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Donald Trump wird im falschen Verfahren angeklagt

Die Anklage gegen den Ex-Präsidenten wegen Schweigegeld-Zahlungen an eine Pornodarstellerin ist heikel. Zumal es viel gravierendere Vorwürfe gegen Trump gibt.
Donald Trump wird angeklagt
Foto: Evan Vucci (AP) | Trumps Reaktion auf die Anklage war zu erwarten: Er schimpfte über „politische Verfolgung“ und „Einmischung in den Wahlkampf“ auf höchster Ebene.

In den USA spielen sich gerade historische Ereignisse ab: Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes wird ein ehemaliger Präsident angeklagt. Eine Grand Jury in Manhattan befand am Donnerstag, dass dieser Schritt in der Affäre um die Schweigegeld-Zahlungen Donald Trumps an die Porno-Darstellerin mit dem „Künstlernamen“ Stormy Daniels angebracht sei. Die konkreten Anklagepunkte werden jedoch erst nächste Woche bekanntgegeben.

Die Anklage ist nicht nur historisch, sondern heikel. Es waren nicht nur Trump, seine Parteigenossen und eingefleischte Unterstützer des Ex-Präsidenten, die sich kritisch zum Vorgehen des New Yorker Bezirksstaatsanwalts Alvin Bragg äußerten, der die Anklage vorantrieb. Zahlreiche Beobachter und Experten – auch solche, die keiner allzu großen Nähe zu Trump verdächtig sind – meldeten in den letzten Wochen ihre Bedenken an, ob eine Anklage Trumps rund um die Schweigegeld-Affäre nicht auf tönernen Füßen stehe.

Trump spricht von "politischer Verfolgung"

Dies liegt in einigen Details des Verfahrens begründet: Konkret drehen sie sich um die Frage, ob es sich bei den Zahlungen, die Trumps Unternehmen fälschlicherweise als Rechtskosten deklariert hatte, tatsächlich um ein Verbrechen, nicht nur um ein Vergehen handelt. Trump müsste also nachgewiesen werden, dass es ihm wirklich darum ging, in der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 seine nie so wirklich weiße Weste sauber zu halten. In der Praxis dürfte sich das als schwierig herausstellen.

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Trumps Reaktion auf die Anklage war zu erwarten: Er schimpfte über „politische Verfolgung“ und „Einmischung in den Wahlkampf“ auf höchster Ebene. Unterstützer sprachen von einer „Hexenjagend“ und einer beispiellosen Kampagne gegen den ehemaligen Präsidenten. Dennoch wird er sich der Justiz wohl stellen. Auch wenn die Rhetorik völlig überzogen ist: Ganz Unrecht haben Trump und seine Anhänger nicht. Dieser Anklage haftet der Beigeschmack an, einen politisch unliebsamen Gegner in Misskredit bringen zu wollen. 

Das soll Trumps Verhalten, das sicherlich nicht bis ins Letzte gesetzeskonform war, nicht entschuldigen. Im Gegenteil: Für ihn müssen dieselben Maßstäbe gelten, wie für alle anderen US-Bürger. Doch es gibt wesentlich schwerwiegendere Vorwürfe gegen Donald Trump. Beispielsweise rund um den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021. Man muss nur die Punkte lesen, die ihm ein Ermittlungsausschuss zur Last legt: Anstachelung zum Aufruhr, Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten, Behinderung des Kongresses und Verschwörung zu falschen Angaben. Der solideste juristische Prozess aber könnte dem Republikaner aufgrund möglicher Wahlbeeinflussung im Bundesstaat Georgia gemacht werden. Hier drängte Trump, nach der verlorenen Wahl 2020 noch die nötigen Stimmen für ihn zu „finden“ – und drohte andernfalls mit Konsequenzen. 

Trump weiß, die Empörungsspirale anzuheizen

Wie geht es weiter? Auf eine mögliche Präsidentschaftskandidatur wirkt sich auf dem Papier zunächst weder die Anklage noch eine Verurteilung aus. Gleichzeitig kommt eine neue Dynamik in den Wahlkampf. Die Frage ist, ob diejenigen Republikaner, die bis dato noch zähneknirschend hinter ihm stehen, auch einen angeklagten, womöglich schuldig gesprochenen Trump im selben Maße unterstützen. Bislang hat der 76-Jährige jedenfalls noch die Rückendeckung der Parteiführung. 

Hinzu kommt, dass Donald Trump bekanntlich ein Meister darin ist, die Attacken seiner Gegner für sich zu nutzen. Allein in den letzten Tagen will er eineinhalb Millionen Spenden eingeworben haben. Trump hat es als Geschäfts- beziehungsweise Erfolgsmodell perfektioniert, die Empörungsspirale anzuheizen, eine Opferrolle einzunehmen und dann schonungslos mit dem „korrupten Establishment“ abzurechnen. 

Bleibt nur zu hoffen, dass auch diese Spirale irgendwann überdreht ist und die republikanische Basis, die diesmal in Floridas Gouverneur Ron DeSantis eine echte Alternative zu haben scheint, das Spiel nicht noch einmal mitspielt. Gewiss ist es nicht. Fest steht aber: Wer Trump von Anfang an kritisch sah, sich aber dennoch hinter ihn stellte, da dessen Politikstil Erfolg versprach, erntet spätestens jetzt die Früchte seines mangelnden Muts, die Stimme zu erheben. Denn mit oder ohne Trump: Der Trumpismus wird bleiben.

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Maximilian Lutz Donald Trump Ron DeSantis Sturm auf das Kapitol

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