kenntnisse der Heiligen Schrift im Rahmen Deiner Verkündigung unablässig zum Leuchten bringst, um ungläubigen Völkern das Geheimnis des christlichen Glaubens bekannt zu machen.“
Eiche muss fallen
Wie glühend dieses Verlangen nach Bekehrung tatsächlich war, zeigt sich nicht zuletzt in der berühmten Fällung einer gewaltigen Eiche, die dem germanischen Gott Donar geweiht war. Würden heutige Kirchenvertreter darin wohl eher einen verwerflichen Akt von Intoleranz und Umweltzerstörung sehen, wusste Bonifatius ganz genau, was sein Auftrag gebot: Er demonstrierte den anwesenden Heiden die Überlegenheit des dreieinigen Gottes über ihre primitive Naturreligion.
Aber das Wirken des Bonifatius lässt sich nicht auf ein einziges Ereignis reduzieren. Vielmehr erforderte es eine schier übermenschliche Ausdauer und Organisationsfähigkeit, um im rechtsrheinisch gelegenen Germanien kirchliches Leben zu etablieren. Man bedenke: Aktuell leben in der Bundesrepublik über 200 Einwohner pro Quadratkilometer, im achten Jahrhundert waren es gerade mal zwei.
Kloster gebaut
Auch verfügte dieses von der römischen Zivilisation weitgehend unberührte Gebiet über keinerlei funktionierende Infrastruktur, geschweige denn ein Bildungssystem. Hier setzte Bonifatius an und errichte innerhalb kürzester Zeit ein stabiles Netz von Gemeinden, Bistümern und Klöstern und legte damit den Grundstein für das spätere Heilige Römische Reich Deutscher Nation.
Über das von ihm gegründete Kloster in Fulda schrieb er 751 an Papst Zacharias: „Weiterhin ist von einem Waldgebiet zu berichten, das in einer Einöde von geradezu unvorstellbarer Weltverlassenheit liegt. Dort haben wir ein Kloster erbaut und Mönche angesiedelt, die nach der Klosterregel des Heiligen Vaters Benedikt leben […] Mit Eurer Zustimmung möchte ich meinem vom Alter ermatteten Leib für einige Zeit oder auch nur für ein paar Tage in der Stille dieses Ortes die notwendige Erholung gönnen und ihn nach meinem Tode auch dort zur Ruhe gebettet sehen.“
Drei Jahre später schleppte Bonifatius seinen über achtzigjährigen Körper noch einmal in das Gebiet der Friesen. Seine Hoffnung auf einen Missionserfolg blieb auch dieses Mal unerfüllt, in den Händen seiner Gegner starb er am 5. Juni 754 den Märtyrertod. Ein anderer Wunsch wurde ihm hingegen erfüllt. Er liegt im Hohen Dom zu Fulda begraben.
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