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Den Herrn selbst handeln lassen

Achim Buckenmaiers neues Buch über das Weiheamt zeigt, dass der Priester umso mehr ist, je weniger er sein will.
Ein Priester vermag umso mehr, je weniger er sein und tun will
Foto: pmmart via imago-images.de (www.imago-images.de) | Ein Priester vermag umso mehr, je weniger er sein und tun will. Denn so gibt er dem Herrn selbst Raum zu handeln.

Priester seien wie guter Dung – über das Land verteilt brächten sie großen Segen, doch auf einem Haufen seien sie Mist. Mit diesen humoristischen Satz traf vor einigen Jahren ein Priester einmal den Punkt, den auch Achim Buckenmaier, langjähriger Dogmatik-Professor der römischen Lateran-Universität, in seiner diesjährig erschienenen Schrift über das Priestertum voranstellt. Die Krise des Weiheamtes verdankt sich – so lässt sich seine Beobachtung zusammenfassen – der Mentalität selbstgenügsamer Hirten, welche fern der verlorenen Schafe auf mancher Synodalwiese auf sich selbst bezogen dahingrasen und die bereits vom Propheten Ezechiel vorgetragene Kritik auf sich ziehen müssen: „Weh den Hirten Israels, die sich selbst geweidet haben! Müssen die Hirten nicht die Schafe weiden? Das Fett verzehrt ihr, mit ihrer Wolle kleidet ihr euch. Das Mastvieh schlachtet ihr, die Schafe aber weidet ihr nicht. Die Schwachen habt ihr nicht gestärkt, das Kranke habt ihr nicht geheilt, […] Und weil kein Hirt da war, zerstreuten sie sich und wurden Beute der wilden Tiere.“ (Ezechiel 34, 2–5)

Dienst und Hingabe muss gelebte Praxis sein

An mehreren Stellen seines Buches weist Buckenmaier gerade darauf hin, dass das Priestertum sich aus seiner Selbstreferenzialität befreien und Geistliche sich nicht als Eigentümer einer Religion aufführen dürften, sondern ihre Rolle nur in der Mitte des Volkes Gottes finden können. Er verdeutlich, dass der viel beschworene Grundsatz, in der Kirche ginge es nicht um Macht, sondern um Dienst und Hingabe, nicht nur ein theologischer Lehrsatz, sondern vor allem eine gelebte Praxis sein muss. „Nachfolge und Glaubensgehorsam werden pervertiert, wenn sie zu Abhängigkeit und Inbesitznahme durch Menschen führen“, so der Autor, der selbst seit 1985 Priester ist. „Die Deformation des Priestertums als Herrschaftsgebaren tritt dann auf, wenn man eine Aufgabe, ein Amt, als seinen eigenen Besitz ansieht. Das kann Priester, Diakone, Bischöfe und kirchliche Angestellte gleichermaßen ergreifen.“

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Den Priestern ist es dementgegen aufgetragen, durch ihr Wirken – und vielleicht mehr noch durch ihr Nicht-Wirken – Räume zu eröffnen, in denen Gott selbst wirken kann: „Dazu müssen wir dem ,Wort‘ schlechthin, dem Logos, Jesus, begegnen können. ,Wörter‘ können zum Reden werden, zum unablässigen Erklären, Kommentieren, zu moralischen Appellen und so weiter, meist durch die Priester selbst. Ermüdend ist das auch deshalb, weil die Glaubenden den Eindruck bekommen, ständig belehrt werden zu müssen. Das kognitive Element nimmt überhand. Aus der Feier wird Katechese oder Religionsunterricht, unterbrochen durch Musik. Der Priester als redender Alles-Erklärer verdeckt den Kern der Liturgie und macht sich zum Zentrum der Feier. Der selbstredenden Freude eines Festes wird wenig zugetraut. […] Die Feier wird der jeweiligen Deutung und Fähigkeit des Leiters ausgeliefert.“

Hinter Christus zurücktreten

Besser erscheint dagegen der Priester, der sich selbst zumutet, jene Leerstelle zu sein, in welche Christus als eigentlicher Herr seiner Kirche selbst hineintreten kann. Auf Mose rekurrierend, der sich selbst aufgrund fehlender Rhetorikbegabung als unzulänglichen Diener Gottes empfand, meint Buckenmaier, dass Gott ihn gerade deshalb erwählt habe: „Vielleicht scheint der ungeeignete Redner Mose besser geeignet, zu hören und Hilfe anzunehmen, als andere, Begabtere.“

Auch außerhalb der Liturgie darf der Priester nicht Beherrscher, sondern Helfer sein, indem er etwa die Aufbrüche in geistlichen Gemeinschaften und kleinen Bewegungen wahrnimmt. Es sei „erstaunlich, wie wenig sie in den amtlichen Überlegungen zur Zukunft der Kirche einbezogen werden. Manche Äußerungen von Bischöfen, Priestern, Theologinnen und Theologen der letzten fünf Jahrzehnte über solche außerhalb der Zukunftsprojekte und Pastoralpläne entstandenen kirchlichen Bewegungen und geistlichen Gemeinschaften klangen wie Beipackzettel eines Medikaments“, reüssiert Buckenmaier ein wenig kritisch.

Man muss handeln wie der Herr selbst

Die eigentliche Aufgabe der Hirten bestehe darin, die Kirche zum Herrn zu führen – „damit wir nicht mehr uns selber leben, sondern ihm, der für uns gestorben und auferstanden ist“, wie es das vierte Hochgebet zum Ausdruck bringt. Wie der Priester sein Leben nicht mehr unbegrenzt selbst entfalten und gestalten kann, sondern sich in Armut, Gehorsam und Ehelosigkeit Christus gleichgestalten lässt, muss er die Handlungsprärogative Gottes in seiner Kirche anerkennen und sie nach Christi Willen formen.

Der Priester wird davon herausgefordert, dass er das Eigentliche seines Dienstes doch nicht selbst machen kann, sondern es empfängt: „Das kirchliche Amt ist von einer paradoxen Struktur geprägt. Man kann das Wesentliche nicht tun. […] Zum anderen muss man in voller Verantwortung handeln und wirtschaften, als ob man es könnte. Man muss handeln wie der Herr selbst.“ Auf eine Kurzformel gebracht, die Buckenmaier dem Talmud entnimmt, heißt das: „Alles liegt in der Hand des Himmels, außer der Furcht vor dem Himmel.“

Das mit dem Untertitel „Beruf und Berufung auf dem Prüfstand“ versehene Buch führt zu den Krisenherden der Kirche im 21. Jahrhundert, es geht auf die biblischen und historischen Grundlagen des Amtes ein, auf Erfordernisse des priesterlichen Dienstes in unserer Zeit, Leitung als Bereitschaft zum Hören und Dienen zu leben. Die vielleicht stärkste und auch ermutigende Nuance ist wohl jene, dass der Priester umso mehr ist, je weniger er sein will. – Dass er umso mehr vermag, je weniger er tut, um so dem Herrn selbst Raum zu geben, weil, hier zitiert Buckenmaier Ambrosius, „Gottes Gabe nur durch Sehnsucht gewonnen wird“.

Buckenmaier, Achim: Priester. Beruf und Berufung auf dem Prüfstand. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2023, ISBN 978-3-7917-3397-5, EUR 26,95

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