Es war eine Art Machtwort, doch die Debatte ist trotzdem nicht zu Ende: Auch nach dem Schreiben des Papstes an die US-Bischofskonferenz in Sachen Migration diskutieren Amerikas Katholiken weiter über den Umgang mit illegaler Zuwanderung. Einer der Diskutanten ist selbst Immigrant aus Mexiko, der Erzbischof von Los Angeles, José Horacio Gomez, und er wirbt für undurchlässigere Grenzen: Es sei „ernste Pflicht“ jeder Nation, ihre Grenzen „zu sichern und kontrollieren“, so Gomez vergangene Woche in einem Beitrag für „angelusnews.com“. Allerdings brauchten auch Grenzmauern Türen.
Amerika sollte eine kohärente Migrationspolitik haben, so wie andere Staaten auch, fordert der ehemalige Vorsitzende der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten. Letztlich sei das Migrationssystem kaputt, die letzte Reform habe es 1986 gegeben, zu einer Zeit, als die Welt eine andere gewesen sei. Das Problem sei also alt, und die Katholische Kirche habe das System jedenfalls nicht ruiniert, so Gomez in Anspielung auf entsprechende Vorwürfe, die in der Debatte geäußert worden waren. Stattdessen kümmere man sich täglich um den Schaden, der durch das „kaputte System“ verursacht werde. Beide Parteien hätten das Problem nicht gelöst, sondern das Thema für politische Vorteile ausgenutzt.
Mehrheit Trump-kritisch
Während der Erzbischof schreibt, dass man nicht „jeden, der hier leben will, hereinlassen kann“, und es Regeln brauche um zu entscheiden „wen, wie viele und unter welchen Voraussetzungen“ man Menschen willkommen heißen wolle, seien Menschen gleichzeitig mit dem „natürlichen Recht, auf der Suche nach einem besseren Leben zu emigrieren“ ausgestattet, und wohlhabende Nationen seien dazu aufgerufen, sie großzügig aufzunehmen.
Zwar seien sich alle einig, dass man keine irregulären Migranten wolle, die Terroristen oder Gewaltkriminelle seien. Diese müssten aus dem Land „in einer Weise, die ihre Rechte und ihre Würde respektiert“ entfernt werden. Man brauche aber eher eine Reparatur des jetzigen Systems, unter dem diese überhaupt ins Land hatten kommen können. Abschiebung sei hingegen „keine Migrationspolitik“.
Erzbischof Gomez tritt mit seinen Äußerungen als differenzierte Stimme in der aktuellen Diskussion um die strikte Migrationspolitik des neuen US-Präsidenten Donald Trump auf. Die Mehrheit der katholischen US-Bischöfe hatte sich bislang offen kritisch zu den Plänen der Trump-Regierung positioniert – was bereits zu einem verbal ausgetragenen Streit zwischen dem Vizepräsidenten, J.D. Vance, und der Bischofskonferenz geführt hatte. Derzeit gilt auch nicht als gesichert, ob die finanzielle Unterstützung in Höhe von mehr als 100 Millionen US-Dollar, die die Bischöfe von der US-Regierung für ihre Flüchtlingsarbeit erhalten, weiter fließt.
Auf der Suche nach einem humaneren System
Aufgrund der Situation in den USA hatte sich auch Papst Franziskus vergangene Woche dazu veranlasst gesehen, in einem Brief an die US-Bischöfe seine Sorge über die Migrationspolitik der Trump-Administration zum Ausdruck zu bringen – und sich bei den US-Oberhirten für deren Engagement zu bedanken. Ohne ihn beim Namen zu nennen wies Franziskus zudem die These des US-Vizepräsidenten zurück, wonach sich eine strikte Einwanderungspolitik mit dem christliche Konzept einer Rangordnung der Liebe vom Nahen zum Fernen, dem sogenannten „Ordo amoris“, begründen lasse.
In einem knappen Antwortschreiben bedankte sich der Vorsitzende der US-Bischöfe, Erzbischof Timothy Broglio, bei Papst Franziskus für dessen „Unterstützung im Gebet“. Wörtlich schrieb Broglio: „Wir alle wenden uns im Gebet an den Herrn, dass die Familien, die unter der plötzlichen Einstellung der Hilfsmaßnahmen leiden, die Kraft finden, durchzuhalten.“ Man bete gemeinsam mit dem Papst dafür, dass die US-Regierung ihre Verpflichtungen einhalte, um den Bedürftigsten zu helfen. Zudem brachte Broglio seine Hoffnung zum Ausdruck, man möge „als Nation den Mut finden“, ein humaneres Einwanderungssystem zu entwickeln, „das unsere Gemeinschaften schützt und gleichzeitig die Würde aller aufrechterhält“. (DT/jra/mlu)
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