Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Einflussreiche Organisation

Wie christliche Lobbyisten die US-Politik gestalten

Die „Association of Christian Lawmakers” will systematisch mehr Einfluss auf die US-Politik nehmen. Ihr Ziel ist es, das Land nach biblischen Prinzipien zu formen. Daran kann nichts falsch sein – oder doch?
Jason Rapert und Bill Clinton
Foto: IMAGO (www.imago-images.de) | Als früherer Senator im Parlament von Arkansas ist der NACL-Vorsitzende Jason Rapert bis auf den heutigen Tag gut in der US-Politik vernetzt.

Ihr Logo ist ein Schild mit weißem Kreuz auf rotem Hintergrund, ihre Mitglieder müssen ein Glaubenszeugnis unterzeichnen und betrachten die Bibel als höchste Autorität. Erobern wollen sie jedoch keine Pfarreien, sondern die Politik. Die Rede ist von der „National Association of Christian Lawmakers“, kurz NACL, einer Lobbyorganisation christlicher Nationalisten in den USA. Seit einigen Jahren arbeiten deren Anhänger im Hintergrund daran, zunehmenden Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse im Land zu nehmen.

Die NACL benennt ihre Ziele unmissverständlich: Auf lokaler, einzelstaatlicher und Bundesebene will man politische Amtsträger vernetzen, um „klare biblische Prinzipien“ in legislative Prozesse einzubringen und drängende politische Fragen „aus biblischer Weltsicht“ anzugehen. So steht es in den „Leitlinien“ der Organisation, einsehbar auf deren Website.

Lebensschutz und ein traditionelles Ehe- und Familienbild

Der Gründer und bis heute amtierende Vorsitzende der NACL ist Jason Rapert – eine facettenreiche Figur. Der 50-Jährige saß mehrere Jahre für die Republikaner im Senat des Bundesstaates Arkansas, moderiert einen Radio-Podcast mit dem vielsagenden Titel „Save the nation“ (etwa: Rettet die Nation), hat seine eigene Kirche gegründet, die „Holy Ghost Ministries“, und gilt als Anhänger des sogenannten „Dominionismus“. Diese streben danach, die Trennung von Staat und Kirche aufzuheben und stattdessen einen von traditionellen Werten geprägten, streng an der Bibel orientierten Staat unter christlicher Vorherrschaft zu gründen.

Lesen Sie auch:

2019 rief Rapert die NACL ins Leben, um Gleichgesinnte zu vernetzen und Kräfte zu bündeln. Denn, wie es in den Leitgedanken heißt: „Atheistische“ und „antichristliche“ Gruppen seien in ihrem Vorgehen bislang wesentlich strategischer, um ihr „gottloses Weltbild durch Gerichte und Gesetze“ zu verbreiten. Hier will die NACL daher ein Gegengewicht setzen: Die Organisation entwirft sogenannte „Modell-Gesetze“ zu verschiedenen Themen, die Mitglieder dann in die Parlamente einbringen sollen. Ferner geht es um Religionsfreiheit, allen voran aber um Lebensschutz und ein traditionelles Ehe- und Familienbild. Abgeordnete, die der NACL angehören, sind eigenen Angaben zufolge bereits in 31 Bundesstaaten vertreten.

Diese Strategie hat durchaus Erfolg: So war ein Mitglied der NACL maßgeblich an jenem umstrittenen texanischen Abtreibungsgesetz beteiligt, das im September 2021 erlassen wurde und es unter anderem Privatleuten ermöglicht, alle Personen zu verklagen, die eine Abtreibung nach der sechsten Schwangerschaftswoche – beziehungsweise sobald ein Herzschlag des Fötus festgestellt wird – durchführen oder daran mitwirken. Die „Heiligkeit menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum Zeitpunkt des natürlichen Todes“ zu schützen gehört denn auch zu den zehn Grundsätzen, denen sich die NACL-Mitglieder verpflichten müssen. Rapert selbst rühmt sich, der erste US-Politiker gewesen zu sein, der ein sogenanntes „Herzschlag-Gesetz“ eingebracht hatte. Sein Gesetzentwurf schaffte es 2013 zwar durch das Parlament von Arkansas, ein Bundesrichter blockierte ihn jedoch kurz darauf.

Eindeutige Position zur gleichgeschlechtlichen Ehe

Auch die eindeutige Positionierung gegen die gleichgeschlechtliche Ehe stellt einen der verpflichtenden Grundsätze der NACL dar. So rief Rapert beispielsweise vergangenen Dezember den Kongress dazu auf, den „Respect for Marriage Act“ abzulehnen. Dieser sieht vor, dass Eheschließungen auf Bundesebene sowie in allen Einzelstaaten anerkannt werden müssen, wenn die Ehe in dem Bundesstaat, in dem sie geschlossen wurde, rechtmäßig war. Raperts Ansicht dazu: Viel zu lange schon habe man es „einer politischen Partei in unserem Land erlaubt, Sodom und Gomorra als erstrebenswertes Ziel, und nicht als Sünde zu betrachten“. Die USA müssten sich von den „Fesseln der LGBTQ-Bewegung“ befreien.

Die Ansichten der Lobbyorganisation zu Abtreibung und Sexualität könnten konservative Christen sicher vorbehaltslos unterschreiben. Darüber hinaus klingen die Leitlinien und Grundsätze äußerst kulturpessimistisch: So heißt es, mit den USA gehe es bergab aufgrund eines „moralischen und spirituellen Verfalls unserer Kultur und Institutionen. Dies sehe man auch an „Gewalt, Bürgerunruhen und Respektlosigkeit gegenüber den Traditionen unseres Landes“.

Konkrete Kritik findet man bislang weniger an der NACL selbst – wohl aber am Phänomen des „Christlichen Nationalismus“ im Allgemeinen. So sieht der Soziologe Andrew Whitehead, Autor des Sachbuchs „Taking America Back for God: Christian Nationalism in the United States”, in jener konservativ-christlichen und nationalistischen Weltsicht eine Gefahr für die Demokratie: Deren Anhänger würden glauben, die USA wären nur für weiße, auf amerikanischem Boden geborene Bürger geschaffen. Die Bewegung lasse keine Kompromissbereitschaft erkennen, „ihre Vision muss diejenige sein, die eintreten wird“.

Gesetze, die Freiheiten beschneiden

Das in seiner politischen Berichterstattung ziemlich weit linksaußen zu verortende Magazin „Rolling Stone“ indes ließ jüngst kein gutes Haar an Rapert und seiner Lobby-Organisation. Die Modell-Gesetze der NACL seien „düster“ und würden Freiheiten beschneiden. Rapert habe „einen Riecher für Kontroversen und Intoleranz“, heißt es in einem ausführlichen Artikel über die NACL. Dieser bezog sich auf Worte, die Rapert zu Beginn seiner politischen Karriere über den damaligen US-Präsidenten Barack Obama verloren hatte. Obama repräsentiere nicht das Land, in dem er, Rapert, aufgewachsen sei. Und seinen Wähler versprach er: „Wir werden es nicht zulassen, dass Minderheiten eure Überzeugungen mit Füßen treten.“

Das war im Jahr 2011. Doch auch wenn Rapert heute selbst kein politisches Amt mehr ausübt, dürfte sein Einfluss mithilfe der NACL deutlich gewachsen sein. So gelang es ihm auch, für das Beratergremium der Organisation einige prominente Namen zu gewinnen. Da wäre etwa Mike Huckabee, ehemaliger Gouverneur von Arkansas und zweifacher Bewerber um die republikanischer Präsidentschaftskandidatur; der evangelikale Lobbyist Tony Perkins, Vorsitzender des „Family Research Council“; und nicht zuletzt Frank Pavone, ein umstrittener Lebensrechts-Aktivist, der 2022 wegen Ungehorsams gegen seinen Bischof und Blasphemievorwürfen aus dem Priesterstand entlassen worden war. Insbesondere letztere Personalie zeigt, dass Rapert ein Talent dafür besitzt, sich mit Namen zu umgeben, die in der Vergangenheit immer wieder für Kontroversen gesorgt haben.

Sie haben alle Trümpfe in der Hand

Geschadet hat ihm das bislang nicht – im Gegenteil. Vor allem nach dem neuen Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofs in der Abtreibungsfrage aus dem vergangenen Jahr halten Rapert und die gleichgesinnten Mitglieder seiner Organisation alle Trümpfe in der Hand, um auf bundesstaatlicher Ebene eine Verschärfung der Abtreibungsgesetzgebung zu erzielen. Am nun geltenden Abtreibungsverbot in seinem Heimatstaat Arkansas war Rapert schon maßgeblich beteiligt. Dass er sich mit derlei Etappensiegen begnügen wird, ist nicht zu erwarten. Denn von der angestrebten, ausschließlich an biblisch-konservativen Prinzipien orientierten Staatsform sind die USA noch weit entfernt.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Maximilian Lutz Barack Obama Bibel Demokratie Gleichgeschlechtliche Ehe

Weitere Artikel

Kirche

Die Heilsquelle der Christen betrachten: Das Kreuz steht im Mittelpunkt authentischer Kirchenreformen.
28.03.2024, 21 Uhr
Regina Einig