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Glaubenskongregation warnt vor "Selbsterlösung" und "Innerlichkeit"

Erstmals unter ihrem neuen Leiter veröffentlicht die Römische Glaubenskongregation ein Dokument. Ihr Brief an die Bischöfe über "christliches Heil" erläutert dabei Vorwürfe, die Papst Franziskus des öfteren erhebt.
Christus - Erlöser der Menschen
Foto: A4544/_Swen Pförtner (dpa) | Christus - Erlöser der Menschen. Foto: Swen Pförtner/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Das neue Dokument der Glaubenskongregation löst bei Beobachtern eine gewisse Ratlosigkeit aus: ein Brief an die Bischöfe der Weltkirche "über einige Aspekte des christlichen Heils". Der sechsseitige Text mit dem Titel "Placuit Deo" (Es hat Gott gefallen) ist das erste Dokument der Kongregation unter ihrem neuen Präfekten, dem Jesuiten und Erzbischof Luis Ladaria. Dieser war im Juli 2017 zum Nachfolger von Kardinal Gerhard Ludwig Müller ernannt worden.

Der Brief bekräftigt - was nichts Neues ist - den Glauben, dass Jesus Christus "einziger und universaler Retter" der Menschen ist. Gleichzeitig wendet er sich gegen Tendenzen oder Haltungen, die mit den Begriffen "Neu-Pelagianismus" und "Neu-Gnostizismus" zusammengefasst werden. Viele Menschen meinten, ihre Verwirklichung hänge allein von den eigenen Kräften ab, heißt es in dem Brief. Andererseits gebe es heute das Gefühl eines nur innerlichen Heils und rein persönlicher Vereinigung mit Gott, ohne dass dies Folgen hätte für die Beziehungen zu anderen und zur Gesellschaft.

Wozu? Warum jetzt? Was ist der Anlass? Der Text sei weder auf alleinige Initiative der Kongregation noch des Papstes entstanden, erklärt Ladaria. Vielmehr hätten nach der Veröffentlichung der Erklärung "Dominus Iesus" aus dem Jahr 2000 "einige Theologen die Glaubenskongregation gebeten, einige der darin genannten Aspekte zu vertiefen" - in einem neuen Dokument über die christliche Erlösung.

Nun befasst sich "Placuit Deo" aber nicht mit den damals heftig diskutierten, weil als abwertend empfundenen Aussagen von "Dominus Iesus" über andere "kirchliche Gemeinschaften". Diese Diskussion habe man gar nicht aufgreifen wollen, sagte Ladaria etwas abwehrend auf entsprechende Nachfragen. Das Anliegen sei ein anderes.

Stattdessen kritisiert der neue Text der Glaubenskongregation zeitgeistige Tendenzen von reiner Selbstverwirklichung oder bloßer Innerlichkeit. Konkrete Beispiele, wer damit gemeint sei, nennen weder Erzbischof Ladaria noch der Sekretär der Kongregation, Bischof Giacomo Morandi. Im Streben nach Einkommen, Status, Fitness, Gesundheit, Erfolg sei doch jeder ein bisschen Pelagianist, so Ladaria. Es sei nicht Aufgabe der Glaubenskongregation mit dem Finger auf einzelne Schuldige zu zeigen.

Gegen Neu-Pelagianismus und Neu-Gnostizismus hat sich Papst Franziskus schon öfter gewendet. Der Pelagianismus ging davon aus, dass die menschliche Natur nicht durch eine Erbsünde verdorben sein könne, da der Mensch ja von Gott selbst erschaffen sei. Die Gnostiker der Spätantike argumentierten unter anderem, dass der Mensch das Prinzip einer vollkommenen Gottheit in sich trage, von der er nicht zu trennen sei.

Franziskus behandelt diese "Neo"-Phänomene bereits in seinem Schreiben "Evangelii Gaudium" von 2013 (Nr. 93-97). Mit den gleichnamigen antiken Häresien hätten die kritisierten Überzeugungen hingegen nur gewisse Berührungspunkte, befindet die Glaubenskongregation. Die Auseinandersetzungen in der Antike fanden in einem anderen Kontext statt, nicht in einer säkularisierten Welt. Vorstellungen von Selbsterlösung und Innerlichkeit gab es im Christentum aber immer wieder. Und so ziehen sich die Begriffe Pelagianismus und Gnostizismus durch die Kirchengeschichte - auch zur Brandmarkung theologischer Gegner, ob "konservativ" oder "progressiv".

Nach diesem Verständnis ließen sich sowohl übertrieben streng praktizierende Christen wie auch aufgeklärte Fortschrittsgläubige ohne Religion neu-pelagianisch nennen. Esoterische Weltverachtung wie geistiges Elite-Bewusstsein wären hingegen neu-gnostisch zu nennen. Die Bewertung, ab wann genau eine dieser Lebenseinstellungen aus christlicher Sicht zu extrem ist, lässt das Schreiben offen.

Theologen weisen darauf hin, dass niemand sich selbst erlösen kann: Niemand könne ein Leben führen, ohne sich nicht vor sich selbst und vor anderen rechtfertigen zu müssen. Menschen müssten sich schon deshalb rechtfertigen, weil sie sterblich sind. Aber, so nun der christliche Glaube, das können sie nicht aus sich heraus, nicht ohne Gott. Und Gott hat dies nach christlicher Lehre durch Jesus Christus getan, indem Jesus die unvermeidliche Schuld der Menschen auf sich genommen hat. Das noch einmal deutlich zu machen, war Anliegen der Glaubenskongregation.

KNA - Roland Juchem / jbj

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