Liebe Leserinnen und Leser,
der gar nicht so heimliche Star des heutigen Tages ist der heilige Josef. Kein einziges Wort ist von ihm überliefert, und doch ist er ein großartiger Lehrer. Was die Bibel auch nicht erzählt, ist die Eheschließung von Josef und Maria – die Kunstgeschichte tut es trotzdem. Und auch mit den O-Antiphonen geht es heute weiter – Hörempfehlung!
Einen gesegneten Start in den Tag wünscht Ihnen
Ihre Franziska Harter
Chefredakteurin
MIT DER BIBEL DURCH DEN ADVENT
Tageslesungen:
Jer 23,5–8
Mt 1,18–24
Durch die Augen des heiligen Josef
Josefs Blick auf die Weihnachtsgeschichte lehrt uns, wie man Gottes Willen erkennt Von Weihbischof Dominik Schwaderlapp
Im heutigen Evangelium wird uns die Geburt unseres Herrn aus der Sicht des heiligen Josef dargestellt. Matthäus bezeichnet Josef als jemanden, der „gerecht“ war.
Auf den ersten Blick scheint für uns Gerechtigkeit zu bedeuten, jedem das Seine zuzugestehen und es zu respektieren. Gerecht im biblischen Sinne meint mehr. Josef ist ein Mann, der sich nicht nur darum bemüht, jedem das Seine zuzugestehen und zu respektieren. Josef war ein Mann nach dem Willen Gottes, der versuchte, den Willen Gottes in sein Leben zu übersetzen. Er versuchte, Gott gerecht zu werden, nicht nur den Menschen.
Hier auch zum Anhören:
Christus hat unser Sein so verwandelt, dass wir nicht durch eigene Kraft, sondern durch das Geschenk der Erlösung den Willen Gottes verwirklichen können. Ja, Vater, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Erfülle mich mit deiner Gerechtigkeit, damit ich als gerechter Mensch deinen Willen in dieser Welt sichtbar machen kann. Heiliger Josef, du Gerechter, bitte für mich.
Der Autor ist Weihbischof in Köln.
WEIHNACHTEN IM BILD

Die Jungfrau wird gebären
Johann Friedrich Overbeck „Sposalizio“ überhöht Raffaels Vorlage ins Liturgisch-Sakrale und interpretiert sie im Sinne der deutschen Romantik Von Michael K. Hageböck
Wie die „Sposalizio“ als erstes Meisterwerk des Renaissancekünstlers Raffael (1483–1520) gilt, so ist ein Bild gleichen Namens das Opus magnum des späten Johann Friedrich Overbeck (1789–1869). Dargestellt wird in beiden Fällen die Vermählung Mariens mit dem greisen Josef, dessen Alter ebenso wie der von ihm getragene Lilienstab Sinnbilder seiner Reinheit und Belege für die Unberührtheit der Gottesmutter sind. Ihr Obergewand, hier wie dort blau, symbolisiert den himmlischen Bezug, während ihr rotes Untergewand die Passion ihres Sohnes präfiguriert. Das gesenkte Haupt Mariens deutet auf beiden Gemälden ihren Gehorsam gegenüber dem göttlichen Willen an. Getraut wird das Paar von einem Leviten, der die Verbindung zum Alten Bund herstellt. Sowohl Raffael als auch Overbeck betten die Szene in eine Zentralperspektive ein, deren Fluchtpunkt auf einen Tempel zuläuft, der beim Renaissancekünstler weiter im Hintergrund liegt und naturalistischer gestaltet ist als bei dem späteren Maler: hier die historische Bühne, dort der geistige Ort.
Leidenschaft und Kontemplation
Während auf dem Gemälde von 1504 links Frauen und rechts Männer stehen, sind bei der 1836 dargestellten Zeremonie nur Engel zu Gast: Sie singen, spielen Violine und Laute; schwebend halten sie eine Rosengirlande, die wie eine Abgrenzung des hortus conclusus, des verschlossenen Gartens, wirkt. Die geflügelten Boten machen Gottes Zustimmung zur Hochzeit und die Freude des Himmels sichtbar. Blumen auf dem Boden deuten auf die Rosa mystica hin, ein Ehrentitel der Jungfrau Maria. Bei Raffael führt der Priester die Hände der Brautleute zusammen; bei Overbeck segnet der Priester. Auf dem älteren, italienischen Bild zerbricht ein zurückgewiesener Freier zornig seinen Stab. Ohne eine leidenschaftliche Regung anzudeuten, versinkt die neuere, deutsche Darstellung in Kontemplation. Mariens Schoß wird bei Overbeck mit einer Kordel umgürtet, die ihre Jungfräulichkeit anzeigt – ein kreuzförmiger Knoten weist darauf hin, welchen Tod Jesus, die Frucht ihres Leibes, erdulden wird. Sein Leiden ist bereits in den Schriften des Alten Testaments angekündigt, welches die Braut bei Overbeck mit sich führt.
Raffael betont Renaissance-typisch das Menschliche im historischen Moment, Overbeck als Romantiker das Transzendente und das Liturgisch-Symbolische, indem er das Ereignis als sakramentales Mysterium darstellt. Mit meditativer Distanz komponiert Overbeck sein Bild zu einem visuellen Gebet. Nachdem der Humanismus den Menschen immer mehr in den Fokus rückte, hat die Kunstgeschichte unter Beweis gestellt, dass eine Entweltlichung der Kunst möglich ist. Overbecks „Sposalizio“ liefert dafür den Beweis.
Der Autor ist als langjähriger Schulleiter publizistisch tätig zu Themen aus Kunst und Kultur.
ADVENTLICHE KLÄNGE
Es brennt!
Wenn der alte Gottesname seinen Zauber entfaltet, erklingt das Überzeitlich-Zeitlose der Antiphon und führt den alten und den neuen Bund zusammen Von Barbara Stühlmeyer
Indem die Kirche am 18. Dezember die O-Antiphon „O Adonai“ singt, ruft sie jenen alten Gottesnamen an, der seit jeher im Judentum den Gottesnamen ersetzt. Aber Mose vernahm am brennenden Dornbusch mehr. Denn in diesem Moment verdichtete sich das Unsagbare: Der Ewige beugt sich herab, um mit seinem Volk zu sprechen, und offenbart sich als der, der er ist. Kunst und Kultur greifen dieses Geheimnis seit Jahrhunderten auf. Marc Chagalls leuchtende Sinai-Szenen machen die göttliche Gegenwart wie eine tönende Vibration spürbar. Und auch Michelangelos Moses in San Pietro in Vincoli trägt die Energie eines Mannes, der die Stimme Gottes hörte und davon verwandelt wurde.
Was danach in der Antiphon thematisiert wird, kommt bei heutigen Rezipienten weniger gut an: „… der du dem Mose im brennenden Dornbusch erschienen bist und ihm das Gesetz auf dem Sinai gabst.“ Aber Gesetz – oft nur als Einschränkung verstanden – ist hier ein Wegweiser, eine Form der Nähe. Wie jene zarte Melodie, die sich auch in den Psalmen wiederfindet, will Gottes Wort nicht fesseln, sondern zum Leben führen. Das spüren wir auch in der Musik: In Händels „Messias“ klingen die Propheten wie sanfte, aber unüberhörbare Mahner, die uns zur Freiheit rufen. Adonai ist der Herr, der sich nicht in Wolken versteckt, sondern sich finden lässt. Der Dornbusch brannte, aber verzehrte nicht.
So kann auch unser Alltag vom Feuer der Gegenwart Gottes berührt werden, ohne darin zu verbrennen. Vielleicht geschieht es im Aufleuchten eines Gemäldes im Museum, in einem Musikstück, das uns unverhofft Frieden schenkt, oder in einem Satz der Schrift, der plötzlich innerlich zu glühen beginnt. Die Antiphon endet mit einer Bitte: „Komm, befreie uns mit starker Hand.“ Es ist das Gebet derer, die spüren, dass Gottes Nähe im Kommen ist. Und während draußen die Dunkelheit wächst, leuchtet in uns die Verheißung, dass der Herr des Sinai derselbe ist, der als Kind in der Krippe liegt – mächtig, aber sanft; ewig, aber uns unendlich nah.
Die Autorin ist Theologin und Musikerin und schreibt zu kulturgeschichtlichen Themen und Musik.
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